Drei Ärzte wegen Tod eines Grazer Unternehmers vor Gericht

Die Angeklagten beim Prozessauftakt in Graz
Im Zuge einer Krebstherapie dürfte eine Spritze vertauscht worden sein.

Am Dienstag hat im Grazer Straflandesgericht der Prozess gegen drei Ärzte wegen fahrlässiger Tötung begonnen. Einem Grazer Unternehmer soll im Zuge einer Krebstherapie eine Spritze statt in die Vene ins Rückenmark verabreicht worden sein. Angeklagt ist grob fahrlässige Tötung.

Der Unternehmer war an Leukämie erkrankt und wurde im Grazer LKH behandelt. Laut Anklage soll dort im Dezember 2013 der fatale Fehler passiert sein. Eine Ärztin verabreichte ihm eine Spritze ins Rückenmark, die eigentlich für die Vene vorgesehen war. Der Mann starb einen Tag vor Weihnachten.

Vor Gericht steht nicht nur die damals behandelnde Ärztin, sondern auch zwei Ärzte, die in leitender Funktion tätig waren. Die Anklage stützt sich unter anderem auf die Gutachten des Krebsspezialisten Thomas Kühr und des Neurologen Hans-Peter Haring. Angeblich sei der Fehler vermeidbar gewesen, wenn das Medikament nicht als Spritze, sondern als Infusion verabreicht worden wäre.

Vorgeschichte

Der Patient kam am 3. Dezember 2013 ins Grazer LKH zur Krebsbehandlung. Eine Ärztin der Neurologie wurde gerufen, um ihm eine Spritze ins Rückenmark zu verabreichen. Die Injektionen in die Venen werden üblicherweise von den Ärzten auf der Hämatologie selbst verabreicht. Die Medizinerin nahm zwei Spritzen, ohne die Etiketten zu kontrollieren oder sich an der falschen Verpackungsfarbe zu stoßen. Sie verabreichte beide dem Mann ins Rückenmark, obwohl eine davon für die Vene gedacht war. Daraufhin fiel der Grazer ins Koma und starb am 23. Dezember.

Die Ärztin muss sich nun wie zwei ehemalige leitende Ärzte wegen grob fahrlässiger Tötung verantworten. Sie, weil sie die Spritzen gesetzt hat, die beiden anderen, weil sie "veranlassen hätten müssen, dass dieses Mittel nur als Infusion verabreicht wird", so die Staatsanwältin. Bis 2014 sind weltweit 55 Fälle verzeichnet, in denen es durch genau solche Verwechslungen zu Todesfällen kam.

Keiner der drei fühlte sich schuldig. Die Ärztin betonte, sie habe zwar keine Fieberkurve zur Kontrolle der Medikamente gehabt - wie vorgesehen -, dafür einen Assistenzarzt, der ihr bestätigt habe, dass es sich um die richtigen Spritzen handle. "Sie lesen das Etikett nicht, auf dem die Verabreichungsform steht und verlassen sich auf einen Assistenzarzt in Ausbildung?", wunderte sich Richterin Julia Riffl. "Weil das immer so ist", kam die Antwort. Die Richterin fragte weiter, ob die Ärztin nicht stutzig geworden sei, als die eine Spritze nicht - wie sonst immer - grün, sondern weiß gewesen sei? "Ich schaue wirklich nicht auf die Farbe der Spritze", meinte die Angeklagte dazu. Die Injektionen für die Venen sind durchsichtig und in grauer Hülle mit großem Etikett verpackt, während die für das Rückenmark aus grünem Plastik sind und steril in einer grünen Verpackung stecken - um genau solche Verwechslungen auszuschließen. Doch die Medizinerin beharrte darauf, dass sie sich auf die Angaben des Assistenzarztes verlassen habe und das auch genauso üblich sei.

"Die Spritze hätte nie dort liegen dürfen", meinte ihre Verteidigerin Karin Prutsch, die außerdem betonte, "an diesem Tag war ein Durcheinander und sehr viel los." Doch der Anwalt der Familie des Opfers, Guido Held, tat diese Erklärungen als "untaugliche Versuche, Schuld abzuwälzen" ab. Er zitierte den Leiter der Neurologie, der als Grundgesetz für Ärzte formuliert habe: "Jede Spritze checken, bevor sie verabreicht wird."

Lückenhafte Dokumentation der Spritzengabe

Jene Ärztin, die dem Grazer eine Spritze statt in die Vene ins Rückenmark verabreicht hatte, dokumentierte nach Meinung eines Verteidigers ihr Tun nicht ausreichend. So hatte sie auf dem Konsiliarbefund nur eine statt der verabreichten drei Spritzen verzeichnet.

Die angeklagte Ärztin hatte bei der Befragung angegeben, sie habe sich auf den Assistenzarzt verlassen, der ihr bestätigt habe, dass die vor ihr liegenden Spritzen die richtigen für den krebskranken Patienten seien. Sie habe ihm vertrauen müssen, da sie keine Fieberkurve hatte, dafür war ihr der junge Arzt mitgegeben worden. Also verabreichte sie beide Spritzen - eine weiße und eine grüne - ins Rückenmark. Dann kam noch eine Cortisoninjektion dazu, die ihr von einer Krankenschwester gereicht wurde.

Zwei von drei Medikamenten nicht angeführt

Auf dem Konsiliarbefund fand sich nur das Etikett der richtig verabreichten Spritze. Das andere habe sie auf einen Zettel für das Sekretariat geklebt, erklärte die Angeklagte. Warum sie dann die beiden anderen Medikamente nicht wenigstens mit der Hand dazu geschrieben hatte, konnte sie nicht beantworten. Zwei Ärzte, die vor ihr diese Behandlung am Patienten durchführten, hatten genau beschrieben, was sie getan und was sie verabreicht hatten. "Warum haben Sie das nicht hingeschrieben?", fragte Richterin Julia Riffl. "Das ist immer der gleiche Ablauf", sah die Beschuldigte darin keine Notwendigkeit.

"Gravierendes Individualverschulden"

Von den beiden angeklagten Ärzten hat einer zwar die Behandlung an dem Patienten begonnen, ist aber zwei Monate vor dem Vorfall in Pension gegangen. "Er war nicht mehr in der Klinik", erklärte sein Anwalt Harald Christandl und forderte schon zu Beginn einen Freispruch. Der zweite leitende Arzt hat "die Behandlung weder angeordnet noch durchgeführt", betonte sein Verteidiger Peter Bartl. Er ortete ein "gravierendes Individualverschulden. Auf der Spritze stand I.V. (intravenös, Anm.), das muss man sehen."

Dass es am Dienstag noch ein Urteil geben würde, schien am frühen Nachmittag eher unwahrscheinlich, da noch mehrere Zeugen und drei Gutachter gehört werden sollten.

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