Nach Hochwasser und Starkregen: Drohen nun Muren?
Die Starkregenereignisse der vergangenen Tage brachten Hochwasser, steigern aber auch wieder massiv die Gefahr von Muren und Hangrutschungen - um deren Ausmaß zu erkennen, "müssen wir aber sicherlich noch bis zum Wochenende abwarten", sagte Thomas Glade, Experte für Geomorphologie, Risikoprävention und Katastrophenschutz der Universität Wien, zur APA. Bei dem aktuellen Unwetter habe sich jedenfalls gezeigt: Auf der Seite der Vorhersage ist man mittlerweile gut aufgestellt.
Auch wenn mit dem vergangenen Wochenende eine Wetterlage aufgetreten sei, die man in dieser Stärke und Größe "so noch nicht erlebt hat": "Wir hatten eine gute Vorstellung von der Niederschlagsmenge, die uns erwartet, wie auch, welche Regionen besonders betroffen sein könnten", sagte Glade.
Für den Geomorphologen, der sich auch mit dem nachhaltigen Management von Flusseinzugsgebieten befasst, haben sich aber auch einige Aspekte klar gezeigt: "Ja, es wird immer Großereignisse geben, die die Kapazitäten, auf die wir uns vorbereitet haben, überschreiten. Damit müssen wir rechnen. Extreme werden extremer." Sich darauf einzustellen, wäre eine große Herausforderung.
Wo es Defizite gibt
Auch wenn man bei der Prognose von regionalen Starkregenereignissen wie auch Hochwassergebieten gut aufgestellt sei, sieht der Experte gerade bei der Einschätzung der möglichen Konsequenzen und Schäden "sehr große Defizite" - auf dieser Seite müsse man in Zukunft noch nachlegen. Das sei auch wichtig für die Einsatzplanung, für das Management auf Gemeindeebene sowie für die Bewohnerinnen und Bewohner selbst.
Der Experte fordert mehr Augenmerk auf "Konsequenz-Analysen" zu legen. Also der Frage nachzugehen, welche ökologischen, ökonomischen und sozialen Folgen ein Ereignis hat: z.B. für Straßen, andere Infrastruktur, Industriebetriebe, aber auch für verschiedene Gesellschaftsgruppen, etwa Kleinkinder, mobile ältere Menschen, Pendler.
"Was sind direkte, lokale Konsequenzen, also wie hoch steht das Wasser vor Ort? Was sind indirekte Konsequenzen, also was zieht ein Brückeneinsturz nach sich - in Bezug auf die Mobilität der Bewohner, auf den Gütertransfer, auf die Sicherheit etc.? Diese Zusammenhänge müssen besser untersucht und kommuniziert werden", so Glade.
Mit einer Vielzahl von Hangrutschungen und Muren infolge der regional teils sehr großen Niederschläge ist insbesondere in Niederösterreich zu rechnen.
Was nun droht
Auch wenn der Fokus der medialen Berichterstattung derzeit auf dem Hochwasser liegt, ist sich Glade, der in der Vergangenheit auch Gefahrenhinweiskarten für das gesamte Bundesland in puncto Rutschungen und Felsstürze erstellt hat, "sehr sicher, dass schon jetzt viele Rutschungen und auch Muren abgegangen sind bzw. noch abgehen werden". Die Böden seien vollkommen wassergesättigt. Auch in den nächsten Tagen sei daher mit entsprechenden Rutschungsereignissen zu rechnen.
"Es gab in den vergangenen Tagen Neuschnee, wenn es nun - wie vorhergesagt - bis zum Wochenende wärmer wird, kommt die Schneeschmelze", so Glade. In Bezug auf Hochwasser sei ein Riesenglück, dass wir es diesmal mit einer Kaltfront zu tun hatten, "im Rahmen derer so viel Wasser im Schnee gespeichert ist".
Aber mit der Wärme wären an den Hängen "trotz schönen Wetters" dann Rutschungen zu erwarten: "Es gibt hier eine massive Zeitverzögerung von einigen Tagen." Bis zum Wochenende sei noch einiges an Rutschungen zu erwarten, auch in flachen Hanglagen.
Die Vorhersage von Rutschungen ist schwerer als die Vorhersage von Starkregen, so der Forscher: "Wir können noch nicht flächenhaft prognostizieren, mit welcher Frequenz und Magnitude die Ereignisse auftreten." Wie viel Niederschlag welche Hangbewegung auslöst, müsse und werde auch schon mit Monitoring-Programmen beobachtet. In Niederösterreich betreibt Glade derartige Programme seit 2014, aber "hier stehen wir noch in den Kinderschuhen, was das Verständnis der Dynamiken angeht".
Schwierig sind Prognosen bei den Rutschungen auch aus einem anderen Punkt: "Die Grundkonditionen ändern sich ständig." Wenn sich Hänge bewegen, wird Material abtransportiert. "Das macht die Studien mit gravitativen Massenbewegungen - im Gegensatz zur Vorhersage von Starkregen-, Hochwasser- oder Lawinenereignissen - so herausfordernd und so anders", meinte Glade.
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