Der Staatsschutz hat seit Monaten in einschlägigen Foren jede Menge Drohungen und Material gesammelt, das die übliche Dimension weit übersteigt. Liegt ein konkretes Bedrohungsszenario vor, kommen die Spezialisten der Cobra ins Spiel.
Seit Jahrzehnten ist die Polizei-Sondereinheit die persönliche Leibgarde des Bundespräsidenten oder internationaler Staatsgäste. Der Personenschutz zählt zur Kernkompetenz der Cobra und ist wesentlicher Bestandteil der Grundausbildung bei der Eliteeinheit. Wurden früher Regierungsmitglieder anlassbezogen, in Vorwahlzeiten oder bei heiklen Auslandsreisen begleitet, so ist seit der Pandemie alles anders.
Wird für einen Vertreter des offiziellen Österreich ein Personenschutz angeordnet, kommen Oberstleutnant Thomas Pinkel und sein Team ins Spiel. Der Niederösterreicher ist Leiter des Referats für Personenschutz bei der Cobra. Er stand mit seinen Personenschützern bereits an der Seite vieler Staatspräsidenten und gekrönter Häupter. Dabei galt es, Personen wie den Papst oder den Dalai Lama bei Österreich-Besuchen zu schützen.
Die Einheit konnte auch im Ausland und vor allem in Krisenregionen Erfahrungen im Personenschutz sammeln. Jeder Cobrist, wie die Beamten der Antiterror-Einheit genannt werden, muss im Zuge seiner Ausbildung die Module für den Personenschutz durchlaufen. Erst danach erfolgt die Spezialisierung.
50 Beamte, so viele wie nie, zählt derzeit das Kernteam, auch Frauen sind darunter. Wer das Klischee-erfüllte Bild des groß gewachsenen Hünen mit dunkler Sonnenbrille, Anzug, Krawatte und Ohrenstöpsel im Kopf hat, liegt weit daneben. „Das war vielleicht einmal. Heute trachtet man danach, dass der Personenschützer möglichst unauffällig und damit auch unaufdringlich bleibt“, erklärt Pinkel.
Eine Ausnahme stellen Staatsbesuche dar, bei denen die Beamten auch Teil des Protokolls sind und gute Figur an der Seite von Staatsoberhäuptern machen sollen. Die wichtigsten Tugenden eines Personenschützers? „Diskretion und Loyalität“, sagt Pinkel. Deshalb beißt man beim Oberstleutnant auch auf Granit, wenn man ihm peinliche Momente der prominenten Schutzpersonen entlocken möchte.
Im Grunde beginnt jeder Auftrag mit einer Risikoanalyse. Wichtig ist dafür vor allem der Terminkalender der Schutzperson. „Wir versuchen, jeden Tag von der Vorgehensweise her individuell zu planen. Sprich, wie viele Beamte werden eingesetzt, und welche Positionen werden wahrgenommen“, erklärt Pinkel. Nicht immer sei das unmittelbare Personenschutzteam die einzige Personenschutzmaßnahme. Wegstreckenfestlegungen, Weg-Zeit-Diagramme unter Bedachtnahme auf besondere Gefahrenstellen sind Teil des Standardprogrammes. „Einer der wichtigsten Grundsätze: Wir sind so nahe wie nötig und so weit weg wie möglich“, sagt Pinkel. „Wir wollen unsere Schutzpersonen in ihren Lebensabläufen nicht behindern oder beeinträchtigen.“ Das heißt: Beim Sonntagsspaziergang des Kanzlers mit Familie und Hund in einem entlegenen Waldstück reiche es, sich in Sichtweite aufzuhalten.
Anders ist dies bei öffentlichen Auftritten vor Publikum. „Es gilt das Prinzip der drei Blickwinkel. Man hat die Person auf die man aufpasst, seinen Kollegen und das Umfeld im Blick.“ Die jeweilige Wahrnehmung bestimme den Standort der Beamten. Passiert nichts Auffälliges, müsse man nicht Schulter an Schulter an der Schutzperson „kleben“.
Der Personenschutz endet nicht, wenn der Minister oder Kanzler nach einem Zwölf- oder Fünfzehnstunden-Arbeitstag ins Bett geht. Anlassbezogen werden Privathäuser von Observationsteams überwacht.
130.000 Stunden wurden im Vorjahr alleine für den Personenschutz geleistet – ein neuer Rekord. Viel Arbeit der Beamten bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Vor jeder Auslandsreise müssen die behördlichen Formalitäten wie eine Waffentrag-Erlaubnis erledigt werden. Dazu kommen Gefahren- und Sicherheitsschulungen für Beamte des Verfassungsschutzes in den Bundesländern (LVT) und für andere Polizeieinheiten.
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