KURIER: Herr Stadtrat, Ärztekammer-Vizepräsident Johannes Steinhart wirft Ihnen „Arbeitsmarktpolitik à la DDR“ vor. Wollen Sie die Planwirtschaft einführen?
Peter Hacker: Wir sind in einer Situation, in der wir uns nicht mehr zurücklehnen können: Insgesamt haben wir so viele Ärzte im System wie nie zuvor. Trotzdem gibt es Mängel in der Versorgung. Daher soll es keine Tabus und Denkverbote geben. Wir können nicht wie die Lemminge unseren Weg fortsetzen.
Herr Präsident, Sie lehnen Hackers Vorschlag vehement ab. Unterstützen Sie damit nicht die Verschärfung der Zwei-Klassen-Medizin? Denn viele Menschen können sich einen Wahlarzt nicht leisten.
Thomas Szekeres: Seit Langem fordern wir 1.300 zusätzliche Kassenärzte für ganz Österreich, um Engpässe zu beseitigen. Ein Verbot der Niederlassung kann es aber nicht geben. Zumal Wahlärzte auch wertvolle Arbeit zur Entlastung des Gesamtsystems leisten.
Hacker: Es geht mir nicht ums Verbieten. Oft haben die Patienten aber gar keine Alternative zum Wahlarzt mehr. Mir hat gestern eine Frau geschrieben, die etwas mehr als 1.000 Euro Pension bekommt. Sie beklagt sich, dass sie beim Privatarzt nur für eine Überweisung ins Spital 170 Euro zahlen musste. Das ist einfach inakzeptabel.
Szekeres: Deshalb brauchen wir mehr Kassenärzte.
Hacker: Wir haben in Wien einen Beschluss für 400 zusätzliche niedergelassene Ärzte gefasst. Ich kann aber keinen Einfluss auf die Verhandlungen zwischen Ärztekammer und Krankenkasse nehmen. Wenn dabei nichts passiert, kann ich aber nicht zusehen, wie die Privatpraxen wie Schwammerln aus dem Boden wachsen und gleichzeitig die Spitalsambulanzen überfüllt sind.
Szekeres: Die WGKK war nicht in der Lage, die zusätzlichen Kassenstellen zu bezahlen. Vielleicht ändert sich das durch die Zusammenlegung der Krankenkassen, groß ist meine Hoffnung aber nicht. Eine Reduktion der Privatärzte würde aber nichts verbessern, sondern zu noch größeren Engpässen führen.
Aber was spricht dagegen, wenn Jungmediziner zumindest ein paar Jahre als Kassenarzt arbeiten?
Szekeres: Will man Jungmediziner zu einer Tätigkeit zwingen, die sie nicht möchten?
Hacker: Als Spitalsträger zahlen wir viel in die Ausbildung junger Ärzte. Es gibt viele andere Berufe, in denen man nach der Ausbildung noch lange nicht selbstständig erwerbstätig sein darf.
Warum wollen so wenige Ärzte Kassenarzt werden?
Szekeres: Der Hauptverband hat in der Vergangenheit die Kassenärzte nicht sehr pfleglich behandelt. Man wollte Spitzel in die Ordinationen schicken, die Ärzte haben auch an einer überbordenden Administration zu leiden.
Herr Hacker, Sie nannten als Vorbild für eine Regulierung Beispiele aus dem Ausland. Welche meinen Sie genau?
Hacker: In Deutschland muss man sich entscheiden, ob man im Spital oder im niedergelassenen Bereich arbeitet. Eine Mischform gibt es nicht.
Ein massiver Mangel herrscht bei den Kinder- und Jugendpsychiatern. Der Stadtrat fordert, dass künftig ein Arzt mehr Jungmediziner ausbilden darf. Warum ist die Kammer dagegen?
Szekeres: Das Zahlenverhältnis Ausbildner zu Assistenzarzt wurde schon großzügiger gestaltet: Zwei Fachärzte dürfen vier Assistenten ausbilden. Ein weiteres Aufbrechen würde die Ausbildungsqualität verschlechtern.
Nehmen Sie Qualitätseinbußen in Kauf, Herr Hacker?
Hacker: Der Rektor der MedUni hat gesagt, die Uni würde gern mehr ausbilden, aber sie dürfe es wegen des Einspruchs der Kammer nicht. In Deutschland gibt es einen anderen Ausbildungsschlüssel. Der Leiter der Kinderpsychiatrie sieht keinen Grund, warum er nicht zumindest die gleich hohe Anzahl an Studenten ausbilden darf wie in Deutschland.
Szekeres: Die Erstellung des Schlüssels wurde mit dem Ministerium abgestimmt. Aber wahrscheinlich hätte man früher dafür sorgen müssen, dass es mehr Ausbildner gibt.
Mitarbeit: Melanie Baumgartner
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