Der Weg bis zu dieser Entscheidung war lang und holprig. Neben dem Rechtsstreit mit der Eigentümerin, kursierten seit 2011 verschiedenste Ideen, was mit dem „Hitlerhaus“ zu machen sei.
Ein Russe tauchte auf, der es kaufen und abreißen wollte. Abreißen wollte es auch der frühere Innenminister Wolfgang Sobotka, er ruderte aber rasch zurück. Die Braunauer Stadt-FPÖ wollte das „Geburtshaus“ neu beleben und Hebammen dort arbeiten lassen. Und Bürgermeister Johannes Waidbacher schaffte es mit seiner Idee, Mietwohnungen dort einzurichten, sogar in die New York Times.
Internationale Organisationen plädierten für ein Museum, eine Gedenkstätte oder eine Kultur-Einrichtung. So gut die Absichten auch waren, all das hätte den Mythos Hitler in der Innviertler Kleinstadt aber wohl weiterleben lassen. Stattdessen will man den Ort nun „neutralisieren“, um ein neues Kapitel aufzuschlagen, wie Innenminister Karl Nehammer betonte.
Aus dem Geburtshaus des Diktators und Massenmörders soll also eine Polizeiinspektion werden. Jenen, die an der Idee zweifeln, richtete Nehammer aus: „Es ist geradezu die geeignetste Nutzung.“ Schließlich sei die Polizei die Hüterin der Grund- und Freiheitsrechte. „Diese Zukunft soll das Gebäude in sich tragen.“
Von außen soll das Haus nach dem Umbau im Jahr 2023 de facto wieder so aussehen wie vor Hitlers Geburt 1889: Der gelbe Anstrich kommt weg, ebenso die Fenster-Verzierungen. Die beiden Giebel an der Straßenfront werden freigelegt. So sieht es der
Entwurf des Vorarlberger Architektenbüros Marte.Marte – Sieger eines EU-weiten Wettbewerbs – vor. Kostenpunkt: fünf Millionen Euro.
Mahnstein muss weg
So weit, so gut. Die „Neutralisierung“ geht aber so weit, dass sogar der Mahnstein aus dem KZ Mauthausen, der seit 1989 vor dem Haus steht, weichen muss. „Für Frieden, Freiheit und Demokratie. Nie wieder Faschismus. Millionen Tote mahnen“, ist darauf eingraviert.
Den Historiker Florian Kotanko, der alljährlich die Braunauer Zeitgeschichte-Tage organisiert, schmerzt es, dass der Stein verschwinden soll. Das Ministerium überlegt, den Stein nach Wien ins Haus der Geschichte zu übersiedeln; Kotanko pocht darauf, dass er in Braunau bleibt. Er könne vor dem Rathaus aufgestellt werden.
Auch Kotankos Forderung, dass in der neuen Polizeiinspektion ein Raum geschaffen wird, der Bezug auf den zeitgeschichtlichen Kontext nimmt, wird nicht umgesetzt.
Kotanko hält den Ansatz, jeden Bezug zu vermeiden, für falsch. Die Stadt müsse sich ihrer Verantwortung stellen. „Nur, weil man das Haus umbaut und den Stein entfernt, verschwindet nicht das Faktum, dass Hitler hier geboren wurde“, sagt er.
Ähnlich sieht es Willi Mernyi vom Mauthausen Komitee. Überhaupt hält er den Begriff „Neutralisierung“ für verfehlt. „Gedenkpolitik sollte nicht neutralisieren. Man muss dazu stehen, was war.“ Mernyi will sich jedenfalls dafür einsetzen, dass der Mahnstein „nicht nach Wien abgeschoben wird“.
Bleibt die Frage: Wieso wird um ein Haus, in dem Hitler als Säugling nur drei Monate lebte, so ein Trubel veranstaltet?
Eine Kommission, eingesetzt vom Innenministerium, stellte fest, dass Geburtshäuser von Diktatoren generell „emotional sehr aufgeladen“ seien. Das hänge auch mit einer „irrationalen Vorstellung über den Mythos des Geburtsvorgangs zusammen“. Und dazu haben auch die Nazis mit ihrem Führerkult beigetragen. „Braunau war quasi das Betlehem des Dritten Reichs“, sagt Kotanko.
Der „Neonazi-Hype“ sei zwar abgeflaut, für Touristen sei das Haus aber immer noch ein Fotomotiv. Und Braunau will nicht Gori oder Predappio werden: Der Geburtsort Stalins ist eine Kult-Stätte, jener von Mussolini auf Google Maps sogar als „Sehenswürdigkeit“ ausgeschildert.
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