Steirer soll Kinderpornos in Asien in Auftrag gegeben haben: 8 Opfer befreit
Als er Senden geklickt hatte, war es bereits zu spät. Es war ein kleiner Fehler, der einen mutmaßlichen Pädophilen aus der Steiermark Monate später zu Fall bringen sollte. Das unachtsam verschickte Bild rettete schlussendlich acht Kinder und Jugendliche, die zuvor jahrelang sexuell missbraucht worden waren. Und es brachte die Ermittler auf die Spur des 58-jährigen Steirers – wenn auch über Umwege.
Zuerst war es das Soziale Netzwerk Facebook, das Alarm schlug, weil ein verdächtiges Foto verschickt wurde. Umgehend erfolgte eine Meldung an das Nationale Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder (NCMEC) in den USA. Als die gemeinnützige Organisation herausfand, dass es sich um aktuelles kinderpornografisches Material handelte, wurde im September 2020 das österreichische Bundeskriminalamt informiert. Von dort zog sich die Schlinge langsam zu.
„Wir hatten die Registrierungs- und Login-Daten der Social-Media-Plattform, damit konnten wir das Gebiet eingrenzen“, erklärte Kontrollinspektor Roland Binder aus dem Referat „Sexualstraftaten und Kinderpornografie“ bei einem Hintergrundgespräch am Freitag in Wien. Mithilfe dieser Informationen ließen sich Rückschlüsse auf die Telefonnummer, E-Mail-Adresse und Region des Verdächtigen ziehen. Es war nun klar, dass es sich um einen Steirer handelte. Das tragische Ausmaß der Tat war zu diesem Ausmaß aber noch nicht bekannt.
Tausende Bilder
Im nächsten Schritt wurden die Experten des steirischen Landeskriminalamts ins Boot geholt. Zwei Kriminalistinnen von dort waren am Freitag ebenfalls in Wien, um die Ergebnisse zu präsentieren. „Aus einem Foto wurde dieser Ordner“, sagte eine der Frauen und deutete auf eine wohl Tausende Seiten dicke Mappe vor ihr. Die darin enthaltenen Chatprotokolle und Fotos stammen von einer Hausdurchsuchung, die im Februar 2021 stattfand. Davor konnte ein 58-jähriger ehemaliger Pädagoge als Verdächtiger ausgeforscht werden.
In den Chats, die da über Jahre ausgetauscht wurden, gab der Verdächtige an seinen philippinischen Kontakt mehrere Aufträge, einschlägige Bilder anzufertigen.
Ein Volltreffer: Rund hundert Videos und 16.000 Bilder mit kinderpornografischen Inhalten wurden laut Polizei bei dem Mann sichergestellt. Der wohl härteste Teil der Ermittlungen stand aber noch bevor – die Auswertung. Speziell eine der steirischen Kriminalistinnen verbiss sich monatelang in den Fall. „In den Chats, die da über Jahre ausgetauscht wurden, gab der Verdächtige an seinen philippinischen Kontakt mehrere Aufträge, einschlägige Bilder anzufertigen. Mehr als 250 Überweisungen machte er in der Zeit, diese ließen sich teilweise dem Bildmaterial zuordnen.“
Dass derartige Verbrechen selbst eine Polizistin mit 20 Jahren Erfahrung stark belasten, merkte man der Frau an, während sie über den Fall sprach. „Wir reden hier von Tausenden Seiten, die ausgewertet werden mussten. Erschwerend hinzu kam, dass ein Handy auf den Philippinen teils von mehreren Menschen verwendet wird. Die Verdächtigen zu identifizieren, war nicht einfach.“
Auch weil der Beschuldigte, er soll von 2017 bis 2021 in Summe 20.000 Euro für Kinderpornos auf die Philippinen überwiesen haben, vorsichtig war und seine Kontaktpersonen immer wieder aufforderte, alte Chats zu löschen. Außerdem versuchte der mutmaßliche Täter, seine Ansprechpartner in Asien zu warnen, woraufhin er in Österreich vorübergehend verhaftet wurde.
Zusammenarbeit vor Ort
Dass die Kinder befreit und die mutmaßlichen Täter geschnappt werden konnten, lag zu einem großen Teil an der Arbeit einer für die Philippinen zuständigen Verbindungsbeamtin. Die anonym bleibende österreichische Ermittlerin versorgte die Behörden vor Ort mit Fakten. Konkret das National Bureau of Investigation in Manila.
Die größte Hürde war es, die örtliche Polizei bei der erdrückenden Menge an Daten mit den wichtigsten Infos zu versorgen, damit diese möglichst schnell einschreiten konnte.
„Die größte Hürde war es, die örtliche Polizei bei der erdrückenden Menge an Daten mit den wichtigsten Infos zu versorgen, damit diese möglichst schnell einschreiten konnte“, erklärte die per Live-Video zugeschaltete Frau. Ganz allgemein sei die Tatsache, dass der Missbrauch während der Untersuchungen andauerte, eine große Belastung gewesen, waren sich alle anwesenden Polizisten einig.
Dank der Chats, aber auch der Überweisungen hatten die Polizisten dort Namen, mit denen sie arbeiten konnten. In mehreren Einsätzen konnten acht Kinder und Jugendliche gerettet werden. Laut der Verbindungsbeamtin handelte es sich um eine Familie, die allerdings an verschieden Adressen wohnte. Bei den Hauptbeschuldigten handelt es sich um die Mutter, Großmutter und Tante der Missbrauchsopfer. Auf den Philippinen drohen ihnen jetzt mindestens 30 Jahre Haft.
Live-Sex und Asien-Reisen
Dem Österreicher drohen bis zu zehn Jahre Haft, sollte es zu einer Anklage kommen. Der Mann befand sich bis November 2021 in Untersuchungshaft, ist mittlerweile aber wieder auf freiem Fuß. Seitens heimischer Polizei sind die Erhebungen abgeschlossen. Die zuständige Staatsanwaltschaft in der Steiermark arbeitet derzeit an der Anklage. Im Falle eines Verfahrens müsste er sich wohl unter anderem wegen der Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch, der Blutschande und des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses verantworten.
Wie die Ermittlungen zeigten, soll der Verdächtige nämlich von 2001 bis 2007 ein sexuelles Verhältnis zu seiner Tochter gehabt haben. Die Jugendliche war zu Beginn der mutmaßlichen Übergriffe 15 Jahre alt. Auf seinem beschlagnahmten Mobiltelefon fanden sich Fotos seiner Tochter, „die - sagen wir so - ein normaler Vater nicht von seiner Tochter hat“, berichteten die Kriminalisten.
Ein Sachverständiger fand auf dem PC des Beschuldigten zudem eine Software, mit der Live-Streams aufgenommen werden können. Der Verdacht liegt nahe, dass der Steirer auch Live-Vergewaltigungen der philippinischen Kinder in Auftrag gab. Hinweise auf einen Verkauf dieser Videos gibt es nicht.
„Dreimal flog er direkt auf die Philippinen. Er traf sich dort mit seinen Kontaktpersonen, die er zuvor auf regulären Dating-Seiten kennenlernte. Dass es in einem Hotel zu Übergriffen kam, ist nicht auszuschließen“, hieß es von der steirischen Ermittlerin, die aufgrund des sensiblen Falls nicht namentlich genannt werden wollte. Es dürfte sogar Pläne gegeben haben, jährlich einen Trip zu machen. Dass es dazu nicht kam, war wohl Pandemie geschuldet.
Kinder in Einrichtung untergebracht
Die Opfer des jahrelangen Missbrauchs sind mittlerweile im Alter von neun bis 16 Jahren. Begonnen haben dürften die Übergriffe, als diese wesentlich jünger waren. Die Identifizierung soll sich dadurch extrem schwierig gestaltet haben. Die Kinder sind jetzt in einer staatlichen Einrichtung untergebracht und werden von einer NGO betreut.
Auf den Philippinen laufen die Ermittlungen unterdessen weiter. Demnach gebe es viele weitere Verdachtsmomente, auch Hinweise in andere europäische Länder, denen nachgegangen werde.
„Keine Anonymität im Internet“
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) gratulierte den Ermittlerinnen und Ermittlern und betonte: „Das vor wenigen Wochen vorgestellte Maßnahmenpaket wird auch den Umfang der Ermittlungsbefugnisse erweitern und den Ermittlerinnen und Ermittlern stärkere Werkzeuge in die Hand geben. Die derzeit laufende Kriminaldienstreform setzt im Bereich des konsequenten Vorgehens gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern einen Schwerpunkt. In Zukunft wird in jedem Landeskriminalamt ein Sonderbereich für Online Kindesmissbrauchsdelikte eingerichtet werden. Daneben werden auch die technischen Möglichkeiten für effiziente Ermittlungen entsprechend erweitert.“
BK-Direktor Andreas Holzer betonte, dass sich kein Täter seiner „vermeintlichen Anonymität im Internet sicher sein“ solle. „Im gegenständlichen Fall zeigt sich ganz klar, dass wir sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene rigoros gegen das Verbrechen vorgehen.“ Viele Täter, speziell auf den Philippinen, rechnen Kriminalisten zufolge nicht damit, dass Ermittlungen im Ausland bis zu ihnen führen können.
„Der Fall ist ein gutes Beispiel, wie die NCMEC-Informationen zur Aufklärung eines Falles führen“, sagte Dieter Csefan, Leiter der Ermittlungsabteilung im BK. „Man sieht, dass nicht unbedingt einer, der 500 Fotos hat, gefährlicher ist als einer, bei dem man nur von einem Bild erfährt.“ 90 Prozent der Meldungen bezüglich österreichischer Missbrauchs-Straftäter gelangen mittlerweile vom Nationale Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder (NCMEC) in den USA an das Bundeskriminalamt.
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