Im Mittelpunkt steht dabei die Station Rathaus, wo im Bereich der Landesgerichtsstraße das neue Linienkreuz U2xU5 errichtet wird. Eine Großbaustelle mitten in der Stadt. Schräg unterhalb der alten U2-Station entsteht der Tunnel für die neue U2-Trasse, wenn künftig U2 und U5 die Schienen tauschen werden. Hier muss vermessungstechnisch und statisch alles passen – doch das hat es wohl nicht. Vielmehr soll den Wiener Linien ein peinlicher Vermessungs- bzw. Berechnungsfehler passiert sein, der letztlich Millionen kostete und Hauptursache für die monatelange Bauverzögerung gewesen sein soll.
Beton hebt Bahnsteige
„Man hat aus statischen Gründen viele Betoninjektionen durchführen müssen. Allerdings hat man nicht bedacht, dass sich dadurch die alten U2-Bahnsteige heben. Und dann ist das ganze Malheur passiert“, wird berichtet. Das „Malheur“ war nämlich, dass die vollautomatischen Bahnsteigtüren beim Rathaus bereits eingebaut waren – und sich dann durch den Druck von unten verzogen haben und kaputtgingen.
Diese Bahnsteigtüren sind für den künftigen fahrerlosen Betrieb auf der U5 essenziell und die wohl größte Umstellung im U-Bahn-Betrieb überhaupt (Fahrgäste machen mit ihnen ab sofort auf dem wiedereröffneten U2-Abschnitt Bekanntschaft). Sie müssen aus Sicherheitsgründen millimetergenau sitzen.
15 von 25 Modulen mussten in der Folge ausgetauscht werden – ein extrem aufwendiges und kostspieliges Unterfangen: Denn die tonnenschweren, maßangefertigten Türen mussten in Frankreich neu bestellt und anschließend in der Fertigungshalle in Wolkersdorf zusammensetzt werden; es folgte De- und Neumontage per Kran in Wien – eine heikle Hochpräzisionsangelegenheit.
Das alles haben die Wiener Linien im Sommer auch zugegeben und die Medien sogar durch die Station Rathaus geführt: „Türprobleme behoben“, hieß es unisono. Doch als Grund für die zerstörten Bahnsteigtüren wurden lediglich „unerwartete Erdbewegungen“ genannt. „Das ist irreführend, wenn auch nicht ganz falsch: Denn die Erdbewegungen waren da, aber halt durch die Betoninjektionen selbst verursacht“, erklärt einer der Informanten.
Vorwand „Sprachprobleme“
Die Verzögerungen waren in der Folge nicht mehr aufzuholen, und das U2-Comeback zu Schulbeginn längst illusorisch: In Folge wurden Mitte Oktober von den Wiener Linien „Sprachprobleme“ mit einer französischen Softwarefirma als Grund für die weitere Verzögerung kommuniziert. Doch die besagte Firma wies die Schuld zurück. „Das mit den Sprachproblemen war ein Blödsinn. Das war eine Ausrede, man hat es selbst vorher verbockt“, wird erzählt.
Zu diesem Zeitpunkt ist der Stadtpolitik längst der Geduldsfaden gerissen: Öffi-Stadtrat Peter Hanke gestand Fehler ein und kündigte „eine umfassende Evaluierung“ durch die Stadtwerke an, „in der der Prozess kritisch aufgearbeitet werden soll“. Auch Wiener-Linien-Chefin Alexandra Reinagl musste „Managementfehler“ zugeben.
Kein Dementi
Was sagen die Wiener Linien zu diesen Enthüllungen? Wurde die Öffentlichkeit über den wahren Grund getäuscht? In einem recht allgemein gehaltenen Statement an den KURIER wird der Version vom selbst verschuldeten Pfusch nicht widersprochen: „In der Station Rathaus kam es zu unerwarteten Erdbewegungen und dadurch zu Schäden an den Bahnsteigtüren, die behoben werden mussten. Die Ursache der Erdbewegungen ist noch nicht geklärt.“
Bestätigt wird zudem, dass das Problem mit den Bahnsteigtüren kein geringes war und für einen Gutteil der 15-monatigen Verzögerung verantwortlich zeichnete: „Erst nachdem die neuen Bahnsteigtüren eingebaut waren, konnten die restlichen Arbeiten wieder aufgenommen werden. Der dadurch entstandene Zeitverzug betrug mehrere Monate“, so die Wiener Linien.
Und was ist mit den Mehrkosten? Rund 65 Millionen Euro habe das ganze U2-Projekt gekostet, wobei die finale Abrechnung erst erfolge; der Schaden bei den Bahnsteigtüren „befindet sich derzeit noch in Prüfung durch die Versicherung“, heißt es. Zumindest ein Lichtblick am Ende des Tunnels.
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