Rechtswidrig: Asylwerber zu lang gefesselt

Nachspiel vor Gericht? Ronald Frühwirth (re.) und Henry E. droht Klage wegen des Verdachts der Verleumdung
UVS rügt Polizei: Asylwerber musste sich ausziehen und war zu lange am Rücken gefesselt.

Henry E. verkauft wieder die Straßenzeitung in Graz und weiß, dass er jederzeit abgeschoben werden kann. Seit Donnerstag weiß der Nigerianer, der seit 2008 in Österreich ist, aber auch, dass seine völlige Entkleidung und die Dauer der Fesselung unverhältnismäßig waren: Beamte schauten auf einer Polizeiinspektion in Graz in seine Unterhose. Später legten sie ihm Handschellen sowie Fußfesseln an, nachdem sich der Asylwerber mit einer Klammermaschine selbst am Kopf verletzte.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Steiermark (UVS) erklärte nach einer Beschwerde des Grazer Juristen Ronald Frühwirth (Kanzlei Kocher & Bucher) die Amtshandlung für rechtswidrig. Das Hinunterziehen der Unterhose und Hochziehen des Leibchen kommt dem UVS völligem Entkleiden gleich. Die Durchsuchung von Menschen ist nicht Selbstzweck, begründet der UVS. Da E. sich mit Meldezettel auswies, seine Tasche anschauen ließ und einen der Beamten kannte, war die völlige Entkleidung nicht erforderlich. Der 30-Jährige war im Juni festgenommen worden, weil er nach Nigeria ausgeflogen werden sollte.

E. hatte aber auch geschildert, er wisse nicht, wie er zu seinen Verletzungen gekommen sei. Er sei „unsanft zu Boden gestoßen“ worden und blutend zu sich gekommen. Das glaubte ihm der UVS nicht, dies sei nicht nachvollziehbar. Aber: Dass E. 45 Minuten am Rücken fixiert im Spital zubringen musste, sei eine unmenschliche Behandlung durch Zwangsgewalt.

E.s Rechtsbeistand Frühwirth wünscht sich als Konsequenz, dass die Polizei in Grundrechtsfragen sensibler wird. „Im Grunde genommen müsste dieses Urteil bei Schulungen von Polizisten verwendet werden.“

Polizei überlegt Klage

Allerdings könnte der Fall für den Juristen als auch für seinen Mandanten andere Konsequenzen bekommen. Der Grazer Stadtpolizeikommandat Kurt Kemeter überlegt eine Anzeige wegen des Verdachts der Verleumdung. „Das werden wir mit unserem Rechtsbüro prüfen.“ Dabei ginge es um jene Passagen, wie E. zu den Verletzungen gekommen sein soll.

Dass der UVS das Ausziehen und lange Fesseln als rechtswidrig betrachte, nehme er zu Kenntnis. „Aber da ist ein Mensch, der sich selbst verletzt“, überlegt Kemeter. „Da ist es in einer Nachher-Betrachtung schwierig, abzuschätzen, wann gebe ich Handfesseln hinauf oder herunter.“

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