Terrorzelle aus NÖ: Staatsschutz geht nach Vorwürfen in Offensive

Terrorzelle aus NÖ: Staatsschutz geht nach Vorwürfen in Offensive
Dem Verfassungsschutz werden schwere Ermittlungspannen vorgeworfen. Insider orten sogar ein politisch motiviertes Spiel. Nun wurden neue Details bekannt.

„Schwere Ermittlungspannen, Multiorganversagen der Behörden und Ministerien usw.“ Derart pikant und angriffig hat Werner Tomanek, Anwalt des in Ternitz festgenommenen Terrorverdächtigen Beran A. (19), dieser Tage kein gutes Haar am Staatsschutz gelassen. Laut Tomanek hätte der Staatsschutz schon viel früher herausfinden müssen, dass Beran A. Mitglied einer mehrköpfigen Terrorzelle aus NÖ sei.

Im März des Vorjahres stiegen drei junge Männer aus Niederösterreich in Wien-Schwechat ins Flugzeug. Ihr mutmaßliches Ansinnen: zeitgleich Terroranschläge in verschiedenen Ländern zu verüben. Beran A. flog nach Dubai. Sein Freund Hasan E. (20) flog mit einem Zwischenstopp in Istanbul nach Saudi-Arabien. Dort soll er am 11. März 2024 fünf Menschen bei der Al-Haram-Moschee in Mekka niedergestochen haben. Er sitzt seither in Saudi-Arabien in Haft.

Schauplatz Istanbul

Ein dritter Verdächtiger sollte in Istanbul zuschlagen. Er dürfte genauso kalte Füße bekommen haben wie Beran A., der unverrichteter Dinge aus Dubai wieder nach Hause flog. Dass Beran A. und Hasan E. sich seit Jahren kannten und gemeinsam offenbar Terrorpläne schmiedeten, blieb jedoch bis weit ins Jahr 2024 hinein unbemerkt. Tomanek wirft den Behörden deshalb Unvermögen vor.

Diese Form der „Desinformation und Diskreditierung“ lässt der österreichische Verfassungsschutz nicht auf sich sitzen. Am Donnerstag ging die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) in die Offensive. In einer umfassenden Stellungnahme wurden erstmals Details zu den genauen Ermittlungsschritten veröffentlicht und Tomaneks Vorwürfe damit weitestgehend entkräftet. Eine besondere Rolle in dem Terror-Puzzle spielt die Staatsanwaltschaft Korneuburg.

Die DSN ortet „eine gezielt falsche zeitliche und inhaltliche Darstellung der komplexen Ermittlungen rund um den vereitelten Terroranschlag in Wien“.  Seit August 2024 führt der Staatsschutz ein umfassendes Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem vereitelten, islamistisch motivierten Anschlag auf ein Taylor-Swift-Konzert in Wien. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde das erste Mal eine Verbindung zwischen dem Hauptverdächtigen Beran A. und einer weiteren Person festgestellt, die im März 2024 einen Anschlag in Saudi-Arabien verübt haben soll. Dabei handelt es sich um Hasan E., einen 20-Jährigen aus dem Bezirk Bruck/Leitha mit türkischen Wurzeln.

Die DSN legt offen, wieso die Verbindung der beiden nicht schon vorher erkannt wurde. Laut DSN wurde Österreich erst elf Tage nach dem Anschlag in Mekka über die Festnahme des Österreichers informiert. „Daraufhin wurden durch das Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung NÖ unverzüglich eine Vielzahl an Zeugenbefragungen und zielgerichtete Ermittlungsschritte durchgeführt, worüber der Staatsanwaltschaft auch laufend berichtet wurde“, so die DSN. Im Zuge dieser Ermittlungsschritte wurde auch die Wohnung von Hasan E. auf Terror-Hinweise durchsucht.

Staatsanwalt sagte „Nein“ 

Elektronische Beweismittel wie Notebooks seien generell im Fokus jeder kriminalpolizeilichen Ermittlung. Weil es jedoch Zeugenaussagen gab, wonach ein Notebook von Hasan E. seit längerer Zeit nicht mehr von ihm verwendet worden sei, verzichtete die zuständige Staatsanwaltschaft auf die Sicherstellung des Laptops. Somit war das Beweisstück für die Ermittler tabu. Auf das Mobiltelefon des Verdächtigen hatten die heimischen Verfassungsschützer keinen Zugriff, weil es in Saudi-Arabien liegt. Ebenso war und ist es nicht möglich, den dort Inhaftierten zu vernehmen, erklärt die DSN.

Durch all diese Umstände war es den Beamten auch nicht möglich, von etwaigen Chatverläufen – wie den nun bekannt gewordenen – zu erfahren, erklärt die Direktion Staatsschutz. Und für das Mitlesen verschlüsselter Messengerkommunikation von Terrorverdächtigen gibt es in Österreich keine gesetzliche Grundlage. Nach Bekanntwerden des Anschlags in Mekka wurden vom Staatsschutz in Österreich 21 Zeugen, vor allem Familienmitglieder des verdächtigen Hasan E., befragt. Alle Befragten hätten übereinstimmend zu Protokoll gegeben, dass keinerlei Hinweise auf eine Radikalisierung oder auf einen Anschlag erkennbar waren. 

Aufgrund dieser Aussagen sah die Staatsanwaltschaft Korneuburg von weiteren Erhebungen ab. Die Ermittler hatten deshalb keine rechtliche Möglichkeit, die Erhebungen weiter zu führen, spielt die DSN den Ball an die Staatsanwaltschaft weiter. Monatelang blieb die Verbindung zwischen Hasan E. und Beran A. damit unentdeckt.

41 Mobiltelefone

Erst nach dem vereitelten Anschlag auf das Swift-Konzert wurden bei Beran A. in Ternitz 41 Mobiltelefone sichergestellt. Deren Auswertung, die sich zum Teil lange hinzog, habe erst später im Jahr 2024 den engen Kontakt zwischen ihm und Hasan E. zutage gefördert. In der Zwischenzeit wurden die Verfahren zusammengeführt, und die Zuständigkeit wechselte zur Gänze zur Staatsanwaltschaft Wien. Das zuvor genannte Notebook von Hasan E. wurde doch noch sichergestellt, aber keinerlei Kommunikation darauf gefunden. Es war also ohnedies nutzlos.

Mittlerweile vermuten Insider in dem Frontalangriff eine politische Retourkutsche. Der damalige FPÖ-Innenminister Herbert Kickl hatte die illegale Razzia beim Verfassungsschutz (damals BVT) durchführen lassen. Dies gipfelte im BVT-Untersuchungsausschuss. Tomanek vertritt aktuell bekannte FPÖ-Politiker, gegen die im Zusammenhang  mit dem Singen eines NS-nahen „Treuelieds“ bei einem Begräbnis wegen Wiederbetätigung ermittelt wird.

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