„Er kommt aus tristen familiären Verhältnissen“, erklärt der Rechtsanwalt gleich zu Beginn. „Zur Mutter hat er keinen Kontakt, der Vater ist Hilfsarbeiter. Er bekommt 20 Euro Taschengeld monatlich.“
"Habt ihr Geld?"
Und so entschloss er sich im vergangenen September, seine Finanzen auf anderem Weg aufzubessern. Der erste Raubversuch schlug fehl. Bei den folgenden Malen nahm er ein Messer mit. Das hinterließ Eindruck. „Habt ihr Geld mit?“ – „Nein.“ – „Warum lügt ihr mich an? Gebt es her!“
„Wie kommen Sie auf so eine Idee?“, fragt Richterin Daniela Zwangsleitner. „Ich hatte kein Geld mehr. Und ich wollte zeigen, dass ich stark bin“, bekommt sie als Antwort. Die Überfälle sollten „so wie im Film ablaufen“. Oder wie in Musikvideos. Wofür er das Geld brauchte? „Zum Ausgeben.“
Vier Überfälle waren es insgesamt. Von seinen Opfern erbeutete er Geldbeträge zwischen sieben und 50 Euro.
Für seine Taten fuhr er teils extra zum Praterstern. „Warum nehmen Sie da ein Messer mit?“, wird er gefragt. Die Erklärung ist einleuchtend: „Bei der heutigen Jugend, die dort ist ...“
Vier Nächte verbrachte der damals 14-Jährige schon in Untersuchungshaft. „Das war nicht schön“, erklärt er. Wie er sich sein künftiges Leben vorstellt? „Ich will den Hauptschulabschluss machen, dann eine Lehre. Ich will eine eigene Wohnung und eine Familie gründen“, erklärt er. „Wie schön“, erwidert die Richterin. „Und warum sind Sie von der Schule suspendiert worden?“
Weil er im Unterricht gelacht habe, erklärt der junge Angeklagte. Es ist nicht seine erste Suspendierung. Mit den Schulbesuchen nahm er es in der Vergangenheit nicht allzu genau. Wann er wieder zurückkehren darf? „Das weiß ich nicht.“
Nach 35 Minuten Verhandlung betritt auch der Vater des Angeklagten entnervt den Verhandlungssaal. Seine Anwesenheit fällt der Richterin in Folge mehrmals auf. „Sie reden nicht hinein!“, ermahnt sie den Mann.
Wutanfall
Während der Urteilsberatung stürmt er auf den Gang, wirft seine FFP2-Maske auf den Boden, läuft hin und her wie ein eingesperrtes Raubtier und lässt Dampf ab.
Nach kurzer Beratung steht das Urteil (Strafrahmen bis zu 7,5 Jahre Haft) fest: Der Bursch fasst eine Strafe von 21 Monaten aus. 3 Monate davon werden unbedingt ausgesprochen. „Weil man dieser irrsinnig großen kriminellen Energie entgegentreten muss“, rechtfertigt die Richterin.
Doch der 15-Jährige bekommt ein großes Geschenk: Auch diese drei Monate Haft muss er nicht antreten, wenn er ab sofort die Schule besucht, dort nicht wieder negativ auffällt und ein Anti-Gewalt-Training absolviert.
„Schule oder Gefängnis. Sie haben es selbst in der Hand“, mahnt die Richterin. „Wenn Sie nicht ganz schnell die Kurve kratzen, können Sie von sich sagen, dass Sie von Beruf Krimineller sind.“
Das Urteil ist rechtskräftig. Zur Feier des Tages gibt es nach der Verhandlung Kuchen.
Auch ein weiterer junger Mann, der mit 14 Jahren auf die schiefe Bahn geriet, steht am Montag in Wien vor Gericht.
Nur einen Monat nach seinem 14. Geburtstag soll er eine Raubserie begonnen haben. Insgesamt sieben Taten werden ihm angelastet.
Einem Opfer soll er einen Trümmerbruch des Kieferhöhlenknochens zugefügt haben, weil der Mann sich wehrte. „Ich war Teil einer Clique“, erklärt der Wiener. „Ich wollte zeigen, dass ich dazu gehöre. Sonst sagen sie, ich bin eine Pussy.“
Seit seiner Festnahme sitzt der 14-Jährige in Untersuchungshaft. Dort wird er vorerst auch bleiben. Der Prozess wurde auf den 14. März vertagt.
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