Was Sekundenkleber alles kann und warum ihn Klimaschützer verwenden

Was Sekundenkleber alles kann und warum ihn Klimaschützer verwenden
Der Erfinder der Klebstoffs wollte eigentlich etwas ganz anderes entwickeln.

In den Siebzigern erschien dieser glatzköpfige Typ im grün-weiß karierten Sakko auf dem TV-Bildschirm und erklärte das Geduldsspiel der Uhu-Generation für beendet. „Mister Superkleber“ kam, sah und versprach die sofortige Schadensbehebung. Zeigte Bruchstellen, die sich „bombenfest“ in spätestens zehn Sekunden wieder schließen. Es reicht ein Tropfen aus der Tube. Zwar faszinierend, aber aufgrund der propagierten Wirksamkeit befiel den damals naiven Anwender unwillkürlich die Befürchtung, bei unsachgemäßer Berührung für alle Ewigkeiten mit der Tischplatte verbunden zu sein. Oder gipfelte gar in der Vorstellung der ärztlich verordneten Fingeramputation.

Es wurde alles nicht so schlimm. Seine Wirksamkeit hat der Sekundenkleber, der so super und schnell ist, jedenfalls behalten. Haftet in den vergangenen Monaten im medialen Fokus, weil Menschen meinen, auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen, indem sie sich auf Straßen, in Museen an Gemälden oder unter Dinosaurierskeletten festpicken.

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Die rasante Funktion des Sekundenklebers erklärt der deutsche Chemiker Daniel Werz. Bei Berührung mit der Luftfeuchtigkeit entstehen kleine Teilchen (Monomer-Bausteine), die blitzartig lange Ketten (Polymere) bilden und als Aushärtung des Klebstoffs wahrgenommen werden. Noch anschaulicher ist sein Vergleich: „Millionen von Menschen erhalten ein äußeres Signal (Feuchtigkeit), ergreifen die Hand ihres jeweiligen Nachbarn. Die ineinander verhakten Ketten lassen sich nicht mehr leicht lösen.“

Militärische Erfindung

Aber wer hat das entdeckt? Es war der US-Chemiker Harry Coover. Er wollte eigentlich keinen Klebstoff entwickeln, sondern arbeitet 1942 an einem transparenten Kunststoff für die Zieloptik von Panzern. Das Polymer Cyanacrylat war geboren. Sein Nachteil, der sich erst Jahre später als Vorteil entpuppen sollte: Es war klebrig, sehr klebrig. Neun Jahre später scheiterte Coover abermals – als es darum ging, aus Cyanacrylat hitzebeständige Cockpithauben zu entwickeln. Aus dem verunglückten Projekt wurde eine Geschäftsidee. Eine gewinnträchtige. 1958 kam der Klebstoff Super Glue auf den Markt. Er klebte so ziemlich alles. Sogar die Wunden, im Vietnamkrieg.

Was Sekundenkleber alles kann und warum ihn Klimaschützer verwenden

Harry Coover mit Barack Obama

Wunden wollen auch die Klimaaktivisten schließen, und zwar die der Erde. Dafür nehmen manche den Sekundenkleber – in handelsüblichen Tuben. Eine Tube für eine Hand und pro Klebevorgang. Einige setzen sich noch auf die Hände – mehr Druck erhöht die Klebkraft und damit die Dauer der Polizeiaktion.

Die Polizei rückt mit Lösungsmittel an, Aceton ist ein solches. „Sie ist sehr vorsichtig“, sagt Florian Wagner von der „Letzten Generation“. Für die Loslösung der Aktivisten braucht es keine richterliche Verfügung. „Auch die Einbindung eines Arztes sieht das Gesetz nicht vor, nichtsdestotrotz werden bei den meisten derartigen Einsätzen zusätzlich Beamte entsandt, die eine besondere medizinische Schulung haben“, erklärt die Landespolizeidirektion Wien. Manchmal, so Wagner, setzen die Beamten zusätzliche ein Hartgummiband ein, um Hände vom Asphalt zu lösen.

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Klebeschäden

Die Bilder von den angeklebten Händen hat Johannes Neuhofer, Bundesfachgruppenvorsitzender für Dermatologie, schon des öfteren im Fernsehen gesehen. Und er sagt: „Einige Aktivisten werden es in ein paar Jahren möglicherweise bereuen. Zu befürchten sind Dauerschäden für Tastkörper und die feinen Nerven an der Handfläche.“ Er verstehe Protest nach vielen Lippenbekenntnissen in der Umweltpolitik, „aber die Leute sollten sich etwas anderes überlegen, als sich selber Schaden zuzufügen.“

In Deutschland steigen manche Klimaaktivisten auf Beton um. Ob das weniger schädlich ist? Höchst fraglich.

Mehr beschäftigt Wagner ohnehin die Frage, „wie der Planet bewohnbar bleiben kann. Es ärgert uns, dass vor allem die Protestform thematisiert wird.“

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