Hilflosigkeit in Syrien: "Bedarf ist größer als Güter, die eingeflogen werden"

Hilflosigkeit in Syrien: "Bedarf ist größer als Güter, die eingeflogen werden"
Krieg, Cholera und das Erdbeben: Ein Gespräch mit Österreichs Rot-Kreuz-Koordinatorin über Syrien im Krisenmodus.

Simona Mencinger koordiniert die Erdbeben-Hilfe für das Österreichische Rote Kreuz in Syrien von Damaskus aus. Sie war auch im betroffenen Aleppo.

KURIER: Syrien wird von der Welt oft vergessen. Wie ist Situation in der Katastrophenregion?

Mencinger: Seit 12 Jahren befindet sich Syrien in einem Konflikt. Und leider ist es ein globales Phänomen: Je länger eine Krise dauert, desto weniger öffentliches Interesse gibt es.

Wo liegen die größten Probleme?

Schon vor dem Erdbeben war die Situation sehr schlecht. 15 Millionen Menschen waren von internationaler Hilfe abhängig. Wirtschaft und Infrastruktur leiden. Auch wegen der internationalen Sanktionen spitzt sich die Lage zu. Vor dem Erdbeben war nur die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen funktionabel. Das gilt auch für die Wasserinfrastruktur. Der Syrisch Arabische Rote Halbmond schätzt, dass 248 Schulen im Erdbeben zerstört wurden, die Wassernetzwerke wurden beschädigt, das Ausmaß wird jetzt erhoben.

Wie reagieren die Betroffenen?

Sie fragen sich, wie es möglich sein kann, dass sie niemandem etwas getan, aber trotzdem so viel Unglück haben. Es gibt eine große Hilflosigkeit. Ein Großteil der Menschen aus Idlib – die Stadt ist sehr vom Konflikt betroffen – ist nach Aleppo geflohen. Die gleichen Menschen sind nun vom Erdbeben betroffen.

Hilflosigkeit in Syrien: "Bedarf ist größer als Güter, die eingeflogen werden"

Das Österreichische Rote Kreuz in Schule in Aleppo, die als temporäre Unterkunft benutzt wird.

Wie geht es weiter?

Wir versuchen, Wassernetzwerke, Schulen und Gesundheitseinrichtungen zu sanieren. In Aleppo ist die Wasserzufuhr für die Stadt unterbrochen. Das ÖRK hat bei der Wasser- und Sanitärversorgung eine große Expertise. Man muss bedenken, dass sich Syrien seit einem Jahr in einer Cholera-Krise befindet. Wo große Massen an Menschen vertrieben wurden, ist es auch ohne Epidemie sehr gefährlich, dass sich Krankheiten verbreiten.

Hilflosigkeit in Syrien: "Bedarf ist größer als Güter, die eingeflogen werden"

Mobile Kliniken werden vor temporären Aufnahmezentren positioniert. Auch ein Augenarzt ist vor Ort, denn viele Menschen haben ihre Brillen im Erdbeben verloren.

Gibt es genug Hilfe?

Wir sind dankbar und stolz darauf, dass in Österreich viel gespendet wurde. Es ist einiges an internationaler Hilfe zusammen gekommen. Aber der Bedarf ist viel größer als die Hilfsgüter, die eingeflogen werden, oder die humanitäre Hilfe, die vor Ort vom Roten Kreuz umgesetzt werden kann.

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Im zerstörten Gebäude in Aleppo sind 24 Menschen ums Leben gekommen, nur 2 Mädchen konnten gerettet werden.

Hier können Sie spenden

Österreichisches Rotes Kreuz:  roteskreuz.at/erdbebenhilfe

Caritas Österreich: caritas.at/erdbeben-syrien-tuerkei

Nachbar in Not: www.roteskreuz.at/spende-nachbar-in-not

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