Familiendynastie in fünfter Generation: "Wir haben halt den Prater im Blut"
Ihre Mutter stand 80 Jahre im Geschäft, und ihr Sohn arbeitet auch schon da: Sylvia Lang über ihre traditionsreiche Branche, in der drei Familien seit Jahren dominieren.
KURIER: Wem gehört der Prater?
Silvia Lang: Der Prater gehört uns allen, seit ihn Kaiser Joseph II. für die Bevölkerung geöffnet hat. Die Stadt verwaltet ihn, die Praterunternehmen bewirtschaften ihre Betriebe.
Wie verhindert man, dass es eine Touristenkitschgeschichte wird?
Ein bissl Kitsch darf schon sein. Als einer der ältesten Freizeitparks der Welt wird der Wurstelprater von Touristen aus dem In- und Ausland geschätzt. 66 Prozent unserer Gäste kommen aus Österreich.
Warum gibt es keine Pratercard, die für alle Stationen gilt?
Im Wurstelprater gibt es weder Eintritt noch Konsumationspflicht. Das macht uns so einzigartig. Jeder kann kommen, mit dem Hund spazieren gehen oder mit dem Rad durchfahren. Das soll auch so bleiben.
Wie viel Technologie steckt im Vergnügungspark?
Es wird immer mehr. Wir haben einen sehr guten Mix aus Neuem und aus Traditionellem – wenn Sie an das Riesenrad denken oder an die alte Hochschaubahn, die nächstes Jahr 75 Jahre alt wird. Das gibts ja anderswo gar nicht mehr. Auch unsere Grottenbahnen gibt es nirgendwo sonst, wie die Prater Marina. Dieses Karussell dreht sich seit 121 Jahren für die Kundschaft.
Welches Gerät ist am attraktivsten für Besucher?
Alles, was hoch ist, ist besonders interessant. Selbst kleine Kinder, die noch gar nicht einsteigen dürfen, freuen sich, damit eines Tages fahren zu dürfen.
Das heißt, heutzutage ist es auch eine Art Mutprobe für Jugendliche?
Ja, das könnte man sagen.
Salon Salomon mit Silvia Lang
Fahren Sie ab und zu selbst mit den Geräten hier um uns herum?
Früher schon, ich bin damit aufgewachsen. Mittlerweile schaue ich mir die Fahrgeschäfte aber lieber vom Boden aus an.
Drei Praterfamilien dominieren hier seit ewig: die Schaafs, die Wilferts, die Kobelkoffs, mit denen Sie verwandt sind. Gabs nie den Vorwurf quasi mafiöser Strukturen?
Nein, wir sind ja nicht im Film „Der Pate“. Es gibt hier 80 Unternehmer, die 250 Betriebe betreiben, davon circa ein Fünftel Gastronomie. Die drei Familien waren bereits vor der Weltausstellung 1873 im Prater ansässig. Ihre Nachkommen betreiben heute gemeinsam 25 Betriebe.
Wird das wie beim Adel weitervererbt? Ihr Sohn ist auch schon im Geschäft.
Es ist eine Tradition, die fortgeführt wird, mein Sohn ist die sechste Generation. Er war schon in der Babywippe mit im Geschäft. Wir haben halt den Prater im Blut.
Was hätten Sie gesagt, wenn Ihr Sohn nicht gewollt hätte?
Dann hätte ich meine Neffen gefragt.
Gibts da nie Streit – in der Familie, aber auch zwischen den Betrieben?
Natürlich gibts Diskussionen wie anderswo auch. Aber es gibt einen unglaublichen Zusammenhalt. Wir sind ein Dorf und alle füreinander da. Auch für unsere Mitarbeiter, die zum Teil jahrzehntelang bei uns beschäftigt sind.
Schaut der Praterverband drauf, dass die Mischung passt, damit nicht dasselbe wie beim Naschmarkt passiert, wo es zu viel Einheitsbrei aus Nuss-Oliven-Standln und Gastronomie gibt?
Projekte müssen bei der Prater Wien GmbH eingereicht werden, der Praterverband ist aber eingebunden.
Wie reagieren Menschen, wenn Sie erzählen, wo Sie arbeiten?
Jeder kramt sofort wunderschöne Kindheitserinnerungen zum Prater hervor. Das ist großartig und freut mich immer sehr.
Der Prater galt früher als übel beleumundet, mit Strizzis und Prostitution. Wie sicher ist der Prater jetzt?
Es hat im Prater über die Jahrhunderte hinweg so ziemlich alles gegeben. Heute ist das zum Glück anders.
Wie hält man diesen Ort jetzt frei von Kriminalität?
Wir haben Security und die Polizei fährt Streife. Aber vielleicht entstand manchmal ein falscher Eindruck. Ich bin seit meinem Geburtsjahr 1962 im Prater, gehe auch in der Nacht durch und habe mich noch nie gefürchtet.
Probleme gabs am Praterstern, für den noch immer ein Waffenverbot gilt. Ein schwieriger Ort mit Kriminalität – ist Ruhe eingekehrt?
Es hat sich viel verbessert, auch durch regelmäßige Polizei-Präsenz. Ich sehe den Praterstern in erster Linie als tolle Verkehrsanbindung für den Wurstelprater.
Um den Bau des Prater-Vorplatzes gab es einen Skandal, er gilt als misslungenes Disneypark-Imitat. Die Kosten explodierten, die damalige Stadträtin Grete Laska musste den Hut nehmen. Wie sehen Sie den Platz heute?
Wir haben uns daran gewöhnt. Schade ist, dass man das Riesenrad nicht mehr so gut sieht wie davor.
Funktioniert der Platz denn?
Ja, es ist ein ordentliches Entree in den Prater. Außerdem wurde umstrukturiert, nun ist es eingespielt.
Was hätten Sie dort lieber?
Ich hätte mir durch den Umbau einen noch größeren Eingang vom Praterstern in den Prater gewünscht.
Macht hier eigentlich jeder gutes Geschäft?
Es ist in erster Linie ein herausforderndes Geschäft. Wir Praterunternehmer sind in der Freizeitbranche tätig und damit auch am Wochenende und am Abend im Einsatz. Das geht nur mit Leidenschaft.
Kann man denn mit dem Geschäft hier reich werden?
Reich wird man nicht, aber die Bedeutung des Ganzen ist so groß, dass man gerne Tag und Nacht arbeitet, wie meine Mutter. Sie wird 97 und ist 80 Jahre lang im Geschäft gestanden.
Da steckt viel Herz drin?
Es ist unser Leben, ja.
Muss man wie am Naschmarkt unglaubliche Ablösen zahlen, um einen Stand zu bekommen?
Das ist nicht wirklich ein Thema, denn bei uns ändert sich nicht viel, weil man stolz darauf ist, in xter Generation hier zu arbeiten. Vereinzelt gibt es Betriebe, die dazukommen.
Der Wiener Prater, 1766 gegründet, ist er der zweitälteste Vergnügungspark der Welt und heißt nun auch offiziell Wurstelprater. Neu ist ein Pratermuseum.
Silvia Langs Ururgroßvater ist der legendäre Nikolai Kobelkoff: ein gebildeter, reiselustiger russischer Schausteller ohne Gliedmaßen („der Rumpfmensch“), der 1876 in die Prater-Familie Wilfert einheiratete. Im Prater ist ein Weg nach ihm benannt.
Muss man quasi einen Aufnahmsprüfung machen?
Nein, wer neu dazukommt, wird genauso in unsere große Praterfamilie aufgenommen.
Ist die Mitarbeitersuche schwer?
Ohne unsere Stamm-Mitarbeiter würde es nicht gehen. Mit dem AMS Wien haben wir eine sehr erfolgreiche Jobbörse veranstaltet, und es haben sich viele vorgestellt. Die meisten haben geglaubt, sie können Erschrecker in der Geisterbahn sein. Aber so viele brauchen wir auch wieder nicht (lacht).
Sie haben vom Wirtschaftsminister bei dessen Praterbesuch andere Überstundenregelungen und eine Lohnnebenkostensenkung gefordert. Aber dafür wird es ja kaum eine Prater-Sonderregelung geben.
Nein, natürlich nicht. Man müsste für alle an einigen Schrauben drehen. Es gibt ja auch zum Beispiel Pensionisten, die gerne weiter arbeiten würden. Aber für viele zahlt sich das gar nicht aus.
Warum hat der Prater keinen Weltkulturerbe-Status?
Sie bringen mich auf eine Idee! Hört sich gut an.
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