Die Antworten der Rechtsgelehrten schwanken. „Nein“, betonen Verfassungsexperten der Parlamentsdirektion in Wien. Es gebe keine Bestimmung in der Bundesverfassung aus 1920, die es erlaube, dass sich ein Bundesland von Österreich lossagen könnte.
Also kein Voxit für Vorarlberg? Karl Stöger, Professor an der Uni Graz, sieht das nicht so streng. „Ein Bundesland kann wohl gehen, aber dazu braucht es eine gesamtösterreichische Volksabstimmung.“ Die dann mehrheitlich natürlich mit Ja enden müsse. „Man kann die Verfassung durch eine Gesamtänderung in jede Richtung drehen“, begründet Stöger. „Kein Bundesland kann aber so etwas für sich alleine entscheiden.“
Bayxit ausgeschlossen
Im Gegensatz zu Österreich ist so eine Gedankenspielerei in Deutschland schon ausjudiziert. Nach dem Brexit-Votum der Briten begehrte ein Bayer mittels Verfassungsbeschwerde die Loslösung seines Bundeslandes von der Bundesrepublik. Die Verfassungsrichter urteilten im Vorjahr knapp, aber deutlich: Bayern darf den Staatsverband nicht verlassen. Das sei im Grundgesetz nicht vorgesehen, außerdem sei Bayern der Republik nicht explizit beigetreten wie etwa Mitgliedsstaaten der EU und wer nicht beitritt, könne auch nicht austreten.
Nach dem Vorstoß Sailers über die schweizerisch-vorarlbergische Liaison ist die Kantonsregierung St. Gallen am Zug. Sie muss eine Erklärung abgeben, was sie von der Idee hält.
Martin Sailer bezeichnet sie als „visionär“: „Wir haben dieselbe Sprache und eine sehr ähnliche Kultur. Der Rhein trennt zwar, könnte aber auch zu einem verbindenden Element werden“, begründet Sailer seinen Antrag. „Stellen wir uns dies einmal in unseren kühnsten Träumen vor.“ Er verweist auf Umfragen lokaler Medien im Mai, wonach sich eine Mehrheit der Teilnehmer für den Wechsel Vorarlbergs in die Schweiz ausgesprochen haben.
Dass solche Online-Befragungen ausgerechnet vor vier Monaten gemacht wurden, ist einem historischem Ereignis geschuldet: Am 11. Mai 1919 entschieden sich die Vorarlberger mit deutlicher Mehrheit von fast 81 Prozent, der eben erst aus den Resten der Monarchie entstandenen Republik „Deutschösterreich“ den Rücken zu kehren.
Es kam bekanntlich nicht dazu. Die Alliierten ließen dies im Friedensvertrag von Saint Germain nicht zu. Auch die Schweizer Politiker dürften aufgeatmet haben, denn sie fanden kaum Gefallen an dem wenig schmeichelhaft als „Kanton Übrig“ bezeichneten Vorarlberg.
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