Der Rückmarsch gestaltete sich dann als noch größere Tortur. In der Dunkelheit musste er in einer steilen Wand, auf einem tellergroßen Platz stehend, ein notdürftiges Biwak halten. Ohne Schutz, ohne zusätzliche, wärmende Überbekleidung und ohne Flüssigkeit. Den Rucksack hatte er beim Aufstieg 400 Meter tiefer auf dem Silberplateau deponiert. Nur auf seine Skistöcke gestützt, versuchte er, bis zum Morgen zu überleben. Immer wieder überkam ihn jähe Müdigkeit und er konnte sich kaum auf den Beinen halten.
Halluzinationen
Auf die Frage eines Radioreporters spielt Buhl später diese Nacht herunter: „Es war gar nicht so schlimm, ich bin dem Biwak sehr gleichgültig gegenübergestanden, wie sonst kaum bei einer Bergfahrt.“ Am nächsten Morgen kroch Buhl zeitweise auf allen vieren, begann zu halluzinieren, hörte immer wieder Stimmen von Begleitern. Er war vollkommen am Ende, half sich wieder, wie schon beim Aufstieg, mit dem Aufputschmittel Pervitin.
Europaweit feiert man Hermann Buhl danach als großen „Bergsteigerstar“. Der Mann, der ganz alleine den Nanga Parbat bezwang, wird in Österreich zum Sportler des Jahres gewählt und verdient endlich ausreichend Geld mit Vortragsreisen.
Der Buhl war weltweit der beste Kletterer seiner Zeit – und außerdem ein äußerst zäher Bursche, trainiert durch harte Wintertouren in den Alpen. Diesen unglaublichen Alleingang mit den schweren Kletterstellen unter dem Gipfel hätte damals kein anderer geschafft, beurteilt auch Reinhold Messner (siehe rechts) heute die unglaubliche Leistung seines großen Vorbildes.
Hermann Buhl wird am 21. September 1924 in Innsbruck geboren. Nach dem frühen Tod der Mutter steht der Vater auf einmal alleine mit vier Kindern da. Hermann und sein Halbbruder Siegfried müssen zunächst ins Waisenhaus, später nehmen auch ihn Verwandte auf. Nach dem Hauptschulabschluss und einer Lehre als Speditionskaufmann beginnt er regelmäßig zu klettern. Obwohl er sehr schmächtig ist, gelingen ihm durch beharrliches, hartes Training schon bald in den Wänden des Karwendels und im Wilden Kaiser Touren bis zum damals magischen VI. Schwierigkeitsgrad.
Per Fahrrad in die Schweiz
Nach dem Krieg schlägt er sich mühsam mit Gelegenheitsjobs durch und beginnt, mit dem Ersparten seine Bergführerausbildung zu finanzieren. In diesen Jahren trainiert er mit harten Winter-Erstbegehungen in der Heimat für spätere große Touren in den Westalpen. Um zu sparen, fährt er mit dem Fahrrad zu den großen Wänden in Südtirol oder in der Schweiz. 1951 heiratet Hermann Buhl Eugenie Högerle aus Ramsau am Watzmann, im gleichen Jahr kommt Kriemhild, die erste von drei Töchtern, auf die Welt. Buhl arbeitet als Berufsbergführer und als Bergsportartikelverkäufer, um die Familie zu ernähren. In dieser Zeit wiederholt und eröffnet er eine Vielzahl schwerer Routen in den Alpen.
1953 dann endlich der immer erträumte Himalaya. Hermann Buhl wird von Karl Maria Herrligkoffer zur Willi-Merkl-Gedächtnisexpedition eingeladen, die den Nanga Parbat bezwingen will. Dafür trainiert er wieder wie besessen. So steigt er an einem Februarabend in die verschneite und vereiste 1.800 Meter hohe Watzmann-Ostwand und durchklettert sie als Erster im Winter und bei Nacht alleine den schwierigen Salzburger-Weg.
Der zweite Achttausender
1957 geht er mit einer kleinen österreichischen Expedition, bestehend aus vier Mann zum Broad Peak, um den 8.047 Meter hohen Berg erstmals zu besteigen. Marcus Schmuck und Fritz Wintersteller steigen als Erste auf, Hermann Buhl und Kurt Diemberger folgen ihnen als zweite Seilschaft. Buhl ist bei diesem Aufstieg müde und die Erfrierungen von früher machen ihm zu schaffen. Diemberger geht die letzten Meter zum Gipfel alleine, befindet sich schon wieder auf dem Rückweg, als Buhl immer noch aufsteigt. Vom Freund noch einmal begleitet, schafft er seinen zweiten Achttausender, und das im Alpinstil, ohne große Logistik.
Die beiden wollen im Anschluss die 7.654 Meter hohe Chogolisa wie einen Alpengipfel besteigen, doch auf ungefähr 7.300 Metern müssen sie wegen plötzlichen Schlechtwetters umdrehen. Beim Abstieg spürt Diemberger plötzlich einen Schlag, der die Schneefläche erzittern lässt, er springt zur Seite, dreht sich um, aber da ist niemand mehr hinter ihm. Beim Zurücksteigen sieht er nur noch die Spur Hermann Buhls bis zur Kante der abgebrochenen Schneewechte.
Der berühmte Bergsteiger muss bis zum Wandfuß abgestürzt und von den Schnee- und Eismassen begraben worden sein.
Er wird bis heute nicht gefunden.
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