Verdächtiger Bundesheer-Oberst: Top-Spion oder bloß eine „tote Katze“?
In der Spionage-Affäre rund um den pensionierten Bundesheer-Oberst Martin M. lichten sich die Nebel auch vier Monate nach seiner Verhaftung nicht. Vergangene Woche aber ist die U-Haft über den 70-Jährigen erneut verlängert worden. Begründung: Tatbegehungsgefahr.
„Dass er älteres Wissen - fünf Jahre nach der Pensionierung - jetzt noch zum Nachteil der Republik gebrauchen könnte, das versteht niemand und ergibt keinen Sinn“, sagt sein Verteidiger Michael Hofer Im Gespräch mit der KURIER. „Diese Begründung für die U-Haft des Oberlandesgerichts Linz halte ich für merkwürdig.“
Aussage verweigert
Der Oberst, der zuletzt in der Abteilung Strukturplanung (Material, Personal, Truppenausstattung) im Verteidigungsministerium seinen Dienst schob, soll von 1992 bis in den Herbst des Vorjahrs für den russischen Militärgeheimdienst GRU Informationen illegal beschafft haben.
Unklar ist nach wie vor, was der Offizier, der bereits fünf Jahre in Rente ist, verraten haben soll.
Bei den ersten Einvernahmen habe er zwar diverse Kontakte eingeräumt, aber keine zu Geheimdiensten. Auf Rat seines Verteidigers sagt er mittlerweile gar nichts mehr.
Keine gesetzeskonforme Befragung?
„Die ersten Einvernahmen meines Mandanten durch das Abwehramt sind nicht nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung erfolgt“, sagt Anwalt Michael Hofer weiter. „Obwohl er voll kooperiert hat.“ So sollen M. Grundrechte wie die Beiziehung eines Anwalts verweigert worden sein.
Freiwillige Aussage beim Abwehramt
Im Ministerium hält man diesen Vorwurf für eine „Nebelgranate“. „Es handelte sich um freiwillige Auskunftsgespräche, die nicht der Strafprozessordnung unterliegen“, kontert Ministeriumssprecher Michael Bauer zum KURIER. „Diese Gespräche fanden im gegenseitigen Einvernehmen statt und sind in Ton und Bild dokumentiert. Das war lange vor der Strafanzeige.“
Der Text zum Bild: Ex-GRU-Offizier Sergei Skripal wurde im Jahr 2010 im Zuge eines Austausches von zwölf Spionen zwischen den USA und Russland direkt am Flughafen Wien-Schwechat den Briten übergeben. Er fiel damals seinem britischen Empfangskomitee um den Hals. Aus Skripals Informationsfundus dürfte auch der Hinweis auf den Bundesheer-Oberst stammen. Skripal sollte von zwei GRU-Agenten mit dem Gift Novitschok umgebracht werden, überlebte aber diesen Anschlag in Salisbury wie auch seine Tochter.
Gefahr von weiteren Tathandlungen
Martin M. dürfte im Zuge der britischen Spionageabwehr-Erfolge auf Grundlage des GRU-Offiziers Sergei Skripal ins weitmaschige Fangnetz geraten sein. Aber was kann ein Bundesheer-Offizier, der Bereich Material- und Personalstrukturplanung des heimischen Heers zuständig war, den Russen tatsächlich geliefert haben und noch liefern können?
„Wir gehen davon aus, dass aufgrund seiner Kontakte die Gefahr von Tathandlungen weiter besteht“, sagt Staatsanwalt Robert Holzleitner. „Die U-Haft wurde deshalb um zwei Monate verlängert.“
Keinen Nachfolger rekrutiert
Laut Geheimdienstkreisen ist es üblich, dass Spione, die durch Pensionierung von ihren Infoquellen abgeschnitten werden, Nachfolger rekrutieren. „Das wird meinem Mandanten aber nicht einmal vorgeworfen“, kontert Anwalt Hofer.
Großes Kaliber
Das Salzburger Landesamt für Verfassungsschutz (LVT) gehe nach wie vor davon aus, dass sie es „mit einem großkalibrigen Spion zu tun haben“. „Selbst wenn er reden würde, käme er nicht aus der Haft raus, weil sie sehr dringend ein Staatsgeheimnis suchen“, sagt Hofer.
Indes halten russische Staatsmedien Martin M. für „eine tote Katze, die auf den Tisch geworfen wurde“. Das ist Geheimdienst-Kauderwelsch.
Es soll sich bei Martin M.um einen längst erledigten Fall eines Spions handeln, den man nicht mehr braucht und deshalb für andere Zwecke opfert und auf den Markt wirft. Bleibt die Frage, war das bloß eine gekonnte negative PR-Aktion oder doch ein gewieftes Ablenkungsmanöver.
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