Dutzende Menschen stehen vor der Anzeigentafel am Augsburger Bahnhof, studieren die Angaben, blicken in ihr Handy wie in ein Gebetsbuch. Einige suchen nach einem Schienenersatzverkehr, andere nach Mitarbeitern der Deutschen Bahn (DB). Das Informationszentrum der DB, in einem kleinen weißen Container direkt neben dem Bahnhof, ist brechend voll.
Massive Schneefälle legten am Wochenende den öffentlichen Verkehr in Süddeutschland lahm. Am Samstag wurde der Münchner Hauptbahnhof komplett gesperrt, kein Zug fuhr mehr hinein, keiner hinaus. „Auf unbestimmte Zeit“ wurde der Zugverkehr eingestellt. Die Deutsche Bahn stellte den hunderten gestrandeten Reisenden einen Aufenthaltszug zur Verfügung. All jene, die nicht im Zug schlafen konnten, mussten die Zeit in einem Zwischengeschoss im Bahnhofsgelände überbrücken.
Die Frage, wann es denn endlich weitergehe, konnte am Wochenende niemand beantworten. Laut ÖBB fahren mindestens bis Mittwoch keine Züge mehr über das Deutsche Eck.
Zurück zum Augsburger Bahnhof: Am Montag ist die Lage für die Reisenden hier nach wie vor chaotisch. „Fährt der jetzt nach München oder nicht?“, fragt eine junge Frau auf Gleis 9. Schulterzucken. Die Lautsprecher-Durchsage der DB beantwortet die Frage. Der Zug fährt nicht. Genauso wie die Züge nach Nürnberg oder Stuttgart.
Keine Züge nach Österreich
Noch drastischer ist die Situation für all jene, die nach Österreich wollen. „Ich versuche seit Samstag, nach Wien zu fahren. Dort möchte ich eigentlich meine Cousine besuchen“, schildert eine Frau. Seit Montagfrüh wartet sie bereits am Augsburger Bahnhof. „Ich wollte den ersten Zug Richtung Österreich nehmen, aber sie sind bisher alle ausgefallen. Es ist so ärgerlich“, sagt die Deutsche.
Wann der Fernverkehr wieder aufgenommen werden kann, steht am Montag nicht fest. „Gegenwärtig ist der Großraum München Hauptbahnhof nur stark eingeschränkt anfahrbar. Es verkehren daher nur wenige Fernverkehrszüge von und nach München“, heißt es auf der Website der Deutschen Bahn.
Der erste Zug, der am Montag von Augsburg nach München fährt, startet mit zehn Minuten Verspätung um 9 Uhr. Normale Fahrzeit: 30 Minuten mit dem ICE. Brechend voll fährt der Zug los. „Ich hab‘ nicht gedacht, dass das heute noch was wird“, sagt ein älterer Herr zu seiner Frau, als er ihren Koffer in einer Ablage verstaut. Die beiden müssen im Gang stehen, kein Platz ist frei. Nach 20 Minuten Stillstand. „Leider gibt es derzeit kein Weiterkommen. Ich kann ihnen aber noch nicht sagen, warum“, schallt die Stimme des Schaffners durch den Zug.
Mit insgesamt 40 Minuten Verspätung fährt der Zug schließlich im Münchner Hauptbahnhof ein. Für Reisende aus Österreich ist hier Endstation. „Bis voraussichtlich Dienstag, 05. Dezember 2023, ist kein Fernverkehr der DB auf folgenden Strecken möglich: München – Salzburg und München – Innsbruck“, informiert die Deutsche Bahn auf ihrer Website.
Wer nicht hunderte Euro fürs Taxi ausgeben will, hat nur mehr eine Alternative: Flixbus. Die Anzahl an freien Plätzen in Bussen nach Innsbruck oder Salzburg schrumpfte aber zuletzt im Minutentakt. Julia K., die ihr Wochenende in Augsburg verbracht hat, hatte Glück. „Ich bin so froh, einen der letzten Plätze im Flixbus nach Salzburg bekommen zu haben. Niemand weiß, wann die Züge wieder normal fahren.“ Wann ein Heimkommen für alle Reisenden wieder möglich sein wird, weiß zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal die Deutsche Bahn. Auch Flugreisende brauchen starke Nerven. Am Dienstag ist der Flughafen München wegen Eisregens von Betriebsbeginn bis 12 Uhr gesperrt.
Wer es dann nach Österreich geschafft hat, muss aber teilweise weiter Warten. Auf der Westbahnstrecke gibt es derzeit noch viele Verspätungen auf den Hauptverkehrsrouten und Streckenunterbrechungen auf zu regionalen Bahnhöfen.
Wegen der starken Schneefälle sind beispielsweise zwischen Wels Hbf und Grünau im Almtal heute keine Fahrten mehr möglich. Insgesamt sind derzeit sieben Stecken von Regionalbahnlinien im Norden des Landes unterbrochen. Die genauen Unterbrechungen finden sie hier.
(kurier.at, bsei)
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Aktualisiert am 04.12.2023, 19:44
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