Verheerende Folgen
Klar ist: Wir essen viel zu viel Fleisch (siehe Grafik unten). Zwar sinkt der Konsum seit Jahren minimal, mit rund 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr sind es aber immer noch drei Mal so viel wie maximal empfohlen.
Mit umfassenden negativen Auswirkungen: Zu hoher Fleischkonsum begünstigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Darmkrebs, er belastet Bodenfruchtbarkeit, Gewässerqualität und Biodiversität und befeuert den Klimawandel.
Die Produktion tierischer Lebensmittel verursacht 67 Prozent der nahrungsmittelbedingten Treibhausgasemissionen Österreichs, rechnet der WWF vor. Insgesamt produziert der Nahrungsmittelsektor laut dem Fleischatlas von Global 2000 mehr CO2 als der Straßenverkehr. Dazu kommt die Frage der Ernährungssicherheit.
Die Hälfte der heimischen Ackerfläche wird für den Futtermittelanbau verwendet – Flächen, auf denen bei extensiverer Fleischproduktion pflanzliche Lebensmittel für den Menschen angebaut werden könnten. Und dann bleibt natürlich noch die ethische Frage nach dem Tierwohl.
Sensible Thematik
All diese – auch volkswirtschaftlich – negativen Auswirkungen sind ausgiebig, pardon, durchgekaut. Warum tut die Politik also nicht mehr?
„Das ist ein superheißes Eisen, weil hier jeder Eingriff als einer in die persönliche Freiheit wahrgenommen wird“, sagt Verhaltensökonomin Katharina Gangl. „Einen Wertewandel kann man nicht verordnen.“
Wie alle Expertinnen und Experten, mit denen der KURIER gesprochen hat, empfiehlt sie vielmehr, Anreize zu setzen. Die Sichtbarkeit nachhaltiger Alternativen zu erhöhen wäre ein solcher, etwa indem in Kantinen die nachhaltige Alternative immer an erster Stelle steht. Steuervorteile für nachhaltige Lebensmittel oder Restaurants, die mehr vegetarische Gerichte anbieten, ein anderer. Und generell müsste das Thema Esskultur einen viel größeren Platz in unserem Alltag einnehmen, sagt die Foodtrend-Expertin Hanni Rützler.
Womöglich am wichtigsten wäre es aber, im Bildungsbereich anzusetzen. Und zwar auf zwei Schienen: Einerseits müsste der Fokus in der Kochausbildung auf vegetarischen, veganen und Fleischersatzprodukten liegen. Denn: Gibt es mehr Alternativen, werden sie auch öfter gewählt. Andererseits wäre es zentral, Ernährung in die Lehrpläne und damit in die Schulen zu bringen – je früher und praxisbezogener desto besser, Kochkurse für alle wären ideal.
Tatsächlich sind die Verankerung von „Lebensmittelkompetenz und Verbraucherbildung“ in der Lehrerausbildung und die Schaffung eines Schulversuchs mit einem entsprechenden Unterrichtsfach die einzigen Punkte, die sich zum Thema Ernährung im türkis-grünen Regierungsprogramm finden. Wie es um die Umsetzung steht, blieb vom ÖVP-geführten Bildungsministerium unbeantwortet.
Ansonsten verweisen Klimaschutz- und Gesundheitsressort auf den vor einem Jahr verabschiedeten Aktionsplan nachhaltige Beschaffung (naBe), der Bundesinstitutionen verpflichtet, in öffentlichen Küchen den Fleischanteil zu reduzieren. Zudem soll mit dem „Klimateller“ zumindest ein nachhaltiges Gericht in alle Hotelküchen gebracht werden.
Nichts Strukturelles
Der größte Hebel, nämlich die Förderstruktur in der Landwirtschaft, bleibt hingegen ungenutzt, Kenner der Materie sprechen von Klientelpolitik für die Fleischindustrie. Im ÖVP-geführten Landwirtschaftsministerium blieb die Anfrage zu Maßnahmen zur Fleischreduktion unbeantwortet.
Dabei ginge es gar nicht darum, Tierhaltung abzuschaffen, sondern darum, sie nachhaltiger zu gestalten. Ein vernünftiges Maß an Tierhaltung sei sogar wichtig für die Biodiversität, sagt selbst Dagmar Gordon von Global 2000, denn: „Almen kann man nicht mit der Nagelschere schneiden“. Die industrielle Tierhaltung sei das Problem.
Die Qualität der Ernährung würde durch mehr Ausgewogenheit zu guter Letzt doppelt profitieren: Laut einer Warenkorbstudie des Forschungsinstituts biologischer Landbau (FiBL) könnte man sich bei ausgewogener Ernährung einen Bio-Anteil von 70 Prozent leisten.
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