Schuldgefühl ist „härtere Strafe“

Martina B. wohnte den ersten beiden Prozesstagen gegen ihren Mann bei. „Für mich ist klar: Er hat das nicht mit Absicht gemacht“
In Ungarn steht Thomas B. wegen Mordes vor Gericht. Seine Frau verteidigt ihn.

Martina B., 37, saß im Regionalgericht Szeged in Südungarn in der ersten Reihe, als Justizwachebeamte ihren Ehemann angekettet und in Handschellen in den Saal führten. Am 11. Oktober des Vorjahres überfuhr und tötete Thomas B. einen Motorradpolizisten. Er spricht von einem Unfall, der Staatsanwalt von Mord. Dem Salzburger droht lebenslange Haft. Weit schlimmer als das drohende Haftübel sei für ihn die Gewissheit, jemanden getötet zu haben, erzählt die Fahrschullehrerin.

KURIER: Am ersten Prozesstag waren die Kameras auch auf Sie gerichtet. Wie gehen Sie damit um, als Ehefrau des mutmaßlichen Polizistenmörders tituliert zu werden?
Martina B.:
Für mich ist klar: Er hat das nicht mit Absicht gemacht. Die Wahrheit muss ans Licht kommen. Klar ist auch, dass er Rückhalt von zu Hause braucht.

Weil das hier auch angebracht ist: Alle reden über Ihren Ehemann, aber niemand über den getöteten Polizisten. Was wissen Sie über den Beamten?
Über sein Leben weiß ich nichts. Ich halte es auch für unangebracht, den Kontakt zu den Hinterbliebenen zu suchen. Es ist tragisch und traurig, dass jemand ums Leben gekommen ist. Mein Mann macht sich sehr schwere Vorwürfe. Dass er ihn überfahren hat, hat ihn weit schlimmer getroffen als alles andere. Es ist natürlich schwer, mit dieser Tatsache und dem Schuldgefühl zu leben. Das Wissen, dass er jemanden getötet hat, ist sicher die härtere Strafe als das, was jetzt noch kommen kann. Denn mit seiner Situation wird er sich abfinden können, die Erinnerung wird ihm bleiben.

In Ungarn ist Ihr Mann beinahe ein Staatsfeind. Verstehen Sie die Emotionen?
Um ehrlich zu sein: ja. Es ist schlimm, dass ein Mann sterben musste. Das verstehe ich. Die Vorverurteilung in den Medien ist eine andere Sache. Da fehlt mir das Verständnis. Vieles, was berichtet wurde, steht mit keinem Wort in der Anklage. Etwa das Märchen von den Drogen, die im Spiel gewesen sein sollen.

Sie durften anfangs telefonieren, ihn dann auch besuchen.
Das erste Mal habe ich ihn nach viereinhalb Wochen in einem Gefängnisspital besucht. Mich hat ein Beamter bis zu einem Kämmerchen begleitet, in dem mein Mann gewartet hat. Wir sind eine Stunde dort gesessen, ohne Beobachtung.

Was war Ihr erster Gedanke?
Ich habe mich gefreut, dass er noch lebt (er wurde mehrfach angeschossen, Anm.). Und, dass er trotz allem noch zuversichtlich ist.

Was hat er Ihnen erzählt?
Dass er panische Angst hat, weil er nicht weiß, wie es weitergeht. Er hat sich Sorgen um mich und um die Kinder gemacht, und darüber, wie der Anwalt finanziert wird.

Welchen Eindruck haben die ersten beiden Prozesstage bei Ihnen hinterlassen?
Das möchte ich auch klarstellen: Was ich mitbekommen habe, ist der Richter sehr daran interessiert, die Wahrheit zu finden. Der Richter will wirklich wissen, was da passiert ist. Er leitet das Verfahren sehr korrekt. Die Zeugen hat er bis ins Detail befragt und sie nochmals für kommenden Dienstag geladen.

Stichwort Pfefferspray: Ihr Mann sagt, er sei kurz vor dem Vorfall damit attackiert worden und blind losgefahren. Entscheidend wird sein, ob er das auch beweisen kann. Der besagte Polizist streitet das ab. Und eine Chemikerin fand keine Spuren am Gewand oder im Auto.
Das Gutachten ist ja erst zwei Monate später gemacht worden. Vom Pfefferspray hat er von Beginn an erzählt. Komisch ist schon auch: Am zweiten Prozesstag hat ein ungarischer Polizist gesagt, er habe später, während der Festnahme, doch seinen Pfefferspray gegen meinen Mann eingesetzt. Und zwar durch einen Spalt der Fahrertür. Dann hätte doch die Gutachterin etwas finden müssen, oder?

Sie beobachten den Prozess nicht alleine ...
... der österreichische Konsul war da. Er ist sehr interessiert und engagiert. Im Außenministerium ist man auch sehr korrekt und hilft, wenn man kann.

Am Dienstag hatten Sie in einer Prozesspause zehn Minuten Zeit, um mit Ihrem Mann zu reden. Was spricht man in so einer Situation?
Ich habe mich zu ihm auf die Anklagebank gesetzt und ihm gesagt: Schau mich mal an und atme bitte tief durch.

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