Schlepperei mit angemessenem Fuhrlohn bleibt straffrei

Justizminister Wolfgang Brandstetter plant Reform
Oberster Gerichtshof: Wenn die "unrechtmäßige Bereicherung" fehlt, können die Fahrer nicht verurteilt werden

Am 14. September wollen die EU-Innen- und Justizminister bei einem Sondertreffen über schärfere Maßnahmen gegen Schlepper beraten. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat angekündigt, die Kriterien für die Höchststrafe von zehn Jahren Haft und die U-Haft für Schlepper neu zu regeln.

Ein bisher kaum beachtetes Grundsatzurteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) steht noch nicht auf der Tagesordnung. Es besagt, dass sich Schlepper-Fahrer nicht strafbar machen, wenn sie von den Flüchtlingen bloß den angemessenen Fuhrlohn kassieren. In dem Fall fehlt es nämlich an der unrechtmäßigen Bereicherung und damit an der Grundlage einer Verurteilung.

Ein Italiener hatte bei zwei Fahrten fünf libanesische und neun syrische Staatsangehörige von Italien über Österreich nach Deutschland transportiert. Die Geschleppten hatten dem Chauffeur dafür insgesamt 2000 Euro gezahlt. Der Schlepper wurde im Landesgericht Innsbruck zunächst verurteilt, das Höchstgericht verlangte aber einen neuen Prozess: „Das Erhalten eines adäquaten Fuhrlohns für Transportdienste stellt auch hier keine unrechtmäßige Bereicherung dar“, befand der OGH. Das Erstgericht müsse dem eingehobenen Entgelt die Höhe des angemessenen Fuhrlohns gegenüberstellen. Nur wenn daraus „eine Überzahlung resultiert, kann man von einem auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz ausgehen“. Das Gericht konnte keine Überzahlung feststellen und sprach den auch wegen Gewerbsmäßigkeit und als Mitglied einer kriminellen Vereinigung angeklagten Italiener von allen Punkten frei.

Debatten

Laut Gerichtssprecher Klaus Jennewein löste die Vorgabe des OGH unter den Richtern heftige Debatten aus. Nicht nur in Tirol. Auch in einem Schlepperverfahren in Eisenstadt bemängelte der OGH, dass im Urteil Feststellungen zu einem von den geschleppten Personen geleisteten Entgelt zur Gänze fehlen. In einem zweiten Punkt wurde nicht „mit hinreichender Deutlichkeit“ geklärt, in wie weit die Zahlungen der Emigranten in Höhe von insgesamt 1000 Euro vom Vorsatz des Angeklagten auf unrechtmäßige Bereicherung umfasst waren.

Mit dieser Auslegung des betreffenden Paragrafen 114 FPG (Fremdenpolizeigesetz) wird der Strafbarkeit der Schlepperei in einer Vielzahl von Fällen der Boden entzogen. Zumindest was die Chauffeure betrifft. Lässt sich nachweisen, dass die Geschleppten für die gesamte Organisation der Schleppung (inklusive Fuhrlohn) an die kriminelle Schlepper-Vereinigung Tausende Euro gezahlt haben, ist eine Verurteilung freilich möglich.

Unter den Strafverteidigern, die Schlepper-Chauffeure vertreten, hat sich das OGH-Urteil noch nicht herumgesprochen. Andreas Strobl sagt: „Mit dem Urteil kann man fast alles aushebeln.“

Kollege Johannes Schriefl will seine Fälle nun auf die Richtlinien des Höchstgerichts abklopfen. Einer seiner Klienten, ein in Ungarn lebender Rumäne, hat Flüchtlinge für 300 Euro von Budapest nach München geschleust. Das könnte ein „angemessener Fuhrlohn“ sein.

Mehr zum Thema:

Kommentare