Schwedische Erfolgsrezepte: Was NÖ vom hohen Norden lernen will

Man kann nicht anders, als zu staunen. Der Frachter ist beladen mit unzähligen Containern, die in die ganze Welt verschifft werden. Von dem kleinen Boot aus, das im Hafen vor Göteborg über die Wellen tuckert, muss man sich den Hals verrenken, wenn man dessen Dimensionen voll erfassen will.
Ja, Export können sie, die Schweden. Und zwar im ganz großen Stil. Bis nach China fahren die Schiffe, in denen sich auch jede Menge Autos befinden. Nicht weniger beeindruckend sind die Fortschritte in Sachen Nachhaltigkeit, die das Land im hohen Norden vorweisen kann. Laut dem aktuellen „Sustainable Development Report“ liegt Schweden hinter seinem Nachbarland Finnland an zweiter Stelle, wenn es darum geht, das nachhaltigste Land der Welt zu sein.
Und wer nach Innovation in Sachen Künstlicher Intelligenz sucht, der ist in der Heimat von Großkonzernen wie Ikea und H&M goldrichtig. Es wurde sogar ein nationales Zentrum – AI Sweden – gegründet, um das Thema voranzutreiben. 140 Partner aus verschiedenen Sektoren und die Wissenschaft arbeiten Seite an Seite daran, auch hier die Nase vorne zu haben.
Gemeinsame Ziele
Viele gute Gründe also, um den Schweden über die Schulter zu schauen. Und genau das machten Vertreter der niederösterreichischen Wirtschaft, sowohl in Stockholm als auch in der Hafenstadt Göteborg.
„Nachhaltigkeit, erneuerbare Energien, Elektromobilität – daran führt kein Weg vorbei“, zieht Jochen Danninger, Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsagentur ecoplus und ÖVP-Klubobmann im Landtag, nach drei Tagen in Schweden Bilanz. Ein Bewusstsein, das bei vielen Unternehmen in Niederösterreich noch zu wenig ausgeprägt sei. Ebenso wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, auch wenn das Interesse der Firmen daran stetig steige. „Ich habe nicht die Illusion, dass das von heute auf morgen geht, aber ich will nicht, dass wir diesen Zug versäumen.“
Österreich ist den Schweden "sympathisch"
Wobei Österreich und Schweden weit mehr gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick scheint. „Laut einer Untersuchung ist Skandinavien, insbesondere Schweden, ein Markt, in dem für uns noch viel Potenzial liegt“, sagt Christian Moser, Vizepräsident der Wirtschaftskammer NÖ. Denn Österreich ist für viele Schweden vor allem eines: sympathisch. Aufgrund positiver Erfahrungen durch gegenseitigen Tourismus, aber auch durch Ähnlichkeiten in der Mentalität, der Kultur und der Traditionen. Hinzu kommt, dass die Länder sich auch in der Größe und der Struktur der Wirtschaft gleichen. Denn der Export ist für beide Staaten essenziell; Österreichs Unternehmen verdienen jeden zweiten Euro durch Export, Schweden muss aufgrund seiner Randlage eifrig Waren ein- und ausführen.
„Eines dürfen wir uns nie vormachen: Dass Österreich ohne Handelsverträge, als eine Festung, irgendwie überleben könnte“, betont Kari Ochsner, Präsident der niederösterreichischen Industriellenvereinigung. Darum ging es bei den Besuchen beim Energieunternehmen Vattenfall, bei Schwedens Verkehrsverwaltungsbehörde Trafikverket, dem Lindholmer Science Park und der Volvo Group auch darum, Kontakte zu knüpfen.
Austritt Großbritanniens hinterlässt eine Lücke
„Die Schweden suchen genauso wie Österreich nach Kooperationen“, weiß Martin Glatz, Wirtschaftsdelegierter in Skandinavien. Vor allem der Verlust des Handelspartners Großbritannien hätte eine Lücke in der Wirtschaft des Landes hinterlassen. Und nicht zuletzt sei ein Schulterschluss auch im Hinblick auf die Position der Länder in der Union sinnvoll; mit Schweden im Boot hätte Österreich jedenfalls einen Partner mit ähnlichen Interessen.
„Die Schweden haben verstanden, wie wichtig es ist, nachhaltig zu arbeiten“, sagt Karen Fanto, Director of International Markets bei Berndorf Bäderbau. Das Unternehmen aus dem Bezirk Baden fertigt Edelstahlpools aus 90 Prozent recyceltem Material, eine Erfindung aus Österreich. In Schweden bearbeitet man den Markt so intensiv, dass man einen eigene Filiale in Stockholm mit Monteuren vor Ort gegründet hat. „Becken mit Fliesen werden nicht mehr dicht, unsere Becken sind mindestens 50 Jahre haltbar“, macht Fanto klar. In Schweden sind daher vor allem Kommunen und Hotels daran interessiert, Frei- und Hallenbecken aus NÖ zu verbauen.
Was Fanto an den Partnern in Schweden schätzt? Freundlichkeit, gepaart mit Effizienz. „Der Schwede hat es gerne ein bisschen in Watte gepackt. Dazu passt unsere Art, manchmal sehr schnell zum Punkt zu kommen, nicht“, schildert sie.
Um 16 Uhr ist Schluss
Was die Schweden aber nicht davon abhält, pünktlich nach Hause zu gehen; für die meisten von ihnen ist um 16 Uhr Arbeitsschluss, dann gehört die Zeit der Familie. „Und trotzdem pro Kopf höheres Bruttonationalprodukt als wir zu haben, finde ich eine Vorlage an Effizienz.“ Von lediglich 30 Prozent Staatsschulden ganz zu schweigen. Was den Alltag für Unternehmer leichter macht: „Man ist in Sachen Digitalisierung recht weit“, so Fanto.
Auch für Wolfgang Ganster, Geschäftsführer von Deltabloc International, ist klar: „Ich kann Schweden als Handelsplatz nur empfehlen.“ Das Unternehmen mit Sitz in Wöllersdorf (Bezirk Wiener Neustadt-Land) fertigt Betonleitwände und Lärmschutzwände für Straßen. Deltabloc hat international Lizenzen vergeben, denn für den Transport sind die Produkte schlichtweg zu schwer. In Schweden hat man sich in Helsingor an der Westküste angesiedelt, von wo aus man gut den nordeuropäischen Raum abdecken könne.
„Die Schweden bauen auch im Geschäftsbereich Beziehungen auf, eine Vertrauensbasis ist ihnen total wichtig“, so seine Erfahrungen. Entspanntheit gepaart mit hoher Professionalität zeichne die Partner im Norden aus. Trotz eines hohen Digitalisierungsgrades müsse man als Unternehmer allerdings Geduld mitbringen, was behördliche Genehmigungen anbelange.
Schwedens „positiver Nationalstolz“ könne Österreich als Vorbild dienen. „Die Schweden sind stolz auf ihre wirtschaftliche Entwicklung, auf ihre Marken. Sie sind stolz, zu zeigen, dass sie innovativ sind, und kombinieren das mit Marketing. In dieser Hinsicht schlägt sich Österreich unter Wert“, findet Ganster. Auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz sei es höchste Zeit für Österreich, nachzuziehen.
Kommentare