"La Familia" kam mit Schlagring

Die Angeklagten beim Prozessbeginn am Montag.
32 junge Männer und Frauen sollen im Pongau mehrere Gewalttaten verübt haben.

Ich bleib Ghetto" steht in großen Lettern auf den Pullis jener jungen Männer, die unter dem Gang-Namen "La Familia" den Salzburger Pongau ein Jahr lang in Angst und Schrecken versetzt haben. International für Aufsehen gesorgt hat der Platzsturm am 23. Juli 2014 in Bischofshofen, bei dem israelische Spieler vom Fußballclub Maccabi Haifa beschimpft und attackiert wurden.

"La Familia" kam mit Schlagring
 

Wegen dieses Vorfalls und zahlreichen anderen Fällen von Körperverletzung, Sachbeschädigung, Drohung, Nötigung sowie der Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung stehen seit Montag 32 junge Männer und Frauen in Salzburg vor Gericht. Der Prozess ist für zehn Tage anberaumt.

Ihre Banden-Pullis haben sie gegen Hemd und Krawatte eingetauscht. Angesichts der Haftandrohung von bis zu fünf Jahren wirken einige Angeklagte relativ entspannt. "Alter, wenn du in den Häf’n kommst, f*** ich deine Mutter", sagt etwa ein junger Mann lachend, während er vor dem Verhandlungssaal in der Warteschlange steht. Die Sicherheitsvorkehrungen sind streng: Nach der Kontrolle am Eingang des Gerichtsgebäudes müssen alle Prozessbeobachter durch eine zweite Sicherheitsschleuse. Im Saal sitzen Cobra-Beamte in Zivil.

18-Jähriger verurteilt

"La Familia" kam mit Schlagring
Testspiel OSC Lille vs. Maccabi Haifa - türkische und palästinensische Fans stürmen das Spielfeld und attackieren die israelischen Spieler von Haifa GwendolineLeGoff PUBLICATIONxNOTxINxFRAxITAxBEL try out OSC Lille vs Maccabi Haifa Turkish and Palestinian supporters storm the Playing field and attack The Israeli Players from Haifa GwendolineLeGoff PUBLICATIONxNOTxINxFRAxITAxBEL
Die vorwiegend jungen Erwachsenen mit Migrationshintergrund im Alter von 16 bis 34 Jahren sollen von November 2013 bis Herbst 2014 rund 50 Gewalttaten im Bezirk St. Johann im Pongau verübt haben. Der Name "La Familia" bezieht sich auf ein Drogenkartell. Einer der Angeklagten nennt sich "Escobar" – offenbar eine Anlehnung an den berüchtigten kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar. Die Polizei fand aber keine Anhaltspunkte für Suchtgifthandel.

Die Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung wirft Staatsanwalt Marcus Neher konkret zehn Angeklagten vor: "Sie haben sich zusammengerottet, um andere zu terrorisieren. Wenn jemand ‚Stress‘ gemacht hat, hieß es ‚zehn gegen einen‘." Eines der Opfer erlitt einen Riss im Trommelfell, als er mit einem Schlagring ins Gesicht geschlagen wurde. Die Polizei stellte bei Hausdurchsuchungen mehrere verbotene Waffen sicher. Einige Angeklagte zeigen sich zumindest "tatsachengeständig" und gaben vor Einzelrichterin Christina Rott zu Protokoll, eine "Dummheit" begangen zu haben.

Für einen 18-Jährigen, der seine Teilnahme am Platzsturm gestanden hat, gab es am Montag bereits ein rechtskräftiges Urteil: Wegen schwerer Körperverletzung fasste er fünf Monate bedingte Haft aus. Zwei weitere Angeklagte erhielten wegen Verhetzung im Internet eine Diversion in Form von gemeinnützigen Leistungen.

Er ist 19 Jahre alt, ist Muslim, hat eine Freundin und steht kurz vor seinem Lehrabschluss als Maler. In Österreich habe er sich nie akzeptiert gefühlt, in Bosnien, der Heimat seiner Eltern, noch weniger. Drei Jahre lang hat er Fußball gespielt, "wahre Freunde" fand er aber woanders: Der 19-Jährige soll Mitglied der Bande "La Familia" gewesen sein und muss sich in einem Megaprozess in Salzburg wegen Körperverletzung verantworten.

Seine Handlungen hätten ihn "sehr traurig" gemacht, erzählte er seinen Betreuern vom Verein "Neustart", die ihm und vier weiteren Bandenmitgliedern seit seiner Entlassung aus der U-Haft zur Seite stehen. "Die Gruppe ist in Sachen Herkunft und Bildungsniveau bunt durchmischt. Eines haben aber alle gemeinsam: Sie haben ein schweres Identitätsproblem und fühlen sich nur in dieser Gruppe von Gleichgesinnten stark", erklärt Einrichtungsleiter Johannes Bernegger. Gewalt sei ihnen als probates Mittel zur Konfliktlösung von Familie und Freunden vorgelebt worden. "Das ist natürlich keine Entschuldigung, aber ein bekanntes Phänomen", betont er.

Damit Jugendliche wie der 19-Jährige wieder auf den rechten Weg kommen, müsse man sie aus der Gruppe herauslösen, erklärt Bernegger. "Je stärker sie die eigenen Ziele vor Augen haben, desto weniger brauchen sie die Gruppe und haben eine echte Perspektive."

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