Von Niederösterreich auf die Anklagebank in Riad

Seit mehr als einem Jahr befindet sich der Niederösterreicher Hasan E. in einem Hochsicherheitsgefängnis in Saudi Arabien. Am 11. März des Vorjahrs soll der 20-Jährige fünf Menschen bei der Al-Haram-Moschee in Mekka niedergestochen haben.
Ein mutmaßlicher Terroranschlag, der gar nicht nach außen dringen sollte. Erst Tage später erfuhren österreichische Behörden davon. Dass Hasan E. Teil eines österreichischen Terrorkommandos (u. a. mit Beran A., der wegen eines angeblichen Anschlagplans auf das Taylor-Swift-Konzert in Wien in U-Haft sitzt) gewesen sein soll, kam erst danach ans Tageslicht.
Prozess steht bevor
In wenigen Wochen soll die Hauptverhandlung gegen den jungen Mann in Riad stattfinden. Es dürfte neun Anklagepunkte geben. In Saudi Arabien wird die Todesstrafe angewandt.
Gesicherte Informationen sickern nur spärlich durch, die Behörden in Saudi Arabien hüllen sich in Schweigen. Der direkte Kontakt zum Gefangenen ist fast nicht möglich. Ein einziger Besuch einer österreichischen Delegation beim Gefangenen ist gesichert – er fand zum Geburtstag von Hasan E. im vergangenen Herbst statt.
In Haft soll Hasan E. einen Selbstmordversuch unternommen haben. Wie es ihm aktuell gesundheitlich geht, ist unklar. Er befindet sich in einem Gefängnis, in dem in erster Linie Terroristen und politische Gefangene festgehalten werden. Laut Amnesty International sollen dort Folterungen stattfinden.
Besuche von westlichen Vertretern gestalten sich allerdings schwierig. So hätte etwa ein Interpol-Ermittler beim österreichischen Verdächtigen vorstellig werden sollen – doch zu dem Treffen kam es nicht.
Wohl aber dürfte es dem jungen Mann erlaubt sein, regelmäßig mit Familienangehörigen zu telefonieren.
11. März 2024
Nach einem Terroranschlag in Mekka wird der Niederösterreicher Hasan E. verhaftet. Er gilt als „Lone Wolf“, also als Einzeltäter.
7. August 2024
Beran A. wird in Ternitz festgenommen. Er soll einen Anschlag auf das Taylor-Swift-Konzert in Wien geplant haben. Auch er wird erst als „Lone Wolf“ eingeschätzt, bald taucht ein möglicher Komplize auf: Luca K.
Handyauswertung
Bei der Auswertung der Handys von Beran A. finden sich Verbindungen zu Hasan E. Mit einem Dritten wollten sie laut Ermittlern zeitgleich Anschläge in Mekka, Dubai und Istanbul durchführen.
Einzelgänger
Die Geschichte von Hasan E. lässt sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Aufgewachsen in einer kleinen Gemeinde im Bezirk Bruck/Leitha, wird er früh von familiären Problemen geprägt, die auch in Gewalttaten ausarten. Hasan E. wird als Einzelgänger beschrieben, der zur Aggression neigt. Als sich die Eltern trennen, folgt er erst seiner Mutter und einigen Geschwistern nach Istanbul, kehrt dann aber nach Österreich zu seinem schwer kranken Vater zurück, der wenig später stirbt. Auch die Beziehung zu seiner langjährigen Freundin geht in die Brüche.
Erneut geht er nach Istanbul, diesmal ein Jahr lang. Als er zurückkehrt, trägt er einen auffälligen Bart, wirkt depressiv. Doch wieder hält es ihn nicht in Österreich, er reist nach Mekka.
Er schickt seinem Bruder ein eMail, in dem er sich entschuldigt. „Es tut mir leid, aber ich hatte keine Wahl“. Er wolle in Mekka begraben werden, schreibt er, dazu bestimmt er, wie sein Erbe aufgeteilt werden soll. Der Bruder erstattet am Folgetag Abgängigkeitsanzeige – doch zu diesem Zeitpunkt befindet sich der jüngere Bruder bereits in Haft.
Er soll auf einem Markt in Mekka ein Messer gekauft, damit einen Sicherheitsmann vor der Al-Haram-Moschee niedergestochen haben. Als drei weitere Beamte zu Hilfe eilen, soll er auch sie attackiert haben. Auch eine unbeteiligte Frau wird verletzt.
Wie sich später herausstellt, hätten Gleichgesinnte aus Österreich zur selben Zeit auch in Dubai und Istanbul Anschläge durchführen sollen. Beran A., der Hauptverdächtige bei den Taylor-Swift-Ermittlungen, sollte anscheinend der Mann in Dubai sein. Doch er dürfte Angst bekommen haben. Der dritte Verdächtige, der in Istanbul hätte zuschlagen sollen, ist bis heute unbekannt.
Einzig Hasan E. soll den Plan durchgeführt haben. „Die österreichischen Behörden tun nicht einmal so, als würden sie ihn zurückholen wollen“, meint Rechtsanwalt Werner Tomanek, der Beran A. vertritt.
Das Außenministerium hält sich mit Informationen zurück. „Die österreichische Botschaft steht mit ihm in Kontakt und leistet konsularische Unterstützung im Rahmen von Haftbesuchen. Wir stehen auch im laufenden Austausch mit der Familie sowie den saudischen Behörden“, heißt es. Zum Strafverfahren und einer zu befürchtenden Strafe würden keine Informationen vorliegen.
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