Salzburgs neuer Energieboss im großen Interview

Sie haben in einer schwierigen Zeit übernommen. Gibt es eine Art erste Zwischenbilanz?
Eine Zwischenbilanz ist zu groß gegriffen. Was es auf jeden Fall gibt, ist ein erster Eindruck. Ich habe die ersten Wochen dazu genutzt, möglichst viele Standorte zu sehen. Was ich aus diesen Begegnungen mitgenommen habe, ist, dass wir sehr viele leidenschaftliche Mitarbeiter haben, deren Power wir jetzt dringend brauchen.
Gibt es in Salzburg am Energie-Sektor Spezifika im Vergleich zu anderen Bundesländern? Parallelen, Unterschiede?
Ich kenne die Branche schon seit 16 Jahren. Was aus meiner Sicht letztendlich heraussticht: Man hat in Salzburg die Spielräume eines Unternehmens in der Preisdiskussion sehr kundenorientiert und sehr weitreichend genutzt. Die Maßnahmen wie der Stromkostenzuschuss, den die Salzburg AG selbst für Kundinnen und Kunden mit Stromheizung oder Wärmepumpen ohne eigenen Zähler ausgesprochen hat, sind wichtige Beispiele dafür.
Wir haben aber trotzdem noch Kundinnen und Kunden, wo diese Systeme nicht oder zu wenig greifen. Wir kümmern uns darum, das Netzwerk rund um diese Kunden jetzt enger zu knüpfen.
Es gab eine Beschwerdeflut, weil Sie bei 80.000 Stromkunden die monatlichen Teilbeträge erhöhen. Wir erklären Sie das Betroffenen?
Es ist ein Irrglaube, zu meinen, ein Geschäftsführer könne freihändig Preise bestimmen. Es gibt enge Vorgaben. Man kauft langfristig ein, weil das eine möglichst breite Risikostreuung bedeutet. Preisentwicklungen kommen dadurch zeitverzögert beim Kunden an. Kurzfristige Lockangebote sind nicht unser Modell, weil es auf Dauer keinen Bestand haben kann.
Wenn wir jetzt nicht die monatlichen Teilzahlungsbeträge anpassen, würde das im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Kunden später große Nachzahlungen haben. Das wäre der ganz falsche Weg.
Zu 70 Prozent fallen die Kunden mit ihrem Bedarf in der Strompreisbremse des Bundes. Die Hilfen, die es gibt, sind teilweise zu kompliziert nachzuvollziehen. Wir sehen unsere Aufgabe auch im Knüpfen weitere Netzwerke. Wir sind mit der Caritas in Kontakt oder haben auch mit Energieberatern schon einfache Lösungen gefunden. Es gibt nicht den einen großen Wurf, der alle Probleme löst. Man muss jetzt genau hinschauen. Es können auch Ratenzahlungsvereinbarungen helfen.
Eine Besonderheit ist in der Salzburg AG die zugehörige Verkehrssparte. Hier soll es zur Ausgliederung kommen?
Mit dem Begriff Ausgliederung habe ich keine Freude. Es soll eine 100-Prozent-Tochter der Salzburg AG gegründet werden. Auch die Mitarbeiter sind zu hundert Prozent Salzburg AG. Es gibt verschiedene (europa)rechtliche, aber auch strategische Gründe, warum das notwendig ist.
Wir wollen eine Struktur schaffen, die Transparenz und Rechtssicherheit bringen wird. Es steuert ein Beirat, der nur von Stadt und Land besetzt wird. So wird garantiert, die öffentliche Aufgabe alleine in der Region wahrgenommen wird.
Ist es möglich, so Schwächen, wie beispielsweise im bereits ausgedünnten Obusnetz, besser auszugleichen?
Ich glaube schon fest daran, dass mit einer klareren Struktur eine gute Grundlage geschaffen wird. Aber was schon klar ist, es fährt nur wegen der Gesellschaftsgründung kein Bus zusätzlich und wir haben auch keinen Mitarbeiter zusätzlich.
Stichwort: Soziale Verantwortung. Sie haben auch Sozialwirtschaft studiert, zählen also nicht nur möglichst hohe Gewinne?
Ich sehe die Salzburg AG als regional verankertes Unternehmen in mehrerer Hinsicht in der Verantwortung. Wir müssen mit den Kundinnen und Kunden gemeinsam durch diese Krise. Hier groß Kassa zu machen, wäre völlig kurzfristig gedacht. Wir wollen unsere Kunden nicht für 20 Tage, sondern für 20 Jahre.
Die hohen Neukundentarife wurden massiv diskutiert. Warum macht man das?
Seit 1.1. 2023 haben wir keinen eigenen Neukunden-Tarif mehr. Wenn man langfristig einkauft, kauft man soviel wie man glaubt, dass man für die Kunden braucht. Wenn Kunden von Lockvogelangeboten zurückströmen und für sie kein Strom da ist und Sie als Energieversorger billig verkaufen, sind Sie schnell in einer millionenhohen Verlustsituationen.
Wie sieht es mit der Preisentwicklung beim Gas aus?
Beim Gaspreis liegen wir signifikant unter anderen Anbietern. Unser Bemühen ist es, dass wir den Tarif möglichst lang über die Heizperiode hinaus so stabilisieren können. Eine klare Aussage dazu ist noch nicht möglich.
Wie ist die finanzielle Situation der Salzburg AG?
Es gilt natürlich, auf Sicht zu fahren. Ich werde mir den Jahresabschluss von 2022 ganz genau anschauen. Ich rechne in diesem energiewirtschaftlich anspruchsvollen Jahr mit keinen Rekordgewinnen. Die Maßnahmen haben Geld gekostet. Ich kann aber noch keine Prognose abgegeben.
Stichwort Innovation: In welche Richtung soll es in der Salzburg AG gehen?
Die langfristige Grundaufstellung mit Fokus auf Digitalisierung und Ausrichtung auf erneuerbare Energie ist richtig. Wir werden uns aber auch ohne Tabu anschauen, ob wir überall richtig unterwegs sind. Ich sehe drei Schwerpunkte, wo man akzentuieren sollte. Ganz grundsätzlich ist mir der Fokus auf Kunden wichtig. Zweitens will ich Menschen als Mitarbeiter begeistern und an die Salzburg AG binden. Die Krise hat auch gezeigt, dass die regionale Verantwortung nicht zu unterschätzen ist.
Akzentuierungsfelder werde ich mit dem Team diskutieren: Es gibt viel Potenzial in den Kerngeschäftsfeldern. Aber wir haben auch Großes vor im Bereich Digitalisierung, im Bereich neue Geschäftsfelder und beim Ausbau der Erneubaren. Es werden in der Energiewirtschaft seit Jahren drei "D" diskutiert: Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung. Ein Beispiel sind private Energiegemeinschaften und der Anspruch, sie auch digital zu servicieren.
Der Gaspreis liegt für Bestandskunden derzeit bei 4,98 Cent pro Kilowattstunde. Salzburg liegt damit nach der TIGAS mit 4,94 Cent auf Platz zwei im Österreichvergleich.
Rund 240.000 Privatkunden beziehen ihren Strom über die Salzburg AG. Stromheizungen und damit hohe Rechnungen haben rund 30.000 Haushalte.
Die Eigenproduktion von Strom liegt im Konzern bei rund 50 Prozent.
Den Strompreis für Private erhöhte der Energieversorger mit Jänner 2023 von 11,34 Cent pro Kilowattstunde auf 27 Cent.
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