Probleme mit Schaulustigen: Wenn "Hilfe" die Helfer behindert
Bei einem Brand in Wien verzögerten zahlreiche Anwesende die Zufahrt der Feuerwehr und verbreiteten Panik. Die Polizei allerdings wertet das Verhalten als "vorbildlich".
Eine brennende Wohnung in Wien-Meidling. Zwei Männer, die in Panik aus dem dem dritten Stock springen. Und jede Menge Schaulustige, die sich versammelt haben, die bangen Minuten filmen und fotografieren und die Zufahrt der Feuerwehr erschweren.
So geschehen am vergangenen Sonntag in der Tichtelgasse. Speziell die Berufsfeuerwehr fand danach scharfe Worte: „Die Schaulustigen haben den Einsatz behindert. In solchen Fällen geht es um jede Minute. Wenn sich unser Einsatz verzögert, kann das tragische Folgen haben.“
Das Problem mit den Schaulustigen ist nicht neu. Im August 2018 wurde aus diesem Grund der sogenannte „Gaffer-Paragraf“ eingeführt. Die Polizei kann Personen, die Blaulicht-Einsätze behindern, nicht nur wegweisen. Den Gaffern droht zudem eine Verwaltungsanzeige. Geldstrafen bis 500 Euro sind möglich, in besonders schweren Fällen sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche. Im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen. Angewandt wird das aber selten. (siehe Infobox unten)
Trauriger Anlass
Das Thema allerdings ist hochemotional – seit Anbeginn. Eingeführt wurden die Strafen nach entsprechenden Zwischenfällen. Im Juli 2017 wurde eine schwangere Frau und ihr eineinhalbjähriger Sohn von einer Straßenbahn in Wien-Simmering erfasst. Schaulustige hatten die Rettungskräfte bei der Zufahrt behindert und fotografiert. Die Frau und ihr ungeborenes Kind starben.
Nur Monate später brach in Wien-Favoriten ein Mann zusammen. Zwar sperrten Polizisten den Bereich ab, damit die Rettungskräfte Wiederbelebungsmaßnahmen durchführen konnten – dennoch betraten Schaulustige den abgesperrten Bereich um zu filmen.
Der Einsatz vom Sonntag wird von den Einsatzkräften allerdings höchst unterschiedlich beurteilt. Feuerwehr-Sprecher Christian Feiler ärgert sich über das Handeln der rund 60 Anwesenden: „Als wir gekommen sind, hatten wir ein Problem, durch die Massen durchzukommen. Es wurde nur herumgeschrien, dadurch hat sich die Panik hochgeschaukelt.“
"Spring!"
Zudem hätten die Beobachter die Männer aus der betroffenen Wohnung aufgefordert, aus dem dritten Stock zu springen. „Dann wurden Matratzen auf den Boden gelegt. Aber die sind einfach nicht geeignet, um aus dem dritten Stock zu springen. Ein Sprung ist das Mittel der letzten Wahl.“ Zudem wären die Matratzen ein Problem beim Einsatz der Drehleiter gewesen, um dem zweiten Mann zu helfen, der sich noch in der Wohnung befand. „So massive Probleme hatten wir schon lange nicht mehr.“ Der zweite Mann landete schließlich auf einem Sprungkissen. Allerdings kerzengerade und nicht, wie vorgesehen, im Langsitz.
Anders sieht das die Polizei: „Die Leute haben sich vorbildlich verhalten. Sie haben allen Anweisungen der Polizei Folge geleistet“, sagt Sprecher Markus Dittrich. Ein Mann sei beim Eintreffen bereits am Fenster gehangen. „Er sollte sich festhalten, so lange es möglich war. Die Anwesenden wurden gebeten, alles zu holen, was sie haben, um einen möglichen Sturz abzufedern. Darunter waren dann auch die Matratzen. Die anwesenden Personen haben dann auch Erste Hilfe geleistet.“
Gesetz
Der sogenannte Gaffer-Paragraf wurde 2018 eingeführt. § 81 Absatz 1a Sicherheitspolizeigesetz besagt, dass Personen, die durch ihr Verhalten oder ihre Anwesenheit die öffentliche Ordnung stören, in dem sie Hilfeleistung behindern oder die Privatsphäre der Betroffenen beeinträchtigen, eine Verwaltungsübertretung begehen.
Anzeigen
19 gab es laut Landespolizeidirektion im heurigen Jahr in Wien. Verwaltungsanzeigen werden nicht österreichweit erfasst.
Ein Phänomen der Zeit
Wegen Gaffens sei niemand angezeigt worden. Dass auch Fotos und Videos gemacht wurden, sei ein Phänomen der Zeit. „Damit müssen wir leben.“
Auch das sieht die Berufsfeuerwehr deutlich kritischer: „Wir hatten schon einen Fall, da ist einer aufs Dach des Feuerwehrwagens, um ein gutes Foto machen zu können. Und wir haben es auch schon erlebt, dass erst Bilder gemacht und als Leserreporter-Fotos verkauft werden, bevor die Feuerwehr gerufen wird.“
Lösungen wie ein mobiler Sichtschutz – der wird etwa bei Unfällen auf Straßen eingesetzt, um Opfer vor Schaulustigen zu schützen – machen in Wien keinen Sinn, sagt Feiler. „In Wien stehen die Leute ja sowieso auch am Balkon und filmen von oben. Da bräuchten wir ein Zelt.“
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