Osama bin Ladens Erben in der Wiener Szene

Ebu Tejma soll der IS-Statthalter in Wien sein.
Alte Seilschaften aus dem Bosnien-Krieg stellten sich in den Dienst der syrischen Terrormiliz IS. Nach einer bundesweiten Großrazzia entscheidet nun die Justiz über die U-Haft von 13 Verdächtigen.

Mit 900 Beamten, 40 Hausdurchsuchungen und 13 Festnahmen ging die Justiz am Freitag gegen eine höchst aktive bosnisch-österreichische Rekrutierungsorganisation der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) vor. Derzeit wird geprüft, wer von den Festgenommenen in U-Haft kommt.

Dass die laut Behörden wichtigste Verbindung des IS über Bosnien läuft, hat seine Ursache in der engen Verwicklung Österreichs in den Bosnien-Krieg 1992 bis 1995. Laut einem Bericht des Internationalen Kriegsverbrechertribunals kämpfte damals an der Seite der muslimischen Izetbegovic-Regierung eine Mudschaheddin-Einheit, die hauptsächlich aus ausländischen Kämpfern bestand. Diese sollen von Osama Bin Laden rekrutiert und im Sudan ausgebildet worden sein. Der damals in Wien akkreditierte sudanesische Diplomat Elfatih H. organisierte von Österreich aus all die Jahre ungehindert saudiarabisches Geld und den Waffennachschub.

Mutierte Gotteskrieger

Nach dem Krieg wollte die bosnische Regierung die Söldner wieder loswerden, und entzog ihnen die bosnischen Reisepässe. Und die CIA machte Jagd auf die inzwischen zu Schafzüchtern mutierten Gotteskrieger, und expedierte einige von ihnen nach Guantanamo. Erst jetzt wurde auch von den österreichischen Behörden der Waffen-Finanzier Elfatih H. plötzlich als Belastung empfunden, und er bekam ein Aufenthaltsverbot.

Verbliebene Dschihadisten konnten jedoch einige Dörfer in Bosnien in Besitz nehmen. Die Verbindung der bosnisch-österreichischen Bin-Laden-Anhänger blieb über eine bosnische Jugendorganisation und radikale Prediger intakt. Laut Verfassungsschutz werkten die aber in den letzten Jahren unter der Flagge des IS. Denn El Kaida ist in der jungen Salafisten-Szene Schnee von gestern. Bin Laden ist tot, und seinem Nachfolger Aiman al-Zawahiri fehlt jedes Charisma.

Bin Laden-Verehrer

Ein Beispiel für den Richtungswechsel ist der in Bosnien festgenommene Prediger Hassan Bilal Bosnic. Im Bosnien-Krieg war er Mitglied der Mudschaheddin-Brigade, und er trat auch nachher als glühender Bin-Laden-Verehrer in Erscheinung. Er wurde schon im September von der bosnischen Polizei im Rahmen der „Operation Damaskus“ verhaftet, weil ihm die Rekrutierung von Österreichern, 160 jungen Bosniaken und 50 jungen Italienern für den „Islamischen Staat“ zur Last gelegt wird.

Das alles deutet darauf hin, dass der vormalige Bin-Laden-Verehrer seine gesamte Organisation in den Dienst des IS gestellt hatte – samt seines Ablegers in Österreich. Bisher waren diese Extremisten den Behörden vor allem durch Geldtransfers aufgefallen. Mit Aufkommen des IS-Terrors in Syrien wurden aber auch zunehmend IS-Aktivitäten festgestellt. Denn laut eines Berichts des Verfassungsschutzes spielen die Salafisten-Dörfer in Bosnien auch eine wesentliche Rolle bei der IS-Rekrutierung von Österreichern. Der Bericht: „Diese Dörfer tragen wesentlich zur Etablierung von Subkulturen bzw. abgeschotteten Milieus bei und werden häufig auch von Personen mit Österreichbezug aufgesucht.“ Bosnic’ Statthalter in Wien soll der serbische Prediger „Ebu Tejma“ sein. Auch er wurde verhaftet (siehe unten).

Dieser war laut ORF auch in Salzburg aktiv: Am 24. Mai habe er dort in einer Moschee im Bahnhofsviertel gesprochen. Die Veranstaltung sei auf Facebook beworben worden. In Salzburg soll er sich mit weiteren radikalen Predigern sowie mit Ibrahim Abou Nagie getroffen haben, der einen Islam-Zirkel namens „Die wahre Religion“ betreibt.

Nach dem Polizei-Einsatz am Freitag gegen radikale Islamisten in Wien, Graz und Linz entscheidet nun die Justiz, wer von den 13 Festgenommenen in U-Haft kommt. Es laufen zur Stunde Einvernahmen, das bei 40 Hausdurchsuchungen beschlagnahmte Material wird gesichtet. Der Hauptvorwurf: Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation.

Die zentrale Figur ist den Vorwürfen der Sicherheitsbehörden zufolge Mirsad O., besser bekannt unter seinem Prediger-Namen Ebu Tejma.

Die für die Ermittlungen federführende Staatsanwaltschaft Graz wirft dem 32-jährigen mit bosnisch-serbischen Wurzeln vor, nach Syrien beziehungsweise in den Irak zu reisen, um dort die Terror-Gruppe Islamischer Staat zu unterstützen. Sein Rechtsanwalt Lennart Binder erklärte im KURIER-Gespräch, dass ihm die Behörden die Ausreise von „einem Dutzend Jugendlicher“ nach Syrien in den so genannten Heiligen Krieg zur Last legen. Die Ermittler nannten auch die Namen der offenbar ausgereisten Personen. Einige habe der Verdächtige laut seinem Rechtsbeistand "gar nicht gekannt".

Binder gegenüber dem KURIER: „Davon kann doch keine Rede sein.“ Sein Mandant habe den Ermittlern sogar ein Gegenbeispiel genannt – von einem Jugendlichen, der bereits auf dem Weg nach Syrien war, und den sein Mandant durch eine Intervention zur Umkehr bewogen habe. Die Reden, die im Internet von O. kursieren, seien ohne seine Autorisierung in einer gekürzten und damit verfälschten Version ins Netz gestellt worden. Sie würden laut Binder „keinen Aufruf, in den Heiligen Krieg nach Syrien zu ziehen“, beinhalten.

"Geistiger Brandstifter"

Tejma ist in der salafistischen Szene im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Die namhafte deutsche Islamismus-Expertin Claudia Dantschke bezeichnete ihn als „geistigen Brandstifter“. Jenes Gebetshaus in der Venediger Au in Wien-Leopoldstadt, in der Tejma lange als Prediger tätig war und Osama Bin Laden huldigte, stand seit längerem im Visier des Verfassungsschutzes. Zuletzt bekam er dort ein Predigt-Verbot und zog sich in einen Kampfsportclub in Wien zurück.

Den Behörden zufolge soll er nicht nur in Wien, sondern auch in Graz Nachwuchs für die Terror-Gruppe Islamischer Staat rekrutiert haben. Im Vorfeld des groß angelegten Polizei-Zugriffs, an dem 500 Beamte mitgewirkt haben, stand ein massiver Lauschangriff. Tejma wurde am Freitag mit ersten Telefon-Protokollen konfrontiert. Sein Anwalt sagt, die Vorhalte seien „konfus“. Man könne durch die wenigen Wortfetzen „jeden Zusammenhang herstellen“.

Der Verdächtige brach am Freitag die Befragung ab. Auf eine Fortsetzung, die heute hätte stattfinden sollen, verzichtete der 32-Jährige auf Anraten seines Anwalts. „Wir warten jetzt, was weiter passiert“, erklärt Binder. Sein Mandant sei kein „Hassprediger“. Das Urteil in einem Medienprozess, in dem ein Richter diese Bezeichnung für O. als legitim betrachtet, sei „noch nicht rechtskräftig“.

Die Justizbehörden haben bis Dienstag Zeit, um über die Verhängung der U-Haft über die Verdächtigen zu entscheiden. Der vorgeworfene Tatbestand der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sieht ein Strafausmaß von bis zu zehn Jahren vor.

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