Tausende flüchten in die Anonymität

Meldedaten werden immer öfter missbraucht
Polizisten, Richter und Staatsanwälte lassen aus Sicherheitsgründen ihre Meldedaten sperren.

Von Datenschützern kommt ein Aufschrei, wenn der Staat zur Terror- und Kriminalitätsbekämpfung auf eine Million Videokameras zugreifen will. Dabei beginnt der sogenannte "gläserne Mensch" bereits im Kleinen auf jedem Meldeamt der 2100 Gemeinden Österreichs. Sämtliche Meldedaten im Land sind für jedermann ganz einfach und für eine Gebühr von nur 3,30 Euro abrufbar.

Weil das gerade Staatsverweigerer und Kriminelle für ihre Zwecke nutzen, flüchten immer mehr Menschen aus gefährdeten Berufsgruppen in die Anonymität. Auch wenn die Zahlen der Sperren noch niedrig sind, so zeigt sich in den letzten Jahren ein deutlicher Aufwärtstrend. 2013 waren die Meldedaten von 9975 Personen gesperrt, 2014 waren es 10.304, 2015 bereits 11.658 und heuer schon 15.857 – Tendenz weiter steigend.

Es ist in Österreich wenig bekannt, dass jeder Private die Wohnadresse jeder gemeldeten Person ganz einfach in Erfahrung bringen kann, so fern man den Namen und eventuell das Geburtsdatum oder den Geburtsort der Zielperson kennt. "Bei häufig vorkommenden Namen wie Huber oder Meier benötigt man mehr Faktoren, bei seltenen Namen ist es einfacher", erklärt David Schiemer vom Meldeamt der Statutarstadt Wiener Neustadt.

Tausende flüchten in die Anonymität
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Während beispielsweise Inkassobüros gerne auf die Daten zurückgreifen, um Schuldner aufzuspüren und offene Forderungen einzutreiben, öffnet die Meldeabfrage auch Menschen mit weniger guten Absichten Tür und Tor für diverse Scharmützel.

Heißes Thema

"Seit den immer häufiger auftretenden Staatsverweigerern ist das in Polizeikreisen ein heißes Thema", bestätigt Niederösterreichs oberster Polizei-Personalvertreter der FSG, Martin Noschiel. Die Republiksgegner sind offenbar im großen Stil hergegangen und haben mit Hilfe der offenen Meldedaten Bürgermeister, Polizisten, Justizwachebeamte oder verfeindete Staatsanwälte an ihren Wohnadressen aufgespürt und mit Briefen und wahnwitzigen Forderungen bombardiert.

Auch Richter mussten nach umstrittenen Urteilen bereits um ihre Sicherheit an ihrem privaten Wohnsitz bangen. Nach einem zu milde angesehenen Vergewaltigungsurteil ist über die zuständige Richterin des Landesgerichts Wiener Neustadt nicht nur ein Shitstorm hereingebrochen. Sie musste wegen konkreter Drohungen sogar unter Polizeischutz gestellt werden. Das Landesgericht hat daraufhin alle Namen der Richter von den öffentlich zugänglichen Verhandlungsplänen entfernt.

Die jüngsten Vorfälle lassen bei der Polizei- und Justizgewerkschaft die Alarmglocken schrillen. "Wir haben unsere Bediensteten daher aktiv darüber informiert, dass sie bei begründetem Anlass ihre Meldedaten sperren können", bestätigt Noschiel.

Diese Möglichkeit besteht nicht nur für Polizeibeamte, sondern für jeden Bürger, sofern ein schutzwürdiges Interesse besteht. "Stalking ist zum Beispiel ein oft genannter Grund", sagt Schiemer. Bisher haben sich aber eher Personen gefährdeter Berufsgruppen in die Melde-Anonymität geflüchtet.

Wer bei einem Meldeamt einen Antrag auf Auskunftssperre stellt, muss 14,30 Euro Bundesgebühr und 6,50 Euro Bundesverwaltungsabgabe bezahlen. Die Sperre wird für mindestens zwei und maximal fünf Jahre verhängt.

Durch den ständigen Umgang mit Straftätern machen vor allem Richter und Justizbeamte gerne von der Sperre ihrer Meldedaten Gebrauch. Während immer mehr in die Anonymität flüchten, will die Volksanwaltschaft gerade das Gegenteil. Seit zwei Jahren wird von der Volksanwaltschaft im Sinne der Transparenz die individuelle Kennzeichnung von Vollzugsbediensteten gefordert – am besten mit Namensschildern an den Uniformen.

"Transparenz kann zur Gewaltprävention in Justizanstalten beitragen. Eine individuelle Kennzeichnung von Vollzugsbediensteten gewährleistet eine größere Nachvollziehbarkeit ihres Verhaltens", heißt es in einem Bericht der Volksanwaltschaft. Während das Justizministerium die Forderung bisher deutlich ablehnt, kommt auch von Seiten der Gewerkschaft ein klares "Nein". "Jeder Justizbeamte muss aufgrund des Klientels, mit dem er es täglich zu tun hat, ohnedies ein mulmiges Gefühl haben. Da wird niemand freiwillig seinen Namen herzeigen und damit seine Familie gefährden", erklärt der Vorsitzende der Justizgewerkschaft (FCG), Albin Simma. Bei einer Beschwerde gegen einen Beamten werde dessen Name ohnedies bekannt. Was sich die Gewerkschaft vorstellen kann, ist eine Kennzeichnung mit Dienstnummer.

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