Land Tirol verweigert Ausrufung des Wohnungsnotstands in Innsbruck
Zwei Jahre hat es gedauert, bis das Land Tirol zu einer Entscheidung gefunden hat. Im Juli 2022 hat der Gemeinderat in Innsbruck in einem Beschluss festgehalten, dass in der Landeshauptstadt Wohnungsnotstand herrscht.
Das war kein symbolischer Akt. Vielmehr ging mit der Entscheidung eine Aufforderung an das Land einher, die Notlage in einer Verordnung zu bestätigen. Damit sollte die Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes ermöglicht werden - und zwar österreichweit erstmals seit seiner Einführung 1974.
Vorkaufsrechte bei Baugrund
Die Stadt hätte damit unter anderem Vorkaufsrechte für sämtliche unbebaute, als Bauland gewidmete Grundstücke mit über 2.000 Quadratmetern Fläche anmelden können. In letzter Konsequenz wären sogar Enteignungen möglich.
Doch wie die Tiroler Tageszeitung am Dienstag berichtet, wird daraus nichts. Das Land sieht nämlich keinen ausreichend großen „Wohnungsfehlbestand“ zur Ausrufung des Notstands.
Der ist erreicht, wenn zwei Prozent der Bevölkerung wohnungssuchend sind. Die Abteilung Bau- und Raumordnung sieht nach einer Erhebung aber nur bei 1,74 Prozent der Innsbrucker Wohnbedarf.
Kritik an Berechnungsmethode
Für Vize-Bürgermeister Georg Willi (Grüne) ist "die Berechnungsmethode des Landes nicht nachvollziehbar." Aus seiner Sicht "drückt sich das Land Tirol vor einer Verordnung zum Wohnungsnotstand und rechnet sich die Zahlen schön."
Die Landeshauptstadt gilt österreichweit als der Brennpunkt für unleistbares Wohnen schlechthin. Erst am Montag hat dies eine Erhebung zu den Kaufpreisen für Eigentumswohnungen von Raiffeisen Immobilien bestätigt.
Demnach ist Innsbruck hierbei die teuerste Landeshauptstadt Österreichs. Der gemeinnützige Wohnbau wiederum kann beim Kauf von Grundstücken mit privaten Spekulanten praktisch nicht mithalten.
Angemessene Entschädigungen
Bei Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes könnte die Preisspirale zumindest gebremst werden, hoffen die Befürworter. Die Stadt müsste aber Eigentümern jedenfalls angemessene Entschädigung bzw. Preise zahlen.
Das Bodenbeschaffungsgesetz ist ein Relikt aus einer Ära, in der Bruno Kreisky Bundeskanzler war und die SPÖ mit absoluter Mehrheit regierte. Ausgegraben hat es vor drei Jahren der Innsbrucker SPÖ-Chef Benjamin Plach.
Auch er stößt sich daran, wie das Land den Wohnbedarf in Innsbruck berechnet hat: „Es ist völlig inakzeptabel, wie das Land Tirol die tatsächliche Zahl der Wohnungssuchenden in Innsbruck verzerrt und somit verfälschend nach unten korrigiert."
Die Rechnung des Landes
Tatsächlich sieht das Land den Bedarf der Wohnungssuchenden durch erst zu bauende aber bereits geplante geförderte Wohnungen bereits reduziert und kommt somit auf eine geringere Quote als die Stadt in ihrer Berechnungen.
"Niemand kann in einer Wohnung leben, die bisher nur am Papier existiert und wo noch kein Kubikmeter Baugrube ausgehoben wurde”, so Plach dazu. Im Gemeinderatswahlkampf vor wenigen Monaten ortete er aufgrund der langen Entscheidungsdauer des Landes eine Blockadehaltung der ÖVP, mit der die SPÖ auf dieser Ebene regiert.
Die Stadt-Roten wären deshalb gerne vor den Verfassungsgerichtshof gezogen. Für Plach ist es nämlich überhaupt "system- und verfassungswidrig", dass das Land für die Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes eine Verordnungsermächtigung hat.
Innsbruck als Präzedenzfall
Er sieht hier eine Kompetenzüberschreitung gegenüber der Stadt. Denn einerseits sei die Raumordnung den Gemeinden zugewiesen. Und andererseits widerspreche diese Regelung dem Recht auf Gemeindeselbstverwaltung.
Mit ensprechendem Interesse wird der Versuch der erstmaligen Anwendung des Bodenbeschaffungsgesetzes österreichweit verfolgt. In der Stadt Salzburg gab es etwa ebenfalls bereits Vorstöße von SPÖ und KPÖ zur Ausrufung des Wohnungsnotstands. Auch hier gibt die ÖVP, die Eingriffe ins Eigentumsrecht skeptisch sieht, im Land den Ton an.
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