TikTok statt Schach
Uwe ist seit 40 Jahren im Dienst, mit einer Karriere als TikTok-Star hätte er nicht mehr gerechnet. „Ich bin seit mehreren Jahren Grätzelpolizist in der Brigittenau und war bemüht, ein gutes Klima zwischen der Polizei und der tschetschenischen Community herzustellen, aber das war anfänglich nicht so einfach. Bei einem Bürgertreffen habe ich dann Ahmad kennengelernt und gleich gemerkt, dass er auch sehr engagiert ist und etwas verändern möchte“, sagt Uwe.
Ahmad lacht: „Dort wurde vorgeschlagen, dass Tschetschenen und Polizisten gegeneinander Schach spielen. Aber das interessiert ja keinen Jugendlichen.“ Der 23-Jährige weiß, wovon er spricht. „Che“ steht für Tschetschene. Ahmad wurde dort geboren und ist auch in Wien Teil der Community.
Verständnis für Szene
Als Jugendlicher hatte er selbst Probleme mit der Polizei, radikalisierte sich immer mehr. „Ich habe das alles erlebt und war auch in der Szene drinnen. Deshalb will ich jetzt andere Jugendliche davor schützen“, sagt der 23-Jährige.
Er habe zum Beispiel schon Videos im Stil der IS-Propaganda gedreht – aber eben gegen den IS. „Da versuche ich sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen“, sagt Ahmad. Seit er sich gegen Radikalisierung und Extremismus einsetzt, sei er auch schon oft bedroht worden. „Das ist mir aber egal. Ich halte das aus. Auch meine Familie steht hinter mir und mein Vater ist selbst ein Friedensaktivist.“ Wenn ihn Jugendliche auf der Straße erkennen, macht er natürlich gern ein Foto, sagt Ahmad. „Es ist dann oft irgendwie so, als wäre ich ihr großer Bruder.“
Polizei war skeptisch
Die TikTok-Videos sind jetzt Teil der Polizei-Initiative „Gemeinsam sicher“. Ob das Duo bei der Community gut ankommt, war am Anfang noch unklar und barg für beide Protagonisten ein kleines Risiko. Die Risikobereitschaft hat sich aber gelohnt, sieht man sich das positive Feedback an.
Welche User-Fragen in den Videos beantwortet werden, besprechen Che und der Cop regelmäßig im Café Monika in der Jägerstraße. Mit einem Häferlkaffee und einem Caffè Latte sitzt man am Ecktisch zwischen Pensionisten, die die beiden auch schon gut kennen.
Mit dabei ist auch Sozialarbeiter Fabian Reicher, von der Beratungsstelle Extremismus bOJA: „Ich arbeite schon seit 2016 mit Ahmad zusammen und freue mich jetzt natürlich, dass das Projekt so erfolgreich ist. TikTok ist im Moment einfach die beste Plattform, um Jugendliche zu erreichen. Da trauen sie sich, Fragen zu stellen, die man einem Polizisten natürlich nie im echten Leben stellen würde. Und gut ist natürlich auch, dass die zwei das mit Schmäh machen.“
Obwohl die ursprüngliche Idee war, die Wiener Community anzusprechen, ist der Schmäh mittlerweile österreichweit bekannt. „Wenn wir Fragen zu Moped-Tuning beantworten, dann schreiben uns fast nur Jugendliche vom Land. Das ist manchmal schwer, für mich zu lesen“, sagt Ahmad. Gemeinsam entziffern Steirer Uwe, Tschetschene Ahmed und Salzburger Fabian aber auch diese Nachrichten – ganz im Sinne der Völkerverständigung eben.
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