Das Verschwinden der Schlepplifte: Wie der Klimawandel kleinen Skigebieten zusetzt
Innerhalb von 10 Jahren wurde ein Viertel dieser Aufstiegshilfen abgebaut. Zahlen dokumentieren den schleichenden Tod kleiner Skigebiete in niedrigen Lagen, denen der Schnee ausgeht
Die Buchungslage in Österreichs Wintertourismusregionen ist trotz der Wirtschaftskrise im Land und am wichtigsten Gästemarkt Deutschland sehr gut. Und mitten in den Beginn der Weihnachtsferien hinein hat es in den westlichen Bundesländern, also dort, wo die größten Skigebiete liegen, kräftig geschneit.
Reinhard Klier, Sprecher der Tiroler Seilbahnwirtschaft kann sich den Brief ans Christkind also getrost sparen.
"Ziemlich optimistisch"
„Viel mehr kann man sich nicht wünschen“, sagt der Chef der Stubaier Gletscherbahnen. Und zeigt sich für die Saison „ziemlich optimistisch“. Die Debatten um Schneemangel bleiben ihm und seinen Kollegen zumindest zum Auftakt der Skisaison erspart.
Die Gletscherskigebiete konnten heuer aufgrund eines frühen Wintereinbruchs im September sorgenfrei starten. Auch Klier öffnete seine Liftanlagen 20 Tage früher als geplant, nachdem er noch im Vorjahr aufgrund der mageren Schneelage „so spät wie noch nie“ gestartet war.
Dass die aktuellen Prachtverhältnisse nicht alle Sorgen zudecken können, weiß auch der Unternehmer, der 2011 mit erst 31 Jahren als jüngster Seilbahnchef Österreichs den Vorstandsvorsitz im Skigebiet seiner Familie übernommen hat: „Wir stecken mitten im Klimawandel.“
Der lässt sich auch an Zahlen ablesen, die das Verkehrsministerium für den KURIER ausgehoben hat. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass sich darin kein großes Skigebietssterben in Österreich ablesen lässt.
Zahl der Schlepplifte im Sinkflug
In den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der Gondelbahnen und Sessellifte von 1.101 auf 1.116 sogar gestiegen. Aber im selben Zeitraum ist gleichzeitig jeder vierte Schlepplift im Land abgebaut worden. Also jene Aufstiegshilfe, die für Generationen von Anfängern die Einstiegshilfe in den Ski- und Snowboardsport war.
Gab es 2015 in ganz Österreich noch 1.840 Schlepplifte, sind es inzwischen nur noch 1.415.
„Die Klimakrise rüttelt auch an der Grundlage unseres Wintertourismus. Immer wärmere Temperaturen bedeuten immer weniger Schnee und den massiven Einsatz von teuren Beschneiungsanlagen. Das ist eine dramatische Tatsache. Die laut diesen Zahlen gerade für kleine, niedrigere gelegene Ski-Gebiete immer öfter zu einer existenziellen Herausforderung wird“, kommentiert die scheidende Verkehrs- und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) diese Entwicklung.
In ihrem Ministerium sieht man zwei Gründe für das Verschwinden der Schlepplifte. Zum einen würden derartige Anlagen im Zuge der Modernisierung in Skigebieten durch modernere, andere Seilbahntypen ersetzt.
Da aber die Zahl der Seilbahnen insgesamt kaum gestiegen ist, seien die Daten ein Indikator dafür, dass „kleine Skigebiete auf niedriger Seehöhe, die oftmals nur über einen oder wenige Schlepplifte verfügen, mangels Wirtschaftlichkeit schließen müssen.“
Und zwar, weil ein Betrieb aufgrund der zunehmend geringeren Schneemengen nicht mehr oder nur mehr unwirtschaftlich möglich ist.
Regionale Aufschreie
Im Ministerium wird nur erfasst, welche Anlagen dauerhaft ihren Betrieb eingestellt haben, nicht aber, wie viele Skigebiete dahinter stecken. Doch die regionalen Aufschreie, wenn ein beliebtes Skigebiet in Schieflage gerät oder ganz aufgeben muss, sind immer öfter zu hören.
Und fast immer stecken schneeärmere Winter hinter dem Sterben. Die wurden etwa 2021 als Grund angeführt, als am Pfänder – dem Hausberg von Bregenz – der Skibetrieb eingestellt wurde. Weniger Skitage und zugleich großer, kostenintensiver Beschneiungsaufwand, der sich nicht in wettbewerbsfähige Kartenpreise übertragen lässt, haben heuer auch die Skilifte Schetteregg im Bregenzerwald in eine kritische Lage gebracht.
Beispiele wie diese gibt es quer durch Österreich – praktisch durchwegs von Skigebieten in niedrigen Lagen, wo die Schlepplifte oft das Maß der Dinge sind oder waren – und ihr Verschwinden einen Trend zeigt.
Auf für die Bürgermeisterlifte
„Das betrifft vor allem die Tallifte, also die klassischen Bürgermeisterlifte, mit denen man im Dorf auf einen Hügel gekommen ist“, sagt Klier. Den Verlust von einem derart einfachen Zugang zum Skisport sieht auch er kritisch. In Tirol versuche man etwa, mit Schulskiaktionen dagegenzuhalten.
Was das Verschwinden der Schlepplifte betrifft, teilt der Seilbahnsprecher die Analyse des Ministeriums grundsätzlich. Hinter den Zahlen stünden zum einen Kleinstskigebiete, denen es an Gästebetten fehlt und die deshalb aufgeben.
In großen Skigebieten wiederum würden oft zwei Schlepplifte zu einer Sesselbahn zusammengefasst. Und dann sei da eben noch „die klimatische Entwicklung in tiefen Lagen“ unterhalb von 1.500 Metern.
Zumindest in Tirol liege aber ein Großteil des Angebots darüber. Kritisch könne es aber in den kommenden 30 Jahren für „die eine oder andere Talabfahrt“ werden. Im Osten Österreichs liegen in derart kritischen Höhen freilich ganze Skigebiete.
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