Prozess nach Corona-Cluster in Pflegeheim: "Sitzen nur hier wegen der Medien"

CORONA: PROZESS GEGEN FÜNF ANGEHÖRIGE DES SENIORENKOMPETENZZENTRUMS TANNENHOF IN ST. LORENZEN/MÜRZTAL WEGEN VORSÄTZLICHER GEFÄHRDUNG VON MENSCHEN IN COVID-KRISE
Verfahren gegen fünf Angeklagte gestartet: 18 Menschen starben laut Staatsanwaltschaft mit Corona-Infektion in steirischem Heim.

Die Staatsanwältin macht es kurz in diesem langen Prozess: "Ich verweise auf die schriftliche Ausführung des Strafantrages", sagt sie bloß zum Prozessauftakt, was die Zuhörer im Gerichtssaal wohl ratlos zurücklassen dürfte.

Der Strafantrag ist 30 Seiten dick und legt vier Männern sowie einer Frau vorsätzliche Gefährdung durch übertragbare Krankheiten zur Last: Im November 2020, mitten in der zweiten Corona-Welle, infizierten sich beinahe alle Angestellten und alle Bewohnerinnen und Bewohner eines obersteirischen Pflegeheimes mit dem Virus - 18 Heimbewohner starben laut Anklage "an oder mit" Covid-19.

➤ Mehr über die Hintergründe lesen Sie hier: 18 Todesopfer in Heim

Die Staatsanwältin wirft den fünf Angeklagten vor, Maßnahmen im Heim "Tannenhof" unterlassen zu haben: Infizierte Personen seien nicht isoliert worden, es habe keine adäquat Schutzkleidung gegeben, gravierende Mängel in Reinigung und Hygiene, kein Contact Tracing. Letztlich rückte Ende November 2020 das Bundesheer an, Soldaten übernahmen das Heim.

Doch beim Prozessauftakt am Dienstag im Straflandesgericht Leoben gibt es keine Geständnisse. Die einzige Frau, die ehemalige Pflegedienstleiterin, gesteht zu aber zu: "Die Maßnahmen, die die Staatsanwaltschaft gefordert hat, hätten gesetzt werden müssen", betont ihre Verteidigerin Karin Prutsch-Lang.

"Nicht am A... gehen"

Doch faktisch hätte es dafür eine Hygienefachkraft geben müssen, die das anordnet - doch die Stelle seit in dem Heim seit 2018 nicht besetzt gewesen. Wenn ihr Mandantin darauf hingewiesen habe, dann hätten die Vorgesetzten bloß gesagt: "Die soll mir nicht auf den A.... gehen...", zitiert Prutsch-Lang aus einem Gedächtnisprotokoll. "Das zeigt, wie die Hierarchie dort war." Die Angeklagte habe in der Corona-Welle auch mehrfach gefordert, dass Betten nicht nachbelegt würden, um Bewohner isolieren zu können, doch dem sei nicht nachgekommen worden. "Meine Mandantin hatte keine Kompetenzen, sie war weisungsgebunden. Sie wird als Bauernopfer vorne hingestellt.."

Männer in weißen Schutzanzügen stehen vor Gebäude

Das Bundesheer rückte Ende 2020 ins Heim ein

Zwei weitere Angeklagte lassen über ihre Anwälte bereits am ersten Prozesstag über die Corona-Fälle im Heim - bis Ende Juni sind elf Verhandlungstage angesetzt  - wissen: Sie werden keine Fragen beantworten und überhaupt nicht aussagen. Dafür reden sich die Verteidiger in Rage und machen den Verhandlungssaal zur Abrechnung mit der Corona-Politik. "Wir sitzen hier nur da, weil durch die Medien Druck erzeugt worden ist", merkt einer der Rechtsanwälte an "Wir sitzen hier, um Corona medial aufzuarbeiten."

"Bin ich dann im Häfen?"

Sein Kollege stellt gar Corona selbst infrage. "In diesem Verfahren wird es vielleicht auch um die Frage gehen, ob das überhaupt eine Krankheit war", stellt er in dem Raum . "Mir liegt kein Beweis vor, dass ein Sars-Cov-Virus tatsächlich bestehen würde." Sein Mandat sei jedenfalls nicht schuldig: "Wenn von sieben Tagen die Woche einen Tag die Türklinken nicht in Desinfektionsmittel getaucht wurden - bin ich dann im Häfen?"

Mäusekot und klebrige Griffe

Die Hygiene in dem Heim dürfte generell nicht einwandfrei gewesen sein: "Angebissene Äpfel, Mäusekot unter den Betten, verklebte Türgriffe, Spinnweben..." zitiert die Richterin aus dem Akt. "Nur fünf Stunden Reinigungsdienst. Ist es zwei Kräften da möglich, ein ganzes Heim zu reinigen?"  Einer der Angeklagten, die zur Aussage bereit sind, beteuert, er habe  alles "an die Zentrale" weiter gemeldet: "Aber es hat geheißen, der Reinigungsvertrag war immer schon so."

Fortsetzung am Mittwoch.

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