Sektenbericht: Verschwörungsgläubige sind noch radikaler geworden

Sektenbericht: Verschwörungsgläubige sind noch radikaler geworden
Die Bundesstelle für Sektenfragen hat ihren Tätigkeitsbericht für das Jahr 2022 vorgelegt.

Frau X meldet sich, weil sie Auffälligkeiten in einer benachbarten Familie wahrgenommen habe. Der Vater behauptete, Geimpfte hätten sich in Dämonen verwandelt. ... Im Jahr 2019 begann sich der Stiefvater von Herr X einer neohinduistischen Glaubensgemeinschaft zuzuwenden. ... Uns erreicht ein Anruf von Frau X, einer Mitarbeiterin in einer Hospizstation. Ein Patient hatte ihr von einem dubiosen Heiler erzählt.

Das sind drei von 14 konkreten Fallbeispielen aus dem aktuellen Tätigkeitsbericht, den die Bundesstelle für Sektenfragen am 21. Juni im Bundeskanzleramt vorgelegt hat.

Und der Befund, zu dem die Experten kommen, passt zur immer stärker werdenden Polarisierung der Gesellschaft.

➤ Das stand im Sektenbericht 2018: Esoterik, Verschwörungstheorien, Staatsverweigerer: Anfragen gestiegen

Denn auf den knapp 50 Seiten, die die weisungsfreie, konfessionell unabhängige Anstalt öffentlichen Rechts zusammengefasst hat, wird belegt, dass „Verschwörungsgläubige noch radikaler geworden sind“.

Mehr als 4.800 Gespräche

Insgesamt wickelte die Sektenstelle im Berichtszeitraum 2022 mehr als 4.800 Informations- und Beratungsgespräche mit 2.013 Personen ab. Sie ist zuständig für die Dokumentation und Information über Gefährdungen, die von „Sekten“ oder „sektenähnlichen Aktivitäten“ ausgehen. Thematisch spannte sich der Bogen von Corona bis zu Staatsverweigerern.

  • Pandemie: Wie in den beiden Jahren davor stand auch 2022 die Corona-Pandemie im Vordergrund. Vor allem die Ankündigung der Impfpflicht ab 1. Februar befeuerte Verschwörungstheorien.
     
  • Krieg: Auch der Angriff Russlands auf seinen Nachbarn sorgte für eine Flut neuer Verschwörungstheorien. So wurde etwa bezweifelt, dass es tatsächlich Krieg in der Ukraine gibt – alles nur ukrainische Inszenierung.
  • Geisterheiler: „Viele Verschwörungsgläubige interessieren sich für Esoterik“, heißt es weiter im Bericht. Die Anastasia-Bewegung, die seit 2012 Anhänger in Österreich hat, und übersinnliche Kräfte mit Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit mischt, erregte mit ihren Ansiedlungsabsichten im Burgenland für Aufsehen. Das Projekt ist gescheitert.

➤ Mehr dazu hier: "Sektenähnlich": Anastasia-Bewegung fasst im Burgenland Fuß

  • Sexismus: Zudem stellten die Experten der Bundesstelle für Sektenberatung vermehrt „Angebote, die frauenfeindliche Ideologien vertreten oder zumindest konservative Rollenbilder propagieren“, fest. Gerade in den sozialen Medien verbreiten Influencer offen chauvinistische Aussagen.
     
  • Staatsverweigerer: Mit Stand 31. Dezember 2022 wurden österreichweit rund 4.000 namentlich bekannte Personen der Szene zugerechnet. Wie gefährlich die Staatsverweigerer, die demokratiefeindliche Propaganda verbreiten bzw. Umsturzpläne schmieden, sind, „lässt sich nur schwer beurteilen“.

Insgesamt wurden in den Anfragen des Jahres 2022 genau 236 Gemeinschaften und Bereiche thematisiert, hält die Sektenstelle im Tätigkeitsbericht fest.

Und: In 431 Fällen war eine umfassende Beratung bzw. Begleitung notwendig.

➤ Mehr dazu hier: Sohn gefoltert: Für Sekten sind Kinder oft "schlecht" oder "böse"

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