Von Peepshows zu Puppenhäusern: Die Geschichte der Sexarbeit in Linz
Jetzt ist Schluss. 45 Jahre hat Tina mit ihrer Reinigungsfirma „Sauber & Diskret“ in der Linzer Rotlicht-Szene gearbeitet. An ihrem letzten Arbeitstag erzählt Tina, wie sich das Sexgeschäft in Linz und Oberösterreich über die Jahrzehnte entwickelte und warum sie froh ist, dass sie jetzt in Pension gehen kann.
Soweit der Rahmen für das Theaterstück „Sex in Linz – eine Realsatire mit Herz, Humor und Tiefgang“, das am 16. 11. in der Tribüne Linz Premiere feiert. Was erwartet das Publikum und unter welchen Bedingungen arbeiten Sexdienstleisterinnen heute?
„Wer seinen Voyeurismus befriedigen will oder sich einen Soft-Porno erwartet, soll lieber daheimbleiben“, stellt Johannes Neuhauser gleich zu Beginn klar. Er ist der Autor des Stücks, Sozialarbeiter, Psychotherapeut und er drehte bereits für den ORF eine Dokumentation über Sexarbeiterinnen in Österreich und Manila. Seine Frau, Bettina Buchholz, spielt die Rolle der „Tina“.
Echte Erlebnisse
Alle Geschichten, die im Stück vorkommen, sind wirklich passiert, alle Stationen gab und gibt es tatsächlich. „Ich habe die Erlebnisse von rund 20 Menschen in einem Theaterstück verdichtet“, sagt Neuhauser.
Alles beginnt dort, wo jetzt Theater gespielt wird: im Sexkino Eisenhand. Kurz darauf eröffnet in der Linzer Goethestraße die erste Peepshow in Österreich. Dann übernimmt die Domina „Frau Eva“ das Bordell „Ostende“ und fordert bereits Anfang der 1990er-Jahre eine „Sexarbeiterinnen-Gewerkschaft“.
1997 eröffnet die Caritas die Beratungsstelle LENA für Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind oder waren. Heute leitet Elke Welser die Einrichtung.
„Wir bieten Information, Beratung und Begleitung, etwa bei Behördengängen. Und wir besuchen die Sexarbeiterinnen in Clubs, Bordellen und Laufhäusern“, erklärt die Leiterin. Mit dabei haben Sozialarbeiterinnen Kondome, Menstruationsartikel, viele Infos und sie bieten Gespräche an.
80 genehmigte Häuser in Oberösterreich
In Oberösterreich gibt es rund 80 genehmigte Häuser, dort arbeiten Frauen, die offiziell als Sexarbeiterinnen registriert sind und die verpflichtenden Testungen auf sexuell übertragbare Krankheiten vorweisen können.
Was Elke Welser von der Politik und der Gesellschaft fordert: Respekt für Sexarbeiterinnen und ein Ende der Stigmatisierung: „Die meisten Frauen arbeiten selbstbestimmt und freiwillig. Ihr Ziel ist es, sich in ihren Herkunftsländern finanziell etwas aufbauen zu können.“
Natürlich gebe es manche, die umsteigen möchten: „Dabei sind wir genauso behilflich.“ Oft sei es aber das Einkommen, an dem es scheitere. Das bestätigt Sexarbeiterin Astrid W.: „Viele Kolleginnen, etwas aus Rumänien, haben hier in der Gastronomie oder Pflege begonnen. Sie sind auf Sexarbeit umgestiegen, nachdem sie bemerkt haben, dass sie mit einem Pflegegehalt kaum Geld heimschicken können.“
Sexarbeit im Untergrund
Angesprochen auf Initiativen, die sich das schwedische Modell – Sexarbeit ist verboten, es wird der Kunde bestraft, nicht jedoch die Frau – in Österreich wünschen, sagt Elke Welser von der Beratungsstelle LENA: „Damit treibt man Frauen in die Unsichtbarkeit und Unsicherheit. Wir täuschen uns, wenn wir denken, damit ist es geregelt. Sexarbeit wird deswegen nicht verschwinden.“
Die Tätigkeit
Sexarbeit ist in Österreich eine legale, selbstständige Tätigkeit. Die Rahmenbedingungen dafür sind im Gesetz nicht einheitlich für alle Bundesländer geregelt.
Die Benennung
In OÖ ist vom „Sexualdienstleistungsgesetz“ die Rede, in Vorarlberg von „Gewerbsmäßiger Unzucht“.
Die Möglichkeiten
In OÖ sind – im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern – Haus- und Pflegeheime-Besuche erlaubt.
Wenn im Theaterstück „Sex in Linz“ Reinigungsfrau Tina in Pension geht, hat sie viel erlebt. Sie ist froh, ihr Berufsleben beenden zu können. Abgesehen von Laufhaus-Zimmern müsste sie im Jahr 2024 auch die „Liebesöffnungen“ sogenannter Sexdolls, also von Sexpuppen, reinigen. Denn die gibt es mittlerweile in Linz und Oberösterreich, sogar in eigenen Puppenhäusern – vorgewärmt und nach Kundenwunsch gekleidet.
Was will Autor Johannes Neuhauser mit dem Stück erreichen? „Es bietet die Möglichkeit, hinter die Kulissen der Sexindustrie zu schauen und nachzudenken: Wie stehe ich selbst zur Sexarbeit? Wie viel Respekt bringe ich den Menschen entgegen?“
Von der Buchhaltung zur Sexarbeit
Erfahrung. Während der Corona-Zeit wollte sich Astrid W. neu orientieren. „Ich war damals knapp vor einem Burn-out, habe mich schon seit Langem für Sexualbegleitung für Menschen mit Beeinträchtigung interessiert und deswegen dazu eine Ausbildung gemacht“, erzählt die Wienerin.
Sie habe schon immer einen offenen Zugang zur Sexualität gehabt, so die ehemalige Bilanzbuchhalterin, die jetzt hauptsächlich als Sexualbegleiterin, aber auch immer wieder als Escort oder in einem Bordell arbeitet.
Astrid W. wird von kognitiv oder körperlich beeinträchtigten Menschen gebucht, es gibt keine fixen Vorgaben: „Es kann alles passieren, angezogen kuscheln bis Geschlechtsverkehr. Das hängt von den Bedürfnissen meines Gegenübers ab.“
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