Pflegeskandal: Heim wusste seit Sommer Bescheid

Der Pflegeskandal zieht weite Kreise
Beide Tatverdächtige konnten nicht gekündigt werden. Sie wurden nach ihrer Festnahme am Donnerstag wieder unter Auflagen freigelassen.

Waren dem Wiener Pflegeheim der Salvatorianer die Missbrauchsvorwürfe gegen die beiden Pfleger bekannt, als sie eingestellt wurden? Darüber ist nun eine heftige Diskussion entbrannt. Für die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz ist es inakzeptabel, dass die beiden Männer trotz der Verdachtslage im "Haus Pater Jordan" in Wien-Donaustadt wieder als Pfleger auf Patienten losgelassen wurden. "Natürlich war das Heim informiert. Alles andere stimmt nicht. Es liegt mir sogar ein diesbezügliches Protokoll vor", betont der renommierte St. Pöltener Anwalt Stefan Gloß, der in der Causa für seine Mandanten spricht.

Dem widerspricht die Leiterin des Pflegeheims. In einer schriftlichen Stellungnahme heißt es, dass das Haus bei der Einstellung weder vom laufenden Strafverfahren informiert war, noch davon wusste, dass die beiden Männer zuvor im Skandalheim Clementinum in Kirchstetten (Bezirk St. Pölten-Land) beschäftigt waren. Als das Heim durch Zufall im Sommer davon erfuhr, sei eine sofortige Entlassung geprüft worden. Diese sei aber aus arbeitsrechtlichen Gründen gescheitert.

Eine sofortige Überprüfung des "Haus Pater Jordan" durch die Kontrollorgane des Fonds Soziales Wien hat keine neuen Verdachtsmomente ergeben. "Es wurde von keinerlei negativen Zwischenfällen berichtet, teilweise wurde ausdrücklich ein positiver Eindruck der Betreuung formuliert", heißt es darin.

Strenge Auflage

Nach der Festnahme der beiden tatverdächtigen Pfleger am Mittwoch wegen Tatbegehungsgefahr, wurden diese am Donnerstag wieder freigelassen. Und zwar mit der Auflage und ihrem Gelöbnis, dass sie bis zum Ende des Verfahrens nicht mehr im Pflegebereich tätig sein werden. Die Verantwortung der Beschuldigten hat sich auch bei der Einvernahme durch den Haftrichter nicht geändert: Sie bestreiten vehement, Pflegebedürftige im Clementinum mit folterähnlichen Methoden sadistisch gequält zu haben. Allerdings wiegen die Vorwürfe gegen die insgesamt fünf Pflegekräfte laut Zeugenaussagen schwer. Der brisante Fall bekommt auch eine immer größere politische Dimension und könnte nun sogar zu einer Gesetzesänderung führen. Christian Pilnacek, der Leiter der Sektion Strafrecht im Justizministerium, hat sich im ORF für zumindest vorübergehende Berufsverbote ausgesprochen, wenn in derartig gravierenden Fällen ermittelt wird. Während es solche Maßnahmen zwar bei Ärzten gibt, war der Pflegebereich bisher davon ausgenommen.

Dieselbe Forderung kommt auch vom niederösterreichischen Pflege- und Patientenanwalt Gerhard Bachinger. Ihm schwebt neben dem vorläufigen Berufsverbot auch ein bundesweites Register vor, in denen disziplinäre Maßnahmen gegen Pflegepersonal eingetragen werden. "Damit man auch weiß, wenn Ermittlungen gegen eine Person stattfinden und die Leute nicht in einem anderen Heim wieder tätig werden", sagt Bachinger. Jeder Rechtsträger müsse aus Sicherheitsgründen darüber Einblick bekommen.

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