"Jeder Auftraggeber hat Interessen, das ist aber nicht meine Baustelle"

Plagiatsjäger Stefan Weber kümmern die Motive seiner Klienten nicht
Das Plagiatsgutachten von Stefan Weber hat dem steirischen Landesrat Buchmann Titel und Job gekostet.

Der streitbare Salzburger Medienwissenschaftler hat auch die Doktorarbeit des designierten Staatsopern-Direktors Bogdan Roščić unter die Lupe genommen – ein Verfahren der Uni Wien läuft.

KURIER: Herr Weber, wie viele akademische Karrieren haben Sie auf dem Gewissen?

Stefan Weber: Das ist jetzt etwas zynisch gefragt, neutral formuliert: Bisher gibt’s zwölf Aberkennungen eines akademischen Grades durch meine Gutachten. Zehn in Österreich und zwei in Deutschland.

Wann starten Sie die Suche nach einem Plagiat?

Ich beginne in den meisten Fällen natürlich nach einem bezahlten Auftrag, eine Arbeit zu überprüfen. Es gibt auch die Möglichkeit, das anonym über meine Webseite zu melden. Da ist es für mich dann so: Je prominenter die Person, desto interessanter ist es für mich, das zu überprüfen. Die dritte Möglichkeit wäre, dass ich auf Eigeninitiative starte. Dafür ist aufgrund der Bezahlaufträge keine Zeit mehr.

Zuletzt hat der steirische Landesrat Christian Buchmann seinen Hut genommen, da ihm nach Ihrem Gutachten der Doktortitel aberkannt worden ist. Wer war in diesem Fall der Auftraggeber?

Da gibt’s eine Verschwiegenheitserklärung. Das ist auch okay so, ansonsten würde die Diskussion über Plagiate von der Politik überstrahlt werden und das will ich nicht. Mir ist aber auch klar, dass ich meinen ethischen Willen nicht meinem Auftraggeber überstülpen kann. Der verfolgt immer eigene Interessen.

Wäre es angesichts der Konsequenzen nicht angebracht, zu wissen, wer solche Prüfungen anfordert? Ansonsten wirken Ihre Gutachten als das Ergebnis gezielter Vernaderung, meinen Kritiker.

Ich sag’ Ihnen ehrlich, selbst im Fall Buchmann hab’ ich den oder die Auftraggeber nicht einmal gefragt, warum sie das interessiert. Das ist einfach nicht meine Baustelle – selbst wenn er mir ins Gesicht sagen würde: "Ja, ich will Politiker XY fertigmachen und Herr Weber, Sie sind mein Mittel zum Zweck." Ich würde aber nicht per se von jeder österreichischen Partei einen Auftrag übernehmen, einen anderen Politiker zu überprüfen.

5000 Euro soll ein Gutachten zu einer Doktorarbeit kosten. Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie wenig schmeichelhaft als "Kopfgeldjäger" hingestellt werden?

Das war sicherlich mein letztes Gutachten zu diesem Preis, es ist bereits teurer geworden. Ich habe natürlich meinen Anwalt gefragt, ob die Bezeichnung "Kopfgeldjäger" klagbar ist – ist es nicht. Ich nehme das augenzwinkernd hin. Mir geht’s nicht darum, andere Menschen abzuschießen, sondern ob jemand in seiner Doktorarbeit geschummelt hat oder nicht. Für mich ist das genauso Forschung, wie wenn jemand Experimente mit Ratten macht.

Sie haben auch die Dissertation des designierten Staatsopern-Direktors Bogdan Roščić untersucht. Die Arbeit ist fast 30 Jahre alt, die meisten Gewaltdelikte wären längst verjährt. Ist es nicht unverhältnismäßig, wenn jemand womöglich seinen Titel und den Job verliert, weil er vor Jahrzehnten abgeschrieben haben könnte?

Absolut. Das kann man so hinterfragen. Es muss aber einen Umgang mit dem Plagiat in den Bibliotheken geben. Und wenn ein Plagiat einer Person des öffentlichen Lebens verjährt, muss das trotzdem zum Thema werden können.

Christian Buchmann ist einer von ganz wenigen Uni-Absolventen, denen ein akademischer Grad offiziell aberkannt wurde. Der Noch-ÖVP-Landesrat (er tritt Dienstag offiziell vom Amt zurück) ist etwa an der Uni Graz erst der zweite Fall seit 2008 überhaupt, seit eine Plagiatssoftware installiert wurde.

2000 wissenschaftliche Arbeiten werden pro Jahr allein an der Uni Graz überprüft, von Bachelor- bis hin zu Doktorarbeiten. In den vergangenen neun Jahren schlug sie aber nur zwölf Mal Alarm wegen Plagiatsverdachts: Diese Arbeiten wurden zum Teil negativ benotet , teilweise wurde der Verdacht auch entkräftet. Vor dem Doktor-Fall Buchmann wurde zuletzt 2010 ein akademischer Grad tatsächlich entzogen.

An den anderen Universitäten schaut es nicht viel anders aus, aberkannte Promotions- oder Sponsionsbescheide sind mehr als rar. Die Uni Wien hat Aufzeichnungen bis 2005: Demnach gab es bis zum laufenden Studienjahr insgesamt 47 eingeleitete Verfahren wegen Plagiatsverdachtes, in 26 Fällen wurde der akademische Grad aberkannt.

An der Universität Klagenfurt gab es bisher vier solcher Fälle, darunter einen, der 2006 für viel Wirbel sorgte: Einer Uni-Assistentin wurde vorgeworfen, dass Teile ihrer Diplomarbeit ein Plagiat sind. Sie schrieb die Arbeit danach neu.

Keine kompletten Daten

Österreichweite Zahlen für alle Hochschulen und Fachhochschulen für derartige Fälle liegen allerdings nicht komplett vor. Die Österreichische Agentur für wissenschaftliche Integrität sie beauftragte auch zwei Gutachter im Fall Buchmann hat Daten für 2011 und 2012 gesammelt und dafür 50 Institutionen abgefragt. Demnach gab es 2011 insgesamt 48 Arbeiten, in denen Verdacht auf Plagiat vorlag; zwei Titel waren nach dem Ende der Prüfung weg. 2012 waren es 50 Verfahren und vier aberkannte akademische Grade.

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