Ordensschwestern: „Wir sind keine armen Tschapperln“

Beatrix Mayerhofer über ihre Berufung: „Es ist wie in der Liebe. Irgendwann einmal passt’s.“
Es kann ein erfülltes Leben sein oder schiefgehen. Drei Frauen erzählen von ihren Entscheidungen für Verzicht und Zölibat.

Eine ehemalige Ordensfrau, die erzählt, sie sei Opfer sexuellen Missbrauchs in einer römisch-katholischen Glaubensgemeinschaft geworden. Die sagt, dass niemand ihr geglaubt habe. Bis ihr Kardinal Schönborn vor Fernsehkameras glaubt und von eigenen, schwierigen Erlebnissen in der Kirchengemeinschaft berichtet. Und sich heftig dagegen wehrt, dass diese Erlebnisse ebenfalls als Missbrauchserfahrung gewertet werden.

Zu spät. Die Kirche ist wieder in die Negativschlagzeilen geraten, die Worte „Kirche“ und „Missbrauch“ sind erneut, wie schon oft in der Vergangenheit, ein scheinbar schwer zu trennendes Wortpaar. Aber wer sind die Menschen, die ihr Leben voll und ganz dieser Glaubensgemeinschaft widmen? Und kommen noch neue hinzu?

„Wer einem Verein treu ist, hält auch in schwierigen Zeiten zu ihm“, sagt Beatrix Mayrhofer,71, mit einem fröhlich-wissenden Lächeln und meint damit ihren Fußballklub. Als Rapidlerin ist sie Kummer gewohnt.

„Bitte nicht Klosterschwester sagen"

Seit 1972 ist Schwester Beatrix (Geburtsname Notburga) Ordensfrau. Sie stammt aus einer armen Familie, studieren war nicht vorgesehen. Obwohl sie „schon in der vierten Klasse Volksschule“ wusste, dass sie Ordensfrau werden will. Übrigens: „Bitte nicht Klosterschwester sagen. Das klingt abschätzig. Wir sind keine armen Tschapperln. Die übliche Vorstellung ist: Kloster hinter Mauern und Abschied von der Welt. Schrecklich! Dabei ist das ein erfülltes Leben. Es kann allerdings, wie eine Ehe, auch schiefgehen.“

Bei der Burgi, wie man sie Zuhause nannte, ist es gut gegangen. Eigentlich hatte sie eine Lehrstelle beim Greißler. Sie durfte weiter in die Schule gehen, weil die Lehrerin und der Onkel, ein Priester, sich für sie einsetzten. Nach der Matura studierte sie, promovierte gleich zwei Mal, wurde vor 47 Jahren Ordensschwester. Warum? „Es ist wie in der Liebe. Irgendwann passt’s.“

Beatrix Mayrhofer weiß viel über Kirche und Missbrauch, psychischen wie physischen. Ebenso wie über den alltäglichen geringschätzigen Umgang mit Frauen. Wenn der Bischof meint, er „hätte gerne drei Ordensfrauen, die ihm den Haushalt schupfen.“ Seit 20 Jahren sei die Schlechterstellung von Frauen in der Kirche Thema, allerdings: „Die gibt es auch außerhalb.“

Rechtfertigung für den Habit

Schwester Beatrix ist nah am öffentlichen Leben, jahrzehntelang war sie Direktorin einer Schule, wo Kinder aus Dutzenden Nationen unterrichtet werden. Sie verfolgt aktuelle Debatten, verteidigt ihre Kirche im Fernsehen, manchmal auch auf der Straße: Den Habit, ihre Ordenstracht, trägt sie ganz bewusst. In letzter Zeit muss sie sich immer öfter dafür rechtfertigen. Es kommt vor, dass sie auf der Straße angepöbelt, ja sogar angespuckt wird.

Die Relevanz kirchlicher Einrichtungen nimmt ab, sagt sie. Trotzdem spürt sie eine Aufbruchsstimmung: „Gerade in einer konsumgetriebenen Gesellschaft stellt sich immer öfter die Frage: Ist das alles? Ist das der Sinn des Lebens?“ Für Schwester Beatrix stellt sich diese Frage nicht. „Das steht in der Bergpredigt.“

Suche nach Spiritualität

Es ist wohl ist die Suche nach Gemeinschaft und Spiritualität, die Menschen dazu bringt, einem Orden beizutreten, glaubt Schwester Ruth. Die schmale 44-jährige Kunsthistorikerin ist Ordensfrau und arbeitet als Supervisorin in einem Ordenszentrum. Bei einem Auslandsaufenthalt im Burgund erklärte die damals 26-Jährige als Kunstvermittlerin Besuchern eines Zisterzienserklosters täglich die Regel des Heiligen Benedikt („Müßiggang ist der Feind der Seele“). „Diese Regel ist in mich hineingesickert.“

Ordensschwestern: „Wir sind keine armen Tschapperln“

Ordensschwester Ruth Pucher: „Gerade jetzt dabei bleiben“.

Sie hatte sich „in die romantische Vorstellung von der Schönheit des Ordenslebens verschaut. Erst im Nachhinein habe ich nachgedacht, was ich im Leben will.“

Schwester Ruth Pucher hat  ihren Geburtsnamen behalten.  Statt Habit trägt sie  Second-Hand – für neue Kleidung ist kein Geld da. Doch die zierliche, aparte  Frau wirkt  gut gestylt, und man sieht ihr an, dass ihr das wichtig ist.

Pucher stammt  aus Augsburg,  daheim ging man  „selbstverständlich“ in die Kirche. Die junge Ruth war  Ministrantin, leitete  Jugendgruppen. Nur ein einziges Mal sei ihr damals der Gedanke gekommen, ihr Leben Gott zu widmen: Als sie einen Mönch kennen lernte  und daheim begeistert  von seiner Arbeit erzählte. „Meine Eltern bezeichneten das als abwegige Art zu leben, und meinten, er sei wohl frustriert.“

„Frustriert." Geht man in einen Orden, weil es im „richtigen Leben“ nicht klappt? „Mit diesem Vorurteil wurde auch ich konfrontiert. Ich war selbst eine Zeit lang verlobt. Der Mann ist dann krank geworden, und mein Leben hat eine andere Richtung eingeschlagen. Natürlich fragte man mich bei  meinem Eintritt  genau, ob ich diese Entscheidung nicht aus  Enttäuschung  getroffen habe.“

17 Jahre liegen dazwischen. Und so mancher Moment des Zweifels. Ein Wort zum  Thema Missbrauch? „Das interessiert die Leute nicht mehr“. Das habe mit einem allgemein abnehmenden Interesse an der Kirche zu tun. Die größte Herausforderung? „Die Gemeinschaft. Will ich  mit diesen Frauen leben? Ich  habe sie  mir nicht ausgesucht.  Da gibt es viele, die sich mit einem kleineren Lebensentwurf zufrieden geben. Die Hälfte der Schwestern ist über 80. Die wenigen Jungen finden schwierige Bedingungen vor.“

Verdächtige Handlungen

Gibt es Freundschaften? Früher war es verboten, einzelnen mehr Aufmerksamkeit als der Gemeinschaft zu schenken:  Exklusiven Freundschaften wurden verdächtige Handlungen unterstellt.  Heute dürfen auch Ordensschwestern Nahbeziehungen führen. Freundschaftliche. Mehr nicht.  Ist der Verzicht auf körperliche Liebe schwierig?„Manchmal schon. Aber auch  das Eheleben entspricht wohl  nicht immer den Verstellungen.“ 

Schwieriger als der Verzicht auf die Beziehung zu einem Mann ist die Kinderlosigkeit. Einmal kam eine Freundin  mit ihrer Tochter zu Besuch. „Dieses Kind hat mich die Welt mit neuen Augen sehen lassen. Da habe ich mich schon gefragt, ob ich auf Kinder verzichten kann. Das war ein noch größerer Schmerz.“  Zweifel? „Nein. Gerade jetzt, wo wir so weniger sind,  finde ich es immer sinnvoller, dabei zu bleiben.“

Ka g’mahde Wiesn

Skifahren, wie andere das in den Semesterferien tun, ist nicht drin bei 25 Euro Taschengeld im Monat. „Das Leben is ka g’mahde Wiesn.“ Die  Sicht, die  Schwester Ida aus Vöcklabruck auf das Leben hat, ist erdig.

„What would Jesus do“ und „Holy Fascination“ steht auf Armbändern, die Ida Vorel trägt. Auf den ersten Blick sehen sie  aus wie Festivalarmbänder, die viele Junge  tragen. Und manche katholische Jugendtreffen sind  tatsächlich wie ein Popkonzert. Zumindest wirkt das auf  Idas Instagram-Account so.

Ordensschwestern: „Wir sind keine armen Tschapperln“

Ordensschwester Ida Vorel überlegt, was ihr Platz in der Welt ist.

Schwester Ida, 25, ist bei den Franziskanerinnen, seit sie 19 ist. Den Namen Ida hat sie sich ausgesucht. Wer zu einem Orden geht, darf aus allen  Heiligen wählen, „Chantal wäre nicht drin gewesen“, scherzt sie. Unter 40-Jährige gibt es im Orden nur vier. Freundinnen? „Es gibt Mitschwestern“. Und einige verbliebene Freundinnen außerhalb des Ordens. Man geht hin und wieder  auf ein Bier, doch die  Zeit ist knapp. Ida arbeitet in einem Hort und in einer Wohngemeinschaft für Frauen in Notsituationen. Für die Jugendfreunde war sie „immer schon eine  Aussteigerin. Ich war nie Mainstream.“

Lisa hieß sie im früheren Leben. In dem sie einmal verliebt war („Das ist auch gut so. Ich bin ja trotzdem noch Frau“) und nicht gedacht hätte, dass sie Ordensschwester werden würde. Zum Glauben gefunden hat Ida, als sie während der Gärtnerlehre einen günstigen Urlaub suchte. Es wurde das „Kloster auf Zeit“ in  Vöcklabruck. „Ich habe sofort bemerkt, dass es mich hier hinzieht.“

Die Reaktion der Eltern? Sie haben es gut aufgenommen. Auch, dass  sie keine  Enkel haben werden. Kinder – „ein Teil, der leer bleibt.“ Gab’s  zwischendurch kalte Füße? „Natürlich. Immer wieder kommt ein Punkt, wo man sich denkt, man schmeißt alles hin. Das ist wohl wie in einer Beziehung. Aber man hat ein Versprechen gegeben. Und es geht um Treue.“ Und die großen Fragen? Ida antwortet zügig, in ihrer Mischung aus bodenständig, selbstbewusst und überlegt.  Missbrauch? „Habe ich nie erlebt.“ Verzicht? „Es ist ein Unterschied, ob man arm ist oder freiwillig verzichtet, wie ich.“ Der Sinn des Lebens? „Natürlich überlege ich, wo mein Platz in der Welt ist. Aber was danach kommt, das weiß ich.“

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