Premiere: Erstes Tondokument liefert den Klang der Erde
Über Wochen hinweg zeichneten vier Messstationen vom Gipfel des Traunstein übers Tal bis hinab auf den Grund des Sees Vibrationen und Druckwellen auf – jetzt ist der Klang der Erde erstmals zu hören.
Forscherinnen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) haben die Vibrationen verarbeitet und in Töne umgewandelt, die – extrem beschleunigt – nun auch vom menschlichen Gehör erfassbar sind.
Der wichtigste Moment der Projekts Tiefenrausch: Die Bergung des Hydrofons am Grund des Traunsees:
Projekt Tiefenrausch: Die Highlights
Fünf Highlights aus den umfangreichen Aufnahmen, die die drei Seismometer und das Hydrofon in 191 Metern Tiefe in den vergangenen Wochen gespeichert haben, sind auf der ersten, rund 20 Sekunden langen Aufnahme zu hören.
Den Klang der Erde gibt es aber nicht nur zu hören – sondern auch zu sehen: In einem Spektrogramm (siehe unten) lässt sich die Frequenz (also die Tonhöhen) ablesen, auch die Tonstärke (also die Lautstärke) ist parallel dazu verzeichnet.
1. Fernbeben auf Fidschi
In den ersten zwei Sekunden ist ein Erdbeben aus dem Pazifik zu hören – extrem niederfrequent und daher stark beschleunigt. Der gelbe Halbbogen im Spektogramm zeigt die Oberflächenwelle, die von der fernen Insel bis nach Oberösterreich gelangte.
2. Beben in Hallstadt
Über die Dauer von 2,5 Sekunden ist ein Rauschen zu hören. Vor Ort (rund 35 Kilometer Luftlinie entfernt) war das Beben im August sogar wahrnehmbar.
3. Der Wind
Der Traunstein schwingt mit dem Wind. Drei bis vier Stunden wurden hier auf zwei Sekunden komprimiert. Der Ton klingt tatsächlich fast wie das Rauschen des Windes.
4. Black Hawk
Der erste von Menschen gemachte Ton: Ein Heereshubschrauber fliegt über den See – zu sehen im hochfrequenten Bereich. Und sehr laut zu hören.
5. Absolute Stille
Die Sequenz stammt (wie die folgende) aus dem Hydrofon vom Grund des Sees. Zu hören ist in diesen zwei Sekunden: gar nichts.
6. Eine Wasserpumpe
Doch nicht immer ist es so still im See: Eine alles überlagernde Pumpe, die Trinkwasser in einer Wasserleitung vom Traunstein unter den See hindurch nach Gmunden liefert. Das löst Druckwellen im Wasser aus.
Wissenschaftlicher Wert
Was die Aufnahmen in aller Deutlichkeit zeigen: Wie stark menschlich bedingte Geräusche den Klang der Erde verändern und beeinflussen. Besonders eindrucksvoll zeigt sich das am Grund des Sees, wo – anders als erwartet – die von Menschen geschaffene Technik selbst in 191 Metern Tiefe noch die Stille des Wassers durchbricht.
Aus wissenschaftlicher Sicht ist das Projekt von großer Bedeutung – und das in gleich mehrerlei Hinsicht: „Das Projekt hilft, komplexe Themen für die Menschen erklärbar zu machen. Das ist eines der zentralen Ziele moderner Wissenschaftskommunikation“, sagen die Seismologin Maria-Theresia Apoloner und die Geophysikerin Ingrid Schlögel, die für die ZAMG die Daten ausgewertet haben.
Auch für die Zukunft lernt man aus dem KURIER-Projekt: Moderne Forschung benötige immer öfter Messorte, an denen keine Menschen sind und an denen absolute Stille herrsche, erklären die ZAMG-Wissenschafterinnen.
„Manchmal muss es einfach extrem still sein. Die nun gewonnenen Daten zeigen uns, wo künftige Standorte für sensible Projekte sein könnten.“
Vor allem der Tauchgang in die Tiefen des Traunsees hat die Grenzen des Machbaren verschoben: „Wir wussten im Vorfeld nicht, ob es möglich ist, ein Hydrofon mit 200 Metern Kabel an eine so exponierte Stelle zu schicken“, so Apoloner und Schlögel.
Mit dem Tiefenrausch LIVE konnte man sich für künftige, auch internationale Projekte empfehlen: „Wir konnten sichtbar machen, wozu wir eigentlich in der Lage sind.“
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