Toter Alpinist nach 40 Jahren entdeckt: Gletscher geben immer mehr Leichen frei

Auf dem Alpeiner Ferner hat ein Bergführer am Sonntag eine Leiche entdeckt
In Tirol wurde die Leiche eines 1974 verschollenen Deutschen gefunden. Hitze lässt immer mehr Vermisste auftauchen und die Gefahren für Alpinisten steigen.

Es ist nicht verwunderlich, dass ausgerechnet am Alpeiner Ferner in den Stubaier Alpen eine Leiche zutage kommt. Der Gletscher, auf dem ein einheimischer Bergführer am Sonntag einen halb aus dem Eis ragenden Körper entdeckt hat, liegt im Touren-Gebiet der Franz-Senn-Hütte (2147 Meter) – eine der ältesten in den Alpen. Unzählige Bergsteiger sind seit dem Bau 1885 von hier in die Berge aufgebrochen.

Seit 1974 wird in diesem Gebiet ein damals 36-jähriger Deutscher vermisst. Ob es sich bei der Gletscherleiche tatsächlich um die Überreste des vor über 40 Jahren verschwundenen Mannes handelt, wird von der Polizei noch abgeklärt. Dass der Körper ausgerechnet jetzt vom Eis frei gegeben wurde, verwundert ebenfalls nicht.

"Bei den derzeitigen Verhältnissen schmilzt das Eis der Gletscher jeden Tag um zehn Zentimeter ab", sagt Andrea Fischer, Glaziologin und Leiterin des Alpenverein-Gletschermessdienstes. Ihr jährlicher Bericht zum Zustand der heimischen Eispanzer wird erst im kommenden Frühjahr präsentiert. Doch so viel steht bereits jetzt fest: "Wir haben heuer einen sehr extremen Sommer, der stark an jenen von 2015 heranreicht", sagt Fischer.

Damals betrug der durchschnittliche Längenverlust der Gletscher 22,6 Meter. Drei verlorenen sogar um mehr als 100 Meter. Der stetige Rückgang der Eismassen wird noch einige Rätsel klären. "In Österreich sollen rund 100 Menschen auf Gletschern vermisst werden. Die tauen jetzt aus", sagt Fischer.

Verschollenes Ehepaar

Im heurigen Sommer wurden in den Alpen gleich mehrere Gletscherleichen entdeckt. Im Schweizer Wallis hat der Tsanfleurongletscher bei Les Diablerets im Juli die Leichen eines seit 1942 verschollenen Ehepaars freigegeben. Wenige Wochen später fanden Alpinisten ebenfalls im Walliser Gletschereis die Überreste eines Deutschen, der 1987 verschwunden war. Und eine vermutlich in den 1990er-Jahren verunglückte Dreier-Seilschaft wurde erst vergangene Woche auf der italienischen Seite des Mont Blanc entdeckt.

Wie viele verunglückte Alpinisten in Österreichs Gletschergebieten liegen, lässt sich laut Norbert Zobl, Chef der Tiroler Alpinpolizei und Hüter der österreichischen Bergunfall-Statistik, nicht genau sagen. "Es gibt hier nur Grobschätzungen", erklärt er. Dass in den kommenden Jahren noch etliche Verschollene ausapern werden, glaubt auch Zobl. "Mit den Gletschern geht es dramatisch dahin. Da wird es solche Funde öfter geben", sagt der erfahrene Alpinpolizist, der im Klimawandel eine der Gefahren am Berg verschärft sieht: "Die Unfälle mit Steinschlägen nehmen zu."

Durch tauendes Eis und Permafrost verlieren die Berge an Stabilität. Steinschlaggefahr verzögerte am Sonntag auch die Bergung von fünf tödlich verunglückten Alpinisten in Salzburg (siehe unten). Die Seilschaft hatte auf blankem Eis den Halt verloren und war abgerutscht.

Laut Hermann Spiegl, Landesleiter der Tiroler Bergrettung, sei es prinzipiell richtig, auf einem schneebedeckten Gletscher angeseilt zu gehen, um Stürze in verborgene Spalten zu verhindern. Auf Blankeis wird diese Methode jedoch nicht empfohlen, da dort die Gefahr des Abrutschens einer ganzen Gruppe besteht.

Seit 40 Jahren vermisst

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