Tipps aus der Unterwelt: Dubiose Zundgeber der Polizei
Ein Ferrari, eine Uhr um 700.000 Euro und ein Vermögen über drei Millionen Euro: Geldsorgen musste sich der Österreicher mit serbischen Wurzeln nicht machen. Allerdings: Offiziell ist der Mann ein Arbeiter mit 2.000 Euro Lohn monatlich. Wie er zu seinem Reichtum kam? Er habe einen vermögenden Vater, sagt der Beschuldigte.
Für den Staatsanwalt ist klar: Das Geld stammt aus Drogengeschäften. Ab 9. Jänner muss sich der 37-Jährige deshalb mit zwei weiteren mutmaßlichen Drogenbaronen im Landesgericht für Strafsachen in Wien verantworten. Insgesamt soll es um 523 Kilo Cannabis gehen. Doch der Fall geht tiefer – und wirft ein fragwürdiges Licht auf die Ermittlungsmethoden der Polizei.
Ein Informant brachte die Polizei auf die Spuren des Hauptangeklagten. Er gab den Hinweis, dass der 37-Jährige „als Hintermann fungiert“. Genau dieser Informant wird von der Polizei als "nicht ausreichend zuverlässig" beurteilt. Er wurde nicht als Zeuge befragt und auch nicht als Vertrauensperson (VP) registriert. Diese liefern Informationen gegen Geld. Dennoch kamen die drei Verdächtigen aufgrund des Hinweises in U-Haft.
Anonyme Informanten
Als die Männer enthaftet wurden, sah der Staatsanwalt Fluchtgefahr. Als Beleg dafür tauchte wieder die Aussage eines anonymen Informanten auf. Diesmal handelte es sich um eine VP (mehr dazu im Infokasten). Zwei Verdächtige würden demnach die restlichen Gelder aus den Suchtmittelgeschäften einkassieren, um nach Serbien zu flüchten.
Vertrauenspersonen: Die VP stammen aus dem Milieu und sind selbst oft kriminell. Sie liefern der Polizei Hinweise und werden dafür entlohnt. Die Prämien können bis zu 50.000 € betragen. Zudem genießen sie einen gewissen Schutz durch die Polizei. Ihre Namen scheinen nicht auf, sie bekommen Nummern. Ihr Ansprechpartner ist ein VP-Führer, ein Polizist.
Verdeckte Ermittler (VE) sind Kriminalbeamte, die sich unter falscher Identität einschleusen. Ihre Namen sind streng geheim. Wie viele es gibt, ist ein gut gehütetes Geheimnis.
Das Oberlandesgericht sah diese Befürchtungen nicht. Denn: Es bestehe kein dringender Tatverdacht. Und: Die Informationen stammen (wieder) aus einer nicht näher spezifizierten Quelle.
Interessant dabei ist allerdings ein Detail: Der polizeiliche Ansprechpartner der VP, der auch den Amtsvermerk mit den angeblichen Fluchtvorbereitungen schrieb, befindet sich aktuell selbst im Visier der Justiz. Dem Ermittler des Bundeskriminalamtes und einem Salzburger Drogenfahnder werden unter anderem Missbrauch der Amtsgewalt und falsche Beweisaussage vorgeworfen.
Laut dem Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK) sollen die beiden Beamten und eine VP nicht sauber gearbeitet haben. Sie hätten eine „objektive Aufklärung sämtlicher Umstände“ unterlassen. So hätten die Polizisten in den Berichten zu den Ermittlungen einiges anders dargestellt oder weggelassen.
Unter anderem sollen Scheingeschäfte nicht erwähnt worden und auch VP als Hinweisgeber verschleiert worden sein. „Es hat immer wieder Besprechungen gegeben, bei denen vonseiten der Staatsanwaltschaft betont wurde, dass man nicht alles wissen müsse“, sagte ein Ermittler bei einer Vernehmung. Man habe Vertrauenspersonen schützen wollen.
Allerdings sollen auch Aufträge der Staatsanwaltschaft zur Ausforschung von Tätern nicht durchgeführt worden sein. Im Abschlussbericht war dann nur noch von einem „unbekannten Täter“ die Rede – obwohl die Identität sehr wohl bekannt gewesen sein soll.
Bei Erfolg: Geld
Dass die Polizei bei ihren Ermittlungen auf Hinweise aus der Szene angewiesen ist, ist kein Geheimnis. Diese Vertrauenspersonen, die oft selbst kriminell sind, bekommen für zielführende Hinweise Prämien ausbezahlt. Im Suchmittelbereich gilt: Pro Kilo illegaler Drogen 1.000 Euro. Dass es dadurch zu verbotenen Tatprovokationen kommen kann, liegt auf der Hand.
So geschehen etwa in Wien. Drogenfahnder hatten sich auf die Spur von zwei Wienern geheftet. Sie waren der Meinung, dass die Männer mit Suchtmitteln handelten. Doch der Verdacht konnte nicht erhärtet werden – also wurde eine VP auf die Männer angesetzt. „Hör zu, es muss jetzt einmal zu einem Ergebnis kommen“, sagte ein Polizist zur VP. Und tatsächlich: Nach einiger Zeit lieferte der Informant die vermeintliche Bestätigung. Die Männer hätten ihm zehn Kilo Kokain angeboten.
Übergeben wurde zwar nur ein halbes Kilo, doch die Verdächtigen landeten in U-Haft. Bei der Gerichtsverhandlung stellte sich die Sache allerdings komplett anders dar. Die VP hatte einen Verdächtigen regelrecht bedrängt, Kokain aufzustellen – und das ist verboten. Die beiden Männer wurden freigesprochen.
Einer von ihnen klagt nun die Republik auf Schmerzengeld und Verdienstentgang.
NSU-Netzwerk: Wenn V-Leute lieber dicht halten
Eine fragwürdige Rolle nahmen V-Leute auch bei den NSU-Ermittlungen (Nationalsozialistischer Untergrund) in Deutschland ein. Die Tatserie sorgte in Deutschland seit Ende der 1990er für Entsetzen. 2018 war Beate Zschäpe wegen zehn neonazistischer Morde zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Mehr als ein Dutzend parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Bund und Ländern stellte ein eklatantes Versagen von Polizei und Verfassungsschutz fest. Insbesondere die Rolle des Verfassungsschutzes sorgt für scharfe Kritik.
40 V-Leute sollen sich im Umfeld der NSU bewegt haben. Dennoch kam man den Tätern nicht auf die Spur. Bei einer rechtsradikalen VP (Vertrauensperson) soll Terrorist Uwe Mundlos sogar beschäftigt gewesen sein. Und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem das NSU-Trio eigentlich abgetaucht war. Die Verfassungsschützer bekamen sogar Hinweise von Zeugen – doch diese Hinweise stufte das Bundeskriminalamt als „nicht relevant“ ein.
Auch das (verbotene) Neonazi-Netzwerk Blood & Honour soll das NSU-Trio unterstützt haben. Dort saßen V-Leute sogar in den Spitzenfunktionen. Doch der Verfassungsschutz will erst im November 2011 von der Existenz des NSU-Trios erfahren haben.
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