Städtetourismus: "Wir sind an einer Grenze angelangt"

In der Getreidegasse konzentrieren sich ganzjährig die Urlauberströme
Salzburg will wegen zu vieler Besucher Reisebus-Gruppen mittels Online-Buchungssystem besser verteilen.

Kosmetikartikel, Kochutensilien und Mozartkugeln: Duty-free-Shops sind in der Regel auf Flughäfen angesiedelt. In der unscheinbaren Paris-Lodron-Straße in der Stadt Salzburg bezeichnet sich ein kleiner Laden aber ebenfalls als "Duty-free". Betrieben wird er von einer Chinesin. Auf die Frage, wer ihre Zielgruppe sei, antwortet sie knapp "Touristen" und deutet mit einer Hand auf die andere Straßenseite.

Dort kommen im Minutentakt Reisebusse an. In den eigens dafür eingerichteten Parkbuchten steigen Touristengruppen aus, auf die bereits ihre Stadtführer warten. Gemeinsam setzen sie sich auf den schmalen Gehsteigen in Richtung Mirabellgarten oder ins Stadtzentrum in Bewegung. Für Passanten wird es mitunter schwierig, an den Gruppen vorbeizukommen. In der Hochsaison, zur Festspielzeit, sind es laut Schätzungen mehr als 300 Reisebusse am Tag.

"Es ist ganz ehrlich eine Katastrophe mit den vielen Bussen und Leuten", sagt Viktoria Faust-Göll. Sie arbeitet in einem kleinen Fotoladen gegenüber des Busterminals. Profit kann sie aus den Menschenmassen keinen schlagen. Höchstens die Neugier lockt die Urlauber kurz in das Geschäft. Von den Verantwortlichen der Stadt fordert sie eine Maut für die vielen Busse. "Noch lieber wäre es mir, wenn sie mit den Öffis in die Stadt fahren. Dann hätten wir wenigstens ein bisschen Kohle – weil die lassen nichts da außer dem Dreck."

Neue Regeln für Busse

Stadtpolitik und Touristiker haben die Zeichen der Zeit erkannt. "Wir sind jetzt an einer Grenze angelangt", sagt der für Tourismus zuständige Stadtrat Harald Preuner (ÖVP). An Spitzentagen seien mehr als 20.000 Menschen gezählt worden, die durch die Getreidegasse gegangen seien. "Die Hoteliers haben schon Beschwerden von Gästen bekommen, dass zu viele Bustouristen in der Stadt sind", schildert Preuner.

Ab dem kommenden Sommer sollen die Bus-Tagesgäste über ein Online-Buchungssystem besser auf die bestehenden beiden Terminals in der Paris-Lodron-Straße und im Nonntal im Süden der Altstadt verteilt werden.

Die Busfahrer bekommen dann ein gewisses Zeitfenster, um die Gäste aus- und einsteigen zu lassen. Außerdem gebe es die Möglichkeit, die Zahl der Busse zu begrenzen. Bisher war das nicht möglich. Auch Gebühren sollen sollen fällig werden.

„Das Zentrum einer Stadt darf nicht so überlaufen sein, dass ich dort kaum noch gehen kann.“

Tourismusexperte Vladimir Preveden von der Beratungsfirma Roland Berger hält solche Maßnahmen für sinnvoll. "Das Zentrum einer Stadt darf nicht so überlaufen sein, dass ich dort kaum noch gehen kann", meint er. Jubelmeldungen über neue Nächtigungsrekorde – im Juli gab es mehr als sieben Prozent Zuwachs – kann er nur bedingt nachvollziehen. Er verweist auf die ohnehin bereits hohe Tourismusdichte. Auf jeden Salzburger kommen demnach auf ein Jahr gerechnet knapp 16 Übernachtungen. Zum Vergleich: In Wien sind es nicht einmal acht Nächtigungen pro Einwohner. Während sich in der Hauptstadt die Touristen über weite Teile der Stadt verteilen, konzentriere sich in Salzburg der Tourismus auf die relativ kleine Altstadt, meint Preveden. Die Folge: Wer in der Hauptsaison den Makartsteg passieren will oder durch die Getreidegasse geht, muss sich seinen Weg durch Menschenmassen bahnen.

Der österreichische Sommertourismus steuert, wie berichtet, auf einen neuen Rekord zu. Tirol profitiert von der wieder entdeckten Liebe der Gäste zu den Bergen. In den Monaten Mai, Juni und Juli kamen um 5,4 Prozent mehr Gäste als im Vorjahr. Wie im Winter geht es auch im Sommer seit Jahren kontinuierlich bergauf. Noch hat der Skitourismus bei den Ankünften die Nase vorne, aber der Abstand schrumpft:
2016 kamen im Winter 5,8 Millionen Urlauber nach Tirol, im Sommer waren es mit 5,6 Millionen Gästen nur geringfügig weniger. Das hat seine Schattenseiten. „Der Sommertourismus hat jetzt eine Renaissance. Das bringt aber natürlich auch mehr Verkehrsbelastung“, sagt Hansjörg Jäger, der Bürgermeister von Ried am Eingang des Zillertals.

Im hinteren Teil das Tals liegt mit Mayrhofen einer der großen Profiteure des Sommerbooms. Die Zahl der Nächtigungen konnte um 9,6 Prozent auf 289.000 gesteigert werden – Platz 3 in der landesweiten Statistik. Staus gehören auf der Straße durchs Zillertal zum Alltag. 18.000 bis 20.000 Fahrzeuge sind hier täglich unterwegs. „An Spitzentagen sind es bis zu 26.000“, sagt Jäger. Und die gäbe es im Sommer genauso wie im Winter. „Wir brauchen einen starken Tourismus. Aber wir müssen auch für ordentliche Zufahrten sorgen“, meint der Bürgermeister.

Suche nach Lösung

Er drängt auf eine raschere Umsetzung einer bereits für seine Gemeinde geplanten Umfahrung. Jäger wäre zwar lieber, wenn mehr Urlauber mit der Bahn anreisen würden, glaubt aber auch: „Der öffentliche Verkehr kann nicht alles schlucken.“

Derzeit reisen laut Tirol Werbung nur fünf Prozent der Urlaubsgäste mit dem Zug an. Mit dem Projekt „Tirol auf Schiene“ will man gemeinsam mit Bahnunternehmen diesen Anteil bis 2020 auf zehn Prozent steigern.

Städtetourismus: "Wir sind an einer Grenze angelangt"
Auch im Sommer gehört Stau im Zillertal zum Alltag - hier bei Fügen
Derweilen rollen die Blechlawinen weiter – etwa durch die Grenzstadt Kufstein. Sie liegt auf der kürzesten Route für deutsche Urlauber, die in den beliebten Bezirk Kitzbühel reisen möchten. Hier befinden sich drei der zehn Tiroler Gemeinden mit den meisten Nächtigungen im heurigen Sommer. Mautflüchtlinge fahren durch Kufstein, statt die Stadt auf der Autobahn zu passieren – ebenfalls ganzjährig. „Wir haben mit und ohne Wintertourismus Staus“, sagt Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel.

Kommentare