Fast alle Bewohnerinnen und Bewohner und auch die meisten Angestellten des "Tannenhof" hatten Corona. Ausgegangen vermutlich Ende September 2020 von einer Reinigungskraft, wie ein Gutachter festhielt. Doch trotz ihres positiven Tests wurden "weder Präventionsmaßnahmen ergriffen noch rechtzeitig ausreichende und vor allem geeignete Schutzausrüstung bereitgestellt“, konstatiert die Staatsanwaltschaft Leoben in ihrer Anklageschrift. Letztlich "starben 18 Bewohner jedenfalls mit einer Sars-CoV-2-Infektion".
Fast zweieinhalb Jahre nach dem Drama im Heim startet der Prozess am Straflandesgericht Leoben. Ab Dienstag müssen sich fünf Personen vor einem Einzelrichter verantworten, die ehemaligen Betreiber, der Heimleiter und Kräfte des Pflegedienstes. Ihnen wird vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten vorgeworfen: "Teils durch Tun, teils durch Unterlassung", wie der Strafantrag festhält.
Tun, weil angeordnet worden sei, positiv Getestete im Heim nicht von jenen zu trennen, die negativ waren. Laut Weisung sei das gesamte Heim als infiziert zu betrachten gewesen, infizierte und nicht-infizierten Menschen wurden nicht getrennt.
Unterlassung, weil unter anderem Masken nicht rechtzeitig besorgt worden sein sollen – und dafür anfangs laut Anklage auch nicht genügend Geld bereitgestellt worden sei.
Allerdings befand sich Österreich ab Herbst 2020 bereits in der zweiten Corona-Welle, im November wurden in der Steiermark täglich 600 bis 1.100 neue Infektionen gemeldet. "Bereits mit Frühjahr 2020 waren Betreiber von Pflegeheimen angehalten, Konzepte zu erstellen, um auf das Auftreten von Corona-Fällen in Alten- und Pflegeheimen vorbereitet zu sein", erinnert die Staatsanwaltschaft.
Unvorbereitet in die Welle
Doch das obersteirische Heim sei von der zweiten Welle unvorbereitet getroffen worden: Gravierende Mängel in Reinigung und Hygiene, keine Isolierung Infizierter, kein Contact Tracing, zu wenig Schutzkleidung. "Durch die Umsetzung der bereits monatelang bekannten erforderlichen Schutzmaßnahmen hätte das Ausbruchsgeschehen in der Einrichtung jedenfalls minimiert werden können", ist der Ankläger überzeugt.
Die fünf Angeklagten sehen das konträr. Man habe die Heimbewohner "nicht auf die Straße stellen" können, verteidigt sich einer: Man habe alles getan, damit sich das Virus nicht ausbreite. Ein anderer betont, er sei weisungsgebunden gewesen, ein Dritter, dass für Hygienekonzepte jemand anders zuständig gewesen wäre.
Rechtsanwältin Karin Prutsch-Lang vertritt die damalige Pflegedienstleiterin und ist überzeugt: "Meine Mandantin hat versucht, die Bewohner mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln bestmöglich zu versorgen." Sie habe zudem auf mangelnde Ressourcen hingewiesen, etwa auf die seit Jahren nicht besetzte Stelle einer Hygienefachkraft.
Der Prozess ist vorerst bis Ende Juni angesetzt. Im Fall einer Verurteilung drohen bis zu drei Jahre Haft.
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