Todeserklärungen: Wenn es keine Lebenszeichen mehr gibt
Name der verschollenen Person: Norbert Raidl.
Verschollen seit: 29. 11. 2013.
Die verschollene Person wird aufgefordert, sich spätestens bis 31. 8. 2024 bei diesem Gericht zu melden, widrigenfalls sie für tot erklärt werden kann.
Es sind nur ein paar umständlich formulierte Zeilen, veröffentlicht in den Edikten der Justiz. Doch dahinter stehen Schicksale. Und oftmals Angehörige, die einen langen, schmerzvollen Weg hinter sich haben.
Wer für tot erklärt werden soll, ist meist schon seit Jahren verschwunden. Lebenszeichen gibt es keines. Doch auch keinen Leichnam, den Angehörige begraben könnten.
Die Geschichte von Norbert Raidl ist nur eine von Dutzenden jährlich. Raidl, damals 68 Jahre alt, litt an Depressionen. Nach einer Meinungsverschiedenheit in seinem Umfeld fühlte er sich ungerecht behandelt. Um sich zu beruhigen, stieg er nachts in Deutsch Wagram in einen Zug. Er kehrte nicht mehr zurück.
Die Hinweise rissen ab
Mehrmals wurde Raidl danach noch gesehen. Bei einer Bäckerei in Floridsdorf etwa. Oder in der U3. Verwirrt habe er gewirkt, sagen Zeugen. Doch irgendwann rissen die Hinweise ab. Nach elf Jahren soll der Mann nun für tot erklärt werden. Was mit ihm passiert ist, ist bis heute nicht geklärt.
Auch von Herwig B. aus Graz fehlt seit vielen Jahren jede Spur. Konkret seit dem 15. August 1989. Dass er Suizid begangen hat, ist für seine Mutter, Erika B., von Beginn an klar. "Er hat damals entsprechende Äußerungen gemacht. Und er wollte seine Spuren verwischen“, erzählt die Frau.
Man müsse sich keine Sorgen machen, ließ er seine Familie wissen. Man werde ihn nicht finden. Seine Mutter hat ihren schweren Weg danach in einem Buch beschrieben. "Man muss es annehmen, ich habe mich dazu entschieden, das Leben durchzuhalten.“
Die unbekannte(n) Geschichten
35 Jahre später soll ihr Sohn für tot erklärt werden. Warum? "Hören Sie", sagt die Mutter. "Ich bin eine alte Frau.“ Nur selten wird über die Menschen, die für tot erklärt werden sollen, wie im Fall von Norbert Raidl oder Herwig B. berichtet. Meist bleibt der Öffentlichkeit ihre Geschichte unbekannt.
Die Auskunft in der Ediktsdatei ist kurz und bündig gehalten. So wie im Fall der Familie J. aus dem Burgenland. Johann, Martin, Stefan und Therese – sie alle wurden in den Jahren zwischen 1908 und 1913 geboren.
Eine ganze Familie fehlt
Die Geburtsjahre sind die einzigen Angaben, die das Bezirksgericht Eisenstadt über sie veröffentlicht. Selbst ihre Staatsangehörigkeit wird als "unbekannt“ angegeben. Dass jemand aus der Familie lebt, ist äußerst unwahrscheinlich. Aber für die Justiz nicht unwahrscheinlich genug.
Denn: "Nach der Lehre wird der Tod bei Personen, die vor mehr als 120 Jahren – 1904 oder früher – geboren wurden, als sicher angenommen, da das Erreichen eines höheren Alters – trotz allgemein stark gestiegener Lebenserwartung – als statistisch praktisch unmöglich anzusehen ist“, heißt es aus dem Justizministerium. Nachsatz: Eine bestimmte fixe Grenze gebe es aber nicht.
Was mit Mamoun J. passiert ist, lässt sich aus den wenigen Zeilen, die das Bezirksgericht Bregenz dazu veröffentlicht hat, herauslesen: Der 24-jährige gebürtige Syrer war im Vorjahr mit einem Stand-up-Paddle am Bodensee unterwegs, als er hinausgetrieben wurde. Ein Zeuge beobachtete noch, dass er vom Board fiel.
Die Suche im tiefen See
Mehrere Tage wurde nach dem jungen Mann gesucht, auch mit Tauchrobotern und Hubschraubern. Doch J. blieb verschwunden. Der See ist an der Unglücksstelle 60 Meter tief.
2023 wurden 33 Anträge gestellt, im Jahr davor waren es 41.
Wer beantragt?
Jede Person, die ein rechtliches Interesse daran hat. Der Ehepartner, ein Erbe oder ein Vermieter
Und wenn die Person lebt?
Dann wird die Aufhebung der Erklärung beantragt. Wurde die Verlassenschaft bereits abgehandelt, muss diese rückabgewickelt werden
Und auch die Geschichte von Magomed M. liegt nahe – er wollte in Syrien kämpfen.
"Es ist von Raketenbeschuss auszugehen"
"Es ist davon auszugehen, dass er bei dem Versuch, die Grenze der Türkei zu Syrien zu passieren, in der Nähe des Militärflughafens von Aleppo bei einem Raketenbeschuss getötet wurde“, heißt es.
Nicht immer sind es Angehörige, die eine Todeserklärung beantragen. Vielleicht, weil es gar keine mehr gibt. Wie bei Franz K. (Jahrgang 1886) oder Aloisia F. (Jahrgang 1905), beide aus Wien. Die Todeserklärungen wurden von einem Immobilienverwalter beantragt.
Im Fall der Wienerin Maria P. hat die Staatsanwaltschaft die Todeserklärung in die Wege geleitet. Als Angaben zur Person ist zu lesen: "Bestehende Zweifel an ihrem Fortleben." Die Frau wurde am 8. Jänner 1899 geboren.
Kommentare