Scientology: Eine Sekte, wie aus einer anderen Welt
Die Mitglieder glauben an Außerirdische, dürfen keine Schmerzen zeigen und erheben mit paramilitärischen Truppen und Geheimdiensten Anspruch auf die Weltherrschaft. Was wie der Inhalt eines Science-Fiction-Romans klingt, ist bei Scientology Realität.
Und der Vergleich mit fantastischen Geschichten ist auch erlaubt, schließlich war Gründer L. Ron Hubbard Science-Fiction-Autor, er schrieb über 220 Romane.
Obwohl Scientology eine der bekanntesten Sekten der Welt ist, wissen nur wenige, was innerhalb der Vereinigung passiert. Mitglieder wollen das nicht erzählen und Aussteiger trauen sich oft nicht. Anders ist das bei Wilfried Handl, der Jahrzehnte lang Mitglied und später der Chef von Scientology Österreich war.
Eingetreten ist er in den 1970er-Jahren, weil seine Freundin Mitglied war. "Ich wusste damals mit Anfang 20 nicht, was das Leben so bringen wird, und habe mir das angeschaut", sagt Handl.
Viele würden über Familie und Freunde in die Sekte geraten, was besonders nach einem Ausstieg bitter ist, denn wie in Handls Fall, brechen die Familien den Kontakt mit Aussteigern meist ab, der Glaube an die Sekte ist zu groß.
Die Methode, mit der Scientology das Leben der Mitglieder verbessern will, nennt sich Auditing. Das sind Gesprächssitzungen mit einem höherrangigen Mitglied, das einem über vergangene Traumata ausfragt, um diese vermeintlich auflösen zu können.
Gründung
1953 ließ Autor L. Ron Hubbard Scientology als Marke eintragen. Die Grundlage des Glaubens ist sein Buch "Dianetik".
Kosten
Die Auditing Sitzungen können zwischen 100 und mehreren Tausend Euro kosten.
Anerkennung
In den USA gilt die Sekte als Kirche, in Österreich ist sie als Verein eingetragen. Frankreich kämpft gegen die Sekte an.
Handl sagt, das laufe wie ein gutes Polizeiverhör ab. Je mehr teure Auditing-Sitzungen man macht, desto höher rückt man in dem streng hierarchischen System der Sekte auf.
Dunkle Geheimnisse
Irgendwann weiß Scientology dadurch über alle dunklen Geheimnisse der Mitglieder Bescheid – ein Druckmittel, das viele am Ausstieg hindert. Hat man nach vielen Sitzungen dann die höchste Stufe erreicht, wird einem Abenteuerliches aufgetischt: "Es wird einem erklärt, dass vor 75.000.000 Jahren ein Außerirdischer namens Xenu körperlose Wesen an alle Menschen angehaftet hat. Die sind dann dafür verantwortlich, wenn man zum Beispiel Schmerzen hat", sagt Handl.
Schmerzen sind bei Scientology ohnehin verpönt, hat man trotzdem welche, ist es verboten zu schreien oder zu jammern. Das darf man übrigens nicht einmal während der Geburt.
Handl glaubt nicht, dass alle Mitglieder an die Geschichte von Xenu glauben. Zu dem Zeitpunkt, an dem man sie aufgetischt bekommt, sei man aber schon so eng in dem Konstrukt der Sekte verwoben, dass man nur schwierig herauskommen kann.
Wie viele Mitglieder hat Scientology?
Ein Erfolgsrezept von Scientology sind auch Prominente, die als Aushängeschilder eingesetzt werden – allen voran Schauspieler Tom Cruise. Aufwendig inszenierte Treffen, bei denen Cruise Reden hält, haben aber nicht mehr denselben Effekt wie früher, denn prominente Aussteiger, wie Schauspielerin Leah Remini, warnen öffentlich vor Scientology.
Insider Handl schätzt, dass es weltweit nur zirka 100.000 bis 200.000 Mitglieder gibt – obwohl Scientology selbst von Millionen berichtet.
Die Weltherrschaft zu übernehmen – ein erklärtes Ziel der Sekte – wird mit dieser Mitgliederzahl eher schwierig. Eine paramilitärische Truppe auf See und Geheimdienste leistet man sich trotzdem. "Die sind auch in Wien aktiv", sagt Handl und ergänzt, dass dieser Bericht sicher auch geheimdienstlich bearbeitet werden wird.
Verdeckte Scientology-Werbung als Problem
Scientology ist immer noch in Österreich aktiv. Der Hauptsitz der Sekte ist in Wien. Krisenzeiten, wie wir sie derzeit erleben, sind laut Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen auch immer "gute" Zeiten für Sekten.
Menschen würden nach Gruppierungen suchen, die ihnen einen Ausweg in einer schwierigen Situation zeigen können. Wie sehr Scientology im Moment davon profitiert, sei aber schwierig einzuschätzen. "Man hat keinen Einblick in Mitgliederlisten und weiß nicht, wie aktiv welche Mitglieder tatsächlich sind", sagt die Expertin.
Geschätzt wird die Zahl der aktiven Mitglieder Österreich derzeit auf zirka 200 bis 300. Das größte Problem mit der Sekte seien laut Schiesser die vielen Vorfeldorganisationen der Sekte. "Einer der Hauptkritikpunkte, die an uns herangetragen werden, ist, dass Scientology unerkannt wirbt. Sie stehen zum Beispiel an der Mariahilfer Straße und bieten einen Stresstest an. Dass Scientology dahinter steht, ist nicht zu erkennen."
Schulen werden angeschrieben
Die Kurse, die das Leben verbessern sollen, seien am Anfang recht günstig. "Es kommt dann aber vor, dass man erst während des Kurses bemerkt, dass man in einer Scientology-Veranstaltung sitzt", sagt Ulrike Schiesser.
Im vergangenen Jahr wurden laut der Expertin sogar Schulen von verdeckten Scientology-Organisationen angeschrieben. "Es wurden Angebote für Workshops zur Drogenaufklärung angeboten. Auf den ersten Blick war es da überhaupt nicht sichtbar, dass Scientology dahinter steht." Auch Großveranstaltungen, wie das Donauinselfest, würden gerne als Ort für Werbung genutzt.
Misstrauisch werden sollte man immer, wenn Bücher von L. Ron Hubbard ausgelegt und empfohlen werden. "Da steht immer Scientology dahinter", weiß Schiesser.
In Österreich ist die Sekte als Verein eingetragen. Gesetzlich härter gegen Scientology vorzugehen, hält die Expertin nicht für notwendig. "In unserer Demokratie ist es ein ganz wichtiger Grundsatz, dass Menschen das Recht auf ihren eigenen Glauben haben. Wenn es keine strafrechtlichen Probleme gibt, dann muss man in einer liberalen Gesellschaft den Bürgern zumuten können, selbst zu entscheiden."
Den eigenen Namen zu verstecken, wie Scientology das macht, sollte laut Schiesser aber im Sinne des Konsumentenschutzes verboten oder zumindest strenger geahndet werden.
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