Tödlicher Goldrausch in Tirol: Der tragische Fall der Erika H.
Eine Frau wird in ihrem Auto mit einer Fackel angezündet und stirbt. Rasch stellt sich heraus, dass sie in ihren letzten Stunden einen großen Gold-Deal abwickeln wollte. Dazu sollte es niemals kommen.
Es ist mitten in der Nacht, als er die bewusstlose Frau ins Auto zerrt. Er gurtet sie an, übergießt sie mit Benzin und wirft eine brennende Signalfackel in den Fußraum des Mercedes. Mitten auf der Kreuzung sollte ihr Leben ausgelöscht werden. Genauso wie jede Spur, die ihn später entlarven könnte.
Diese Nacht auf den 16. März 2012 wird später als eines der spektakulärsten Verbrechen in die Tiroler Kriminalgeschichte eingehen. Polizisten waren es, die die tote Frau an jenem Tag vor elf Jahren in der Tiroler Gemeinde Wiesing im Auto gefunden haben. Der Grund war ein Anruf. Eine Frau hatte sich in der Polizeiinspektion beschwert, dass ein Auto mitten auf der Kreuzung nahe der Achenseebundesstraße den Verkehr blockieren würde.
Vermisstenanzeige
Die Leiche hätten die Polizisten wohl aber auch ohne den Anruf entdeckt. Die Tochter der toten Frau war nämlich bereits auf der Suche nach ihrer Mutter. Nur Minuten vor dem Anruf hatte sie auf der Polizeiinspektion eine Vermisstenanzeige aufgegeben.
„Die Frau hat am Vorabend zu ihrer Tochter gesagt, sie müsse noch schnell etwas Geschäftliches erledigen, sie sei aber bald wieder zurück“, sagt Christoph Hundertpfund, damals stellvertretender Leiter des Landeskriminalamts Tirol.
Bei ihrem nächtlichen Treffen dürfte die Frau auch zwei Taschen mit acht Goldbarren – die sie zuvor aus der Bank geschafft hatte – mitgenommen haben. Als von ihrer Mutter am nächsten Morgen immer noch jedes Lebenszeichen fehlte, hatte die Tochter bereits eine schlimme Vorahnung.
Eine Ahnung, die sich nur Stunden später bewahrheiten sollte. Bei der toten Frau handelte es sich tatsächlich um Erika H., die in der Nachbargemeinde als Bankfilialleiterin arbeitete.
Wer hat Erika H. getötet?
Der Tod der 49-Jährigen machte in der 2.000-Seelen Gemeinde schnell die Runde, zumal sie sehr beliebt war. „Die Erika war immer eine hochanständige und korrekte Frau, die hat genau gewusst, was sie tut“, sagt etwa Resi, eine Bewohnerin.
Während im Dorf erste Spekulationen über den mutmaßlichen Mörder aufkamen, nahm das Landeskriminalamt die Ermittlungen auf. Warum die 49-Jährige sterben musste, war zunächst völlig unklar.
15. März 2012
Mit zwei Taschen verließ Erika H. gegen 17.30 Uhr die Bankfiliale, darin acht Goldbarren. Gegen 21.30 Uhr verlässt sie – mutmaßlich mit dem Gold – ihr Wohnhaus.
16. März 2012
Die Tochter von Erika H. erstattete Vermisstenanzeige. Kurz darauf wurde die Leiche ihrer Mutter gefunden.
19. März 2012
Der Verdächtige Heinz S. wurde festgenommen. Während der Einvernahme wagte er einen Fluchtversuch.
9. April 2013
Der Prozess begann. Heinz S. bekam lebenslang. Das Urteil wurde jedoch nie rechtskräftig. Der 51-Jährige erhängte sich einen Monat später in seiner Zelle.
Ein kleiner Zettel, der in einer Pfütze in der Nähe des Tatorts gefunden wurde, lieferte den Ermittlern schließlich den entscheidenden Hinweis. Es war eine Bank-Quittung. Rasch stellte sich heraus, dass die Bankbeamtin in ihren letzten Stunden wohl ein großes Goldgeschäft abwickeln wollte.
Dazu ist es aber nie gekommen. „Es stand zwar ein Name auf der Quittung, den konnten wir aber nicht mehr lesen. Dafür half uns das Geburtsdatum, das darauf stand, weiter“, sagt Hundertpfund.
Das Geburtsdatum war auch im Handy des Opfers gespeichert, das die Polizisten direkt der Leiche im Auto fanden – in unversehrtem Zustand. Dem Täter dürfte nämlich ein entscheidender Fehler unterlaufen sein: Die Fackel brannte nur wenige Minuten, da die Fenster im Auto geschlossen waren.
Ein verhängnisvoller Fehler
Es war demnach zu wenig Sauerstoff vorhanden, um Leiche und Auto gänzlich abzufackeln. Erika H. starb dennoch an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Die SMS, die im Handy des Opfers gespeichert waren, brachten die Ermittler schließlich auch auf den Täter: Es war Heinz S., selbst Polizist.
Zweiter Mord verhindert
Damit nicht genug: Wie die Polizei herausfand, dürften Opfer und Täter auch ein Paar gewesen sein. Nur fünf Tage nach der Tat wurde der 51-Jährige festgenommen. Bei der Einvernahme eskalierte die Situation dann aber: Heinz S. sprang auf und wollte flüchten.
Es folgte eine Verfolgungsjagd, die sich wohl für immer in das Gedächtnis der Beamten eingebrannt hat: Einer der Polizisten verlor nämlich – kurz bevor er Heinz S. erreichte – seine Waffe. Der Verdächtige ergriff die Pistole, hielt sie dem Kollegen an die Brust – und drückte ab.
Nur eine Sicherheitsvorkehrung an der Waffe verhinderte einen zweiten Mord. Beim Gerichtsprozess musste sich der 51-jährige Polizist deswegen nicht nur wegen Mordes an Erika H., sondern auch wegen Mordversuchs verantworten. Damit nicht genug: Er stand außerdem wegen Amtsmissbrauchs, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Raubes und Körperverletzung vor Gericht.
Urteil wurde nie rechtskräftig
Heinz S. wurde schließlich zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Urteil wurde jedoch nie rechtskräftig – er erhängte sich einen Monat nach der Urteilsverkündung mit Verbandsmaterial in seiner Zelle. "Er hat zu einem Zellengenossen gesagt, dass für ihn das Leben keinen Sinn mehr hat. Selbst wenn er freigesprochen wird, ist er erledigt. Aufgrund der Vorverurteilung durch die Medien", sagte sein Anwalt Hansjörg Mader.
„Die Zeit nach der Urteilsverkündung ist für Suizide besonders heikel. Ob das als Schuldeingeständnis zu werten ist, weiß nur Heinz S.“, macht Psychiaterin Sigrun Roßmanith bewusst. Offen bleibt auch die Frage nach dem Motiv. Warum musste Erika H. sterben?
Heinz S. selbst hat sich nie zu den Vorwürfen nie schuldig bekannt. "Er hat bis zuletzt immer gesagt, dass die Täter noch da draußen sind und dass er nichts damit zu tun hat. Sein Plan wäre gewesen, den Raub des Goldes gemeinsam mit Erika vorzutäuschen und sich dann gemeinsam nach Mallorca abzusetzen, um dort ein neues Leben anzufangen", sagt Anwalt Mader.
Die Hand würde er für seinen ehemaligen Mandanten aber nicht mehr ins Feuer legen. Selbst wenn die Beweise erdrückend gewesen seien, beweisen sie dem Juristen zufolge noch immer nicht die Schuld von Heinz S.
Wo ist das Gold?
Seit Erika H. am 15. März 2012 die acht Goldbarren im Wert von 300.000 Euro aus der Bankfiliale in Strass schaffte, wurden sie nie wieder gesehen. Die Bank wusste damals zwar über das Geschäft Bescheid – aber nicht, dass der Deal außerhalb der Filiale stattfinden sollte.
Was die erfahrene Bankbeamtin dazu verleitet hat, sich darauf einzulassen – möglicherweise die Gefühle für Heinz. S – lässt sich rückblickend nicht mehr klären. Fest steht nur, dass die acht Goldbarren seither verschwunden sind.
Im Zuge der Ermittlungen wurde einerseits von den Behörden danach gesucht. Es dauerte aber nicht lange, bis die Suche eingestellt wurde. „Nicht, weil wir wussten, wo das Gold war, sondern weil es für die Klärung des Mordfalls an Erika H. nicht von Interesse war“, erklärte der Innsbrucker Staatsanwalt Hansjörg Mayr.
Die Dorfbewohner ließen sich von der eingestellten Suchaktion aber nicht aufhalten. „Jedes Jahr im Herbst kommen viele Leute und graben die Felder bei der Bundesstraße mit Metallsuchgeräten ab. Gefunden hat bisher aber noch niemand was. Und ich glaub' nicht, dass das jemals noch passieren wird“, berichtet ein Dorfbewohner beim Lokalaugenschein in Wiesing schmunzelnd.
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