Tiercoach: Wie dreibeinige Vierbeiner gut unterwegs sind
Als ein Landbesitzer in Pakistan kürzlich ein Kamel grasend auf seinem Feld entdeckte, schnitt er dem verirrten Tier ein Bein ab.
Die Wogen in den sozialen Medien gingen hoch; die Provinzregierung erklärte sich umgehend bereit, dem Patienten eine Prothese zu verschaffen.
In Österreich sorgte 2021 der erste Vogel mit Bionik-Prothese für Aufsehen. Bartgeier Mia hatte sich am Fuß derart schwer verletzt, dass dieser abgenommen werden musste. Nachdem Kater Pauli bei einem Unfall 2022 hinten beide Unterschenkel verloren hatte, erhielt der Freigänger in St. Pölten Cyber-Beine aus dem 3D-Drucker. Das Teilimplantat soll damals die erste Operation dieser Art in Österreich gewesen sein.
Vorurteile abbauen
„Prothesen für Haustiere können eine gute Lösung sein“, sagt Zoodoc Katharina Reitl. Der KURIER-Tiercoach will Vorurteile gegenüber künstlichen Gliedmaßen abbauen, erklärt, warum ein Rollstuhl eventuell besser passt, und wann der Patient nicht zu retten ist.
„Verlieren Hund, Katze oder Kleintier ein Bein, müssen sie nicht automatisch Ersatz bekommen“, schickt Reitl voraus. Sind die einstigen Vierbeiner gesund und muskulös, können sie ihr Körpergewicht in der Regel mit drei Beinen stemmen. Dann behindern Prothesen eher, als dass sie mobiler machen.
„Leiden die Haustiere an Vorerkrankungen, kann ihnen ein Beinersatz durchaus helfen“, sagt die Tierärztin aus der Ordination Tiergarten Schönbrunn. Weisen etwa die Gelenke Abnützungen auf oder verursacht die Wirbelsäule Schmerzen, tut ein sicheres Standbein gute Dienste.
Große Hunde verteilen ihr Gewicht ebenfalls besser auf vier Extremitäten, kleinen Hunden fällt das Abstützen auf drei Pfoten naturgemäß leichter. Senioren, die erst spät im Leben auf ein Bein verzichten müssen, kommen schwerer zurecht als Jungtiere nach einer Amputation.
Zusammenarbeit wichtig
„Um eine Prothese anzupassen, müssen Experten aus verschiedenen Fachrichtungen zusammenarbeiten“, sagt Reitl und zählt Veterinärmediziner, Physiotherapeut und Orthopädietechniker auf. Druckstellen müssen jedenfalls vermieden werden, ein Schutz aus Neopren über dem Stumpf beugt Verletzungen durch Reibung vor. Leichtes Material ist mittlerweile Standard. Sitzt die Gehhilfe, blühen die Patienten regelrecht auf.
„Ein Rollstuhl wird notwendig, wenn die Prothese nicht reicht“, sagt der Zoodoc. Lahmen beide Hinterbeine oder wurden diese amputiert, können Räder zumindest für das Gassigehen umgeschnallt werden. In der Wohnung ist das Gestell eventuell überflüssig. Individuelle Lösungen sind gefragt.
„Verweigert der Patient die Hilfsmittel, ist das zu akzeptieren“, schließt der KURIER-Tiercoach: „Es geht darum, wie der Halter mit der Pflege zurechtkommt. In erster Linie muss aber immer für das Tier richtig entschieden werden.“
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