Nazi-Runen auf Grundstück: Freispruch für Ex-Politiker Scheuch

Nazi-Runen auf Grundstück: Freispruch für Ex-Politiker Scheuch
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Ex-FPÖ-Spitzenpolitiker musste sich wegen Runen verantworten. Geschworene sprachen ihn mit vier zu vier Stimmen frei.

Verhandlungssaal 29 im Landesgericht Klagenfurt: Hier musste sich am Mittwoch der Ex-FPÖ-Spitzenpolitiker Kurt Scheuch wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz und Wiederbetätigung, verantworten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Am Nachmittag wurde mit Spannung das Urteil der Geschworenen erwartet. Nach mehr als eineinhalbstündiger Beratungszeit fällten die Geschworenen gegen 16 Uhr ein Urteil und dieses lautet: Freispruch. Nicht rechtskräftig. Mit einem denkbar knappen Ausgang von vier zu vier Stimmen. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab.

Rune als Anregung für Name von Sohn

Wie bereits berichtet, wurde Scheuch vorgeworfen, drei Runen, ursprünglich Schriftzeichen der Germanen, die aber auch von den Nazis für ihre Symbolik missbraucht wurden, auf einem Holztor und einem Turm auf seinem Grundstück im Mölltal eingefräst zu haben. Die Runen vom Tor wurden mittlerweile entfernt. Jene vom Turm nicht.

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Die Staatsanwaltschaft präsentierte den acht Geschworenen zur Verdeutlichung zu Beginn der Verhandlung die Runen auf ausgedruckten A4-Blättern. Zu sehen war eine "Wolfsangel". Diese wurde in der Hitler-Jugend und von einer Panzerdivision der SS verwendet.

Laut Scheuchs Erklärung sei sie aber vielmehr ein Zeichen für seinen Sohn, der den Namen Wolf trägt. Und keinenfalls ein Bezug zum Nationalsozialismus.

Die Sig- oder Siegrune war als doppelte Rune das Abzeichen der SS und nach dem Hakenkreuz eines der bekanntesten Zeichen der Nazis.

Und die Odal-Rune symbolisiert ererbten Besitz, war in der Nazi-Diktatur aber auch das Emblem von SS-Verbänden. Laut Scheuchs Aussage vielmehr ein Zeichen seines Besitzes. 

"Es gilt zu klären was der Vorsatz dieser drei Zeichen war", sagte Staatsanwalt Christian Pirker.

Auskunft über Vermögen

Apropos Scheuch: Dieser erschien lässig in Jeans, rosa Hemd und grauem Sakko mit aufgestellten Kragen, unter dem es blau herausblitzte, vor der vorsitzenden Richterin Sabine Götz. Die sich zunächst für die Vermögenswerte von Scheuch interessierte. Er wolle nicht "renitent erscheinen", aber könne nicht genaue Auskunft über den Wert seiner Liegenschaft geben. Am Ende wurden dann doch Zahlen genannt. Ebenso, dass der Angeklagte über keine Vorstrafen verfügt.

Nazi-Runen auf Grundstück: Freispruch für Ex-Politiker Scheuch

Nazi-Runen auf Grundstück: Freispruch für Ex-Politiker Scheuch

Nazi-Runen auf Grundstück: Freispruch für Ex-Politiker Scheuch

Doch zurück zum eigentlichen Prozess. Dabei wurde die Anklage am Vormittag erweitert. Von jenen drei Runen auf besagtem Holztor, um zwei weitere auf einem Turm.

Diese wurden laut Staatsanwalt im Jahr 2012 auf dem Turm angebracht und der Anklage gegen Scheuch nun hinzugefügt. Es handelt sich um eine Wolfsangel und eine Odal-Rune. Also Symbole, die sich auch auf den Latten des Holztors gefunden haben. "Warum haben sie die Runen auf diesem blöden Haus denn nicht weggetan, wenn sie schon jene vom Tor entfernen", wollte Richterin Götz wissen. Weil ich es als Schuldeingeständnis und eine Art Hexenjagd gesehen habe, sagte Scheuch.

Scheuchs Anwalt, Christian Leyroutz, sprach von einer medialen Vorverurteilung und davon, "dass der Fall nicht mit normalen Maßstäben zu messen sei, sondern politische Interessen verfolgt werden." Aus seiner Sicht alleine deswegen, weil die nunmehrige Generalsekretärin Olga Voglauer (Grüne), die Anzeige gegen die Runen am Holztor einst eingebracht hatte. Es handle sich bei den Zeichen um keine Wiederbetätigung, sondern um Zeichen mit einer höchstpersönlichen Bedeutung, fuhr Leyroutz fort.

Runen, oder persönliche Botschaft

Die Runen, um die es am Holztor geht, präsentierte Scheuchs Verteidiger dann nicht wie die Staatsanwaltschaft auf ausgedruckten A4-Zetteln, sondern farbig auf einem riesigen Bildschirm. Ohne Bebilderung gab es die Erklärung, dass Scheuch keinen Bezug zum Nationalsozialismus habe, sondern die Zeichen eine persönliche Bedeutung haben. Konkret sollen sie dafür stehen: "Das ist das Kleinod von Wolf Scheuch", wie Leyroutz erklärte.

Verteidigung will Runen auch bei Bundeskanzleramt entdeckt haben

Angezweifelt wurde von der Verteidigung auch die Richtigkeit über die Bedeutung der Runen, die ein Gutachter beurteilt hatte.

Vielmehr wurde betont, dass die Runen nicht im Verbotsgesetz aufscheinen. Vielmehr wollte die Verteidigung die Runen auch in der Werbung eines großen Möbelgeschäfts, in einem Logo der Wiener S-Bahn und in der Anzeige eines Restaurants entdeckt haben. "Das S steht für S-Bahn. So wie das S im Falle von Herrn Scheuch für seinen Besitz steht", betonte Leyroutz. Und führte weiter aus. "Die Odal-Rune findet sich auch auf der Tür des Bundeskanzleramts in Wien." Zur Verdeutlichung blitzte die braune Tür am riesigen Bildschirm auf.

Scheuch bekannte sich im Sinne der Anklage nicht schuldig. Und schilderte dann die Causa aus seiner Sicht der Dinge.

Scheuch: "Ich sehe die Zeichen nicht mehr"

Beginnend mit jenen Zeichen, die einen Turm auf seinem Grundstück zieren: "Die Runen, die am kleinen Wohnturm seit zwölf Jahren sind, sehe ich schon lange nicht mehr. Aber ich habe dort nichts zu verstecken. Aber sie sind vom Radweg aus sehbar."

Unter den Runen würde sich zudem ein fünfzackiger Stern befinden. "Für mich, ist dieser Stern ein Symbol für meinen Hof. Aber man könnte das natürlich auch als Stalin-Stern deuten. Es kommt immer darauf an, wie man es lesen will." Zur Verdeutlichung kamen abermals Bilder zum Einsatz. Dieses Mal ausgeborgt  und ausgedruckt vom Staatsanwalt, da Scheuch seine eigenen Beweisfotos auf die Schnelle nicht finden konnte.

Großvater bei NSDAP

Richterin Götz ging dann auf die Familiengeschichte der Scheuchs ein. War ihr Großvater Sektionschef bei der NSDAP? "Ja, mein Großvater war Mitglied der NSDAP. Aber ich habe die Zeichen nicht in Gedenken an ihn errichtet habe. Und ich möchte ergänzen, dass Bruno Kreisky meinem Großvater die zweithöchste Auszeichnung der Republik verliehen hat." Scheuch betonte, dass er nie Mitglied einer Burschenschaft gewesen sei und er keinen Bezug zum nationalsozialistischen Gedankengut habe.

Zum Nationalsozialismus wisse er nicht mehr, als seine Schulbildung zulässt. Bis zu jenem Zeitpunkt, als er die "ungerechtfertigte Anklage" erhalten habe. Richterin Götz: "Wollen Sie mir wirklich sagen, dass Sie, gerade als Spitzenpolitiker sich nie intensiver mit Hitler auseinandergesetzt haben. Besonders mit der Geschichte ihres Großvaters?" Scheuch: "Ich weiß gerade so viel, wie jeder andere Österreicher auch." 

Ein "normaler Bauer aus dem Mölltal"

Was dies wäre, wollte die Richterin wissen? Es folgte eine lange Pause und schließlich Scheuchs Antwort: "Es darf niemals zu einer Wiederholung dieser schrecklichen Zeit kommen. Der normale Bürger in Kärnten weiß, dass ein Hakenkreuz nicht zu entschulden ist." 

Was in Konzentrationslagern passiert sei, wollte die Richterin weiter wissen? "Das war wohl eines der schrecklichsten Verbrechen der Menschheit. Aber das weiß wohl jeder. Ich bin ein normaler Bauer aus dem Mölltal." Warum es das Verbotsgesetzt gibt, sei Scheuch klar und er stehe auch dahinter.

Dann war es Richterin Götz, die den großen Bildschirm im Verhandlungssal in Beschlag nahm. Mit Runen aus dem Internet. "Ob es Scheuch bewusst sei, dass er diese Runen verwendet habe?" Schnelle Antwort: "Nein, und ich habe diese Runen nicht verwendet."

Runen seit dem 15 Lebensjahr

Abermals folgte der Versuch Scheuchs zu erklären, warum er Runen verwendet: "Ich persönlich benutze Runen seit meinem 15, 16 Lebensjahr. Es sind immer wieder die gleichen. Sie bedeuten für mich etwas ganz anderes. Ich bin jemand, der naturverbunden ist, der in der Mystik verhaftet ist, etwa in der germanischen Mythologie." So sei die Wolfsangel ein Glückszeichen. "Runen stiften meine Identität. Für mich ist das wichtig und das möchte ich weiter tun." Pause. "Mir gefällt das einfach."

Wolfsangel im Schuh eingeprägt

Wie alltäglich Runen für Scheuch sind, zeigte folgende Geste. Der Kärntner bückte sich, um seinen Schuh auszuziehen. "Selbst darin, ist die Wolfsangel drinnen, damit mein Sohn und ich, der die selbe Schuhgröße hat, unsere Schuhe auseinanderhalten können", sagte Scheuch und hielt der Richterin zum Beweis das Innere seines Schuhes hin.

Nichts bei Kellernazis verloren

Wie jemand, dessen ganzes Leben von Runen geprägt ist, der seinen Sohn in Anlehnung an eine Rune benennt, nicht wissen konnte, dass eine Wolfsangel von der NS benutzt wurde, wollte Richter Manfred Herrnhofer wissen ("Herr Scheuch, das geht nicht eini") Scheuch: "Dafür hatte ich keine Zeit. Ich habe doch nichts bei den Kellernazis verloren", wurde Scheuch laut.

Einstige Politgröße

Kurt Scheuch, galt in Kärnten über Jahre als fixe politische Größte der Blauen. Bis 2013 war er Landeshauptmannstellvertreter und Parteiobmann der Freiheitlichen in Kärnten.

Der rechtskräftigen Anklage waren jahrelange Ermittlungen, ein Gutachterstreit und Akte, die zwischen der Staatsanwaltschaft Klagenfurt und der Oberstaatsantwaltschaft Graz hin und her gegangen waren, vorausgegangen. 

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Im Falle einer Verurteilung könnten Scheuch ein bis zehn Jahre Haft drohen. 

Die Verhandlung wurde um 13.30 Uhr mit der Beratung über die Fragen für die Geschworenen fortgesetzt, dann starteten die Schlussplädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung.

Verteidiger Leyroutz betonte nochmals, dass keine staatspolizeilichen Erkenntnisse zu einer Betätigung von Scheuch vorliegen. "Es gibt keinen nationalsozialistischen Zusammenhang. Diesen gibt es nicht."

Dann ergriff Scheuch das Wort, mit Blick auf die Geschwornen: "Ich bedanke mich für das klare und ordentliche Ermittlungsverfahren. Ich verabscheue den Nationalsozialismus. Ich habe es nicht verdient, hier heute beschuldigt zu werden. Darum ersuche ich Sie, dass sie den alten Mölltaler Bauern freisprechen."

Die Geschworenen zogen sich um 14.15 Uhr zur Beratung zurück. Gegen 16 Uhr wurde das Urteil verkündet.

 

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