Rückzug des Staates aus Bereich der Sicherheit

Gewöhnt hat man sich schon an private Sicherheitsmitarbeiter auf größeren Bahnhöfen.
Private Securitys gehören bereits zum Alltagsbild. Jetzt lassen Meldungen von Securitys in Spitälern und Schubhaftzentren aufhorchen.

Die Globalisierung hat nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Staaten voll erfasst. Zunehmend werden Sicherheitsdienstleistungen an private Firmen ausgelagert. Dass eine Armee von privaten Miet-Soldaten im Irak kämpfte und nun in Afghanistan Soldaten ausbildet, interessiert den Bürger noch weniger. Mit mehr Besorgnis wird aber registriert, dass inzwischen der legendäre „Dorfgendarm“ verschwunden ist – bei gleichzeitigem Steigen der Einbruchskriminalität.

Gewöhnt hat man sich zwar schon an private Sicherheitsmitarbeiter bei den Gepäckkontrollen auf Flughäfen und dass auf größeren Bahnhöfen Securitys mit meist blauen Fantasieuniformen streifen. Aber Meldungen über eine angeblich neuerlich bevorstehende Postenschließungswelle verunsichern – auch wenn das Innenministerium heftig dementiert. Und höchst sensibel reagierte die Öffentlichkeit auch auf jüngste Meldungen, wonach private Securitys bereits in Spitälern und im Schubhaftzentrum Vordernberg im Einsatz stehen.

Argwohn

Mit besonderem Argwohn beobachten aber die Freiwilligenorganisationen wie Feuerwehren und Rettung die Aktivitäten der Sicherheitsfirmen bereits seit dem Jahr 2009. Damals hatte das Land Tirol erstmals den Rettungsdienst europaweit ausgeschrieben. Unter den Bietern war der dänische Falck-Konzern. Nachdem aber den Zuschlag ein vom Roten Kreuz angeführtes heimisches Konsortium erhalten hatte, wird vor Gericht gestritten.

Gute Zeiten sind es jedenfalls für die private Sicherheitsindustrie, die in Österreich schon laut einer Statistik des Verbandes der Sicherheitsunternehmen Österreich (VSÖ) bereits über 10.300 Mitarbeiter verfügt und mit einer Steigerung auf mehr als 15.000 Mitarbeiter rechnen kann.

Fakten

Daten 2012: 312Mio. Euro. Das war laut VSÖ der Umsatz der österreichischen Anbieter im Jahr 2012.

10300 Mitarbeiter: So viele waren bei den Sicherheitsunternehmen beschäftigt

4 Firmen: Die größten Sicherheitsfimen in Österreich sind G4S, Securitas, ÖWD und Siwacht.

4500 Portiere: So viele gibt es noch. Nach ihrer Pensionierung fallen ihre Jobs an die Sicherheitsfirmen.

Wenn in zehn Tagen der Betrieb in Vordernberg losgeht, wird das Anhaltezentrum unter besonderer Beobachtung stehen: Erstmals teilen sich Polizei und eine Sicherheitsfirma die Arbeit in einer Einrichtung für Schubhäftlinge.

Die Konstruktion ist für österreichische Verhältnisse ungewöhnlich: Das Innenministerium schloss einen Vertrag mit der Gemeinde, die für den Betrieb des Zentrum zu sorgen hat. Der 68-Millionen-Euro-Auftrag wurde ausgeschrieben, doch mit engen Vorgaben: Der Generalunternehmer musste Erfahrung im Bewachungsbereich haben in einem Gefängnis oder einer Schubhafteinrichtung. Bloß G4S bewarb sich und bekam den Zuschlag.

Danach herrschte Tauziehen um Verträge und Geheimhaltung, auch die Aufgabenteilung zwischen Polizei und Privaten war nicht exakt definiert. Die Volksanwaltschaft kündigte eine Prüfung an, die Grünen brachten Anfragen im Parlament ein.

Erst im Dezember legte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, ÖVP, mit einem Brief an die Gemeinde nach: Die Mitarbeiter der G4S seien Verwaltungshelfer, es herrsche Aufgaben-, jedoch keine Verantwortungsteilung. Die Exekutive durchsucht die Insassen bei ihrer Ankunft in Vordernberg, teilt die Zimmer zu, legt die Art der Verpflegung fest. Die „Verwaltungshelfer“ dürfen das Gepäck am Eingang röntgen und die Tagesabläufe der bis zu 200 Flüchtlinge koordinieren. Die Behörde müsse sich allfälliges rechtswidriges Handeln dieser Verwaltungshelfer zurechnen lassen. Wer sich ungerecht behandelt fühle, könne Maßnahmenbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht einbringen.

Die Grünen lehnen die Vermischung von Privat und Staat weiter ab. „Das Ministerium kann der Gemeinde anschaffen, was sie will“, betont Abgeordnete Alev Korun. „Aber das gilt nicht für den privatrechtlichen Vertrag mit der G4S. Das ist ein Präzedenzfall und zeigt die Misere von Privatisierungen.“

Der versuchte Einstieg des Falck-Konzerns im Tiroler Rettungsdienst hat auch bei den Freiwilligen Feuerwehren höchste Alarmstufe ausgelöst. Denn zu den Haupttätigkeitsfeldern der dänischen Aktiengesellschaft Falck gehört neben dem Rettungsdienst auch das Feuerwehrwesen.

Feuerwehrkommandanten registrieren mit Besorgnis Bemühungen privater Sicherheitsfirmen zur Übernahme von Betriebsfeuerwehren. Im Gespräch ist etwa die Betriebsfeuerwehr der OMV-Raffinerie in Wien Schwechat. Ist das nur eine Zwischenstufe, nach der auch den Gemeinden und Städten solche Angebote gemacht werden sollen?

Der niederösterreichische Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner ist in Abwehrstellung: „Eine Sicherheitsfirma war schon bei mir und wollte in Niederösterreich ins Feuerwehrregister eingetragen werden. Das kommt überhaupt nicht infrage, weil wir ein gut funktionierendes Freiwilligensystem mit 97.428 Mitgliedern haben. Wir sind rund um die Uhr da.“ Und bezüglich der Kosten, so Fahrafellner, könnte eine private Firma niemals die selben Leistungen erbringen wie die Freiwilligen.

Werner Kerschbaum, Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, sieht es ähnlich: „Die Marktmechanismen alleine können in den sozialen Diensten die Interessen von Kunden und Patienten nicht sicherstellen. Eine Kommerzialisierung wäre nicht nur teurer, sie würde auch die Versorgungsqualität senken. Sie würde auch die Freiwilligen vertreiben.“

Katastrophenschutz

Außerdem bliebe dabei der Katastrophenschutz auf der Strecke, der sich aus dem laufenden Betrieb beider Organisationen finanziert. Fahrafellner verweist auf das Beispiel Griechenland, wo jedes Jahr mangels Freiwilliger Feuerwehren verheerende Waldbrände wüten.

G4S-Chef Matthias Wechner beruhigt. Auch seine Firma ist an Betriebsfeuerwehren interessiert. Wechner: „Wir haben aber kein Interesse, das Freiwilligensystem anzugreifen. Das, was die vielen Freiwilligen leisten, werden wir privatwirtschaftlich nicht schaffen.“

Der Bürger fühlt sich im Kampf gegen Einbrecher von der Polizei alleingelassen. Auch Polizeigewerkschafter Hermann Greylinger bedauert, dass es wegen der langen Anfahrtswege vor allem im ländlichen Raum zu Wartezeiten von bis zu 45 Minuten nach der Alarmauslösung kommt. Immer wieder geister die Forderung nach privaten Wachleuten herum. Doch einen bewaffneten Privatsheriff wird es nicht geben, erklärt Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium. Denn das staatliche Gewaltmonopol darf nicht unterlaufen werden.

Wachmann

Auch für G4S-Chef Matthias Wechner ist die Zeit des klassischen Wachmannes vorbei. Die internationale Sicherheitsfirma mit weltweit 625.000 Mitarbeitern baut auf Technik. Und hier muss ständig nachgerüstet werden. Denn aufgrund der langen Anfahrtszeiten der Polizei ist heutzutage auch die klassische Alarmanlage nicht mehr ausreichend. Für Wechner liegt die Zukunft in einer Kombination der Alarmanlage mit gleichzeitiger Videoüberwachung, die in eine private Notrufzentrale geschalten sind.

Spezialisten fürs Nachrüsten und Normieren gibt es beim Verband der Sicherheitsunternehmen Österreich VSÖ (www.vsoe.at). Nachrüsten sei nicht nur bei Alarmanlagen nötig, sondern auch bei den Sicherheitstüren, erklärt der Sicherheitstürenhersteller Alfred Riha vom VSÖ. Alte Türen waren nur auf einen Einbrecher geprüft. Nachdem aber die Ostbanden mit mindestens zwei Tätern anrücken, müssen die Türen stärker werden. Zusätzlich steigen Kundenwünsche auch im Bereich von Feuer- und Lärmschutz – in letzter Zeit werden auch schusshemmende Türen verlangt.

Normierung

Einig sind sich die Firmenchefs mit Forderungen an die Politik, was klare Normen für Ausbildung und Ausführung betrifft. Für VSÖ-Chef Günther Saltuari wäre es notwendig, dass für die Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen Zuverlässigkeitsbescheinigungen obligatorisch vorgeschrieben sind. Denn der Kunde müsse die Gewähr haben, dass der Techniker, der die Alarmanlage montiert, nicht im „Nebenberuf“ als Spion für eine Einbrecherbande tätig ist.

Die Privatisierung hat auch weltweit das Militär voll erfasst. Während die Staaten Europas ihre Armeen immer weiter reduzieren, expandieren die privaten Militärfirmen.

Das berüchtigtste Beispiel ist das US-Unternehmen Academi, das unter dem Namen Blackwater im Irak nicht nur an der Seite der US-Army kämpfte, sondern auch das Foltergefängnis Abu Ghraib betrieb. Das Reizwort von der „Privatisierung des Krieges“ macht sich breit.

Das Bundesheer betrifft das nicht. Die Bevölkerung hat sich für die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht entschieden. Miet-Soldaten werden üblicherweise nur von Berufsarmeen eingesetzt. Dennoch könne sich das Bundesheer einer Zusammenarbeit mit privaten Militärdienstleistern nicht entziehen, erklärt Brigadier Walter Feichtinger, Leiter des Institutes für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK) an der Landesverteidigungsakademie.

Vor allem bei Auslandseinsätzen, so Feichtinger, müsse das Bundesheer schon jetzt mit Militärdienstleistern kooperieren. Aber nicht bei Kampfeinsätzen. Feichtinger: „Da bleibt ein Zusammenwirken mit privaten Unternehmen ein absolutes no-go für uns.“

Feldlagerbetrieb

Anders sieht es aber bei Unterstützungsleistungen aus. Zum Beispiel beim Feldlagerbetrieb im Kosovo oder in Bosnien. Dort werden von Firmen angebotene „Locals“ eingesetzt – Zivilisten, die von privaten Firmen kommen. Feichtinger: „Es wäre ineffektiv, einen gut ausgebildeten Soldaten zum Wäschewaschen oder in der Küche einzusetzen.“ Das wesentlichste Motiv für Feichtinger ist hier die Kostenfrage.

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