"Tage ohne Lernhaus sind ein Problem"

Seit sieben Jahren gibt es das KURIER-Lernhaus Kufstein. Alle Kinder, die hier unterstützt wurden, haben die Schule positiv abgeschlossen.
Die Pandemie hat Kinder mit Schulproblemen besonders hart getroffen, erzählt eine KURIER-Lernhaus-Leiterin

Die Bilanz kann sich sehen lassen: „Es gibt uns jetzt seit sieben Jahren. Keines unserer Kinder ist sitzen geblieben, alle haben die Schule positiv abgeschlossen“, erzählt Jutta Obergmeiner, Leiterin des KURIER-Lernhaus Kufstein, dem ersten in Tirol. Das zweite in Wörgl ist derzeit pandemiebedingt geschlossen, da die ehrenamtlichen Betreuer alle im Hochrisikoalter sind.

Im ersten Lockdown im vergangenen Jahr war das auch der Grund, in Kufstein vorübergehend den Betrieb einzustellen. Mit einem eigenen Hygienekonzept gingen Obergmeiner, selbst 73 Jahre alt, und ihre Kolleginnen, fast alle Pensionistinnen, aber wieder an den Start.

Aufholprogramm

„Wir haben nach dem ersten Lockdown bei den Kindern gemerkt, dass alles wieder vergessen wurde. Mit einer täglichen Sommerschule haben wir uns bemüht, alles wieder aufzuholen“, sagt Obergmeiner. Das Lernhaus sei nun noch wichtiger für die Kinder, als es ohnehin schon war.

Zwei Mal die Woche werden in der Bezirkszentrale des Roten Kreuz Kufstein vierzehn Kinder beim Lernen und Hausaufgabenmachen unterstützt. Fast alle haben Migrationshintergrund und sprachliche Defizite.

„Wir haben gemerkt, das mit dem Distance-Learning funktioniert bei unseren Kindern gar nicht“, lautet der Corona-Befund von Obergmeiner. „Zu Hause kann ihnen niemand helfen. Das ist auch für die Kinder zum Verzweifeln. Tage ohne Lernhaus sind für sie ein Problem.“

"Tage ohne Lernhaus sind ein Problem"

Jutta Obergmeiner (73) kennt die Probleme ihrer Kinder.

Ein 11-Jähriger sitzt an einem der Tische in dem adaptierten RK-Schulungsraum über Rechenaufgaben. „Ich hatte heute eine Mathe-Schularbeit“, erzählt er und glaubt, dass es gut gelaufen ist. Über die Unterstützung im Lernhaus ist er froh: „Wenn ich die Aufgaben daheim mache, kann ich mich nicht so gut konzentrieren. Da kann mir auch keiner so gut helfen“, sagt der Bursche.

Ein gleichaltriges Mädchen schreibt gerade Lernwörter in ein Heft, wie sie erklärt. „Ich bin seit der zweiten Klasse hier. Nach der Quarantäne war ich froh, als wir wieder herdurften.“

Das ist der Grundtenor bei den Kindern im Alter zwischen sechs und elf Jahren. Die Plätze im Lernhaus sind begehrt. „Die Schulen fragen dauernd nach. Aber wir müssen schauen, wer es am dringendsten braucht“, erklärt Obergmeiner. Mehr Kinder – auf zwei kommt eine Betreuerin – könne man nämlich nicht unterrichten.

Systemkritik

Die Pensionistin hat 27 Jahre lang als Lehrerin gearbeitet. Im Schulsystem ortet sie strukturelle Probleme und meint: „Am liebsten würde ich mal mit dem Herrn Bildungsminister Faßmann reden. Was die in Wien am Schulsystem ändern, bringt in der Praxis nichts.“

Ihr Fazit: „Das Üben bleibt auf der Strecke. Es fehlen die Automatismen.“ Dadurch fehlt es den Kindern am Grundstock: „Wenn sie den haben, ist schon viel getan.“

KURIER-Lernhaus bietet Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und 15 Jahren seit zehn Jahren kostenlose Lernhilfe. An neun Standorten in Wien, Niederösterreich und Tirol werden jedes Jahr rund 200 Kinder betreut. Betrieben werden die Lernhäuser vom Projektpartner Österreichisches Rotes Kreuz.

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