Koalition will Inländer bei der Vergabe von gemeinnützigen Wohnungen bevorzugen

Sonnwendviertel, Wien Favoriten
Regierung plant "Österreicher zuerst" im sozialen Wohnbau - Experten bezweifeln aber den Effekt der Maßnahme.

"Österreicher zuerst" – diese Devise soll künftig bei der Vergabe von Wohnungen gemeinnütziger Bauvereinigungen gelten. Eine entsprechende Änderung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGG) plant die türkis-blaue Bundesregierung. Demnach sollen solche Sozialwohnungen in erster Linie österreichischen Staatsbürgern (und EU-Bürgern) zur Verfügung gestellt werden. Die Unternehmen haben künftig jährlich über ihre entsprechende Siedlungspolitik zu berichten.

In den Geltungsbereich des WGG fallen in Österreich rund 700.000 Mietwohnungen, die von gemeinnützigen Wohnbau-Gesellschaften errichtet wurden. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Gemeindewohnungen der Kommunen, die ebenfalls nach sozialen Kriterien vergeben werden.

„Sämtliche Tätigkeiten einer gemeinnützigen Bauvereinigung sind vorrangig zugunsten einer Wohnversorgung von österreichischen Staatsbürgern auszurichten sowie gleichgestellten Personen (z.B. EU-Bürger, Anm.) sowie Ausländern, die sich seit mehr als fünf Jahren ununterbrochen und legal in Österreich aufhalten sowie ein Prüfungszeugnis des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) oder einer vom ÖIF zertifizierten Prüfungseinrichtung über die erfolgreiche Absolvierung einer Integrationsprüfung vorlegen“, heißt es dazu im Büro  von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). Weiters sind bei der Vergabe von Wohnungen Opfer von Gewalt im Sinne des Gewaltschutzgesetzes zu bevorzugen bzw. vorzureihen.

Gegen "Parallelgesellschaften im sozialen Wohnbau"

Geht es nach der Bundesregierung, sollen mit dieser Maßnahme "Parallelgesellschaften im sozialen Wohnbau", wie es in einem dem KURIER vorliegenden Papier heißt, zurückgedrängt werden. Einmal mehr will man damit das rot-grün regierte Wien und die dortige Wohnungspolitik attackieren. „Dem umfassenden Versagen der Wiener SPÖ setzen wir eine wirklich soziale und faire Wohnpolitik entgegen“, sagt FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus.

Die Maßnahme soll konkret den sogenannten Wien-Bonus konterkarieren, den der damalige Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) eingeführt hat. Er gilt allerdings für den Gemeindebau und nicht für den gemeinnützigen Wohnbau. Bei der Vergabe werden Bewerber bevorzugt, die bereits länger in Wien leben. In FPÖ-Kreisen kritisiert man diese Maßnahme als ineffizient: So werde ein erst kürzlich nach Wien gezogener Inländer gegenüber Ausländern benachteiligt, der schon mehrere Jahre in Wien lebt.

Offen bleibt allerdings, wie groß die Auswirkungen der jetzigen Maßnahme in der Praxis sein werden. Laut einer Statistik der Sozialbau AG haben 38 Prozent der Mieter bei Neubezug Migrationshintergrund. Hier sind allerdings ausländische Staatsbürger genauso erfasst wie im Ausland geborene österreichische Staatsbürger. Für letztere gilt die Neuregelung nicht. Mit 15 Prozent machten die türkischstämmigen Mieter in dieser Gruppe den größten Anteil aus.

Koalition will Inländer bei der Vergabe von gemeinnützigen Wohnungen bevorzugen

Karl Wurm, Obmann der GBV

Nachdem die Frage der Staatszugehörigkeit bei der Vergabe bis jetzt nicht relevant war, gibt es keine detaillierten Erhebungen. "Im ländlichen Bereich ist der Anteil der Drittstaatsangehörigen unter den Mietern gering. In den Städten wird er etwas größer sein. Aber dass es sehr viele sind, wage ich zu bezweifeln", sagt Karl Wurm, Obmann des Österreichischen Verbandes gemeinnütziger Bauvereinigungen, zum KURIER. Aber Maßnahmen, mit denen Einheimische bevorzugt werden sollen, seien eben der politische Zug der Zeit, gibt sich der Experte diplomatisch. 

Deutlicher die Reaktion von SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher: „Nachdem ich zwar den Sektor gut, aber keinen einzigen konkreten Fall kenne, bin ich auf die zugrundeliegenden Zahlen der Regierung zu diesem Thema sehr gespannt. Ich denke, die Österreicher werden diesen Köder nicht schlucken und sich von der Unfähigkeit der Regierung, die Wohnkosten zu senken, nicht ablenken lassen.“

Frühere Kaufoption

Die Novelle enthält auch eine Reihe von Änderungen in anderen Bereichen: Mieter sollen ihre gemeinnützige Wohnung bereits nach fünf Jahren erwerben können - und nicht erst wie bisher nach zehn Jahren. „Damit schaffen wir mehr Planbarkeit und machen aus Mietern Eigentümer“, sagt Schramböck. Weiters ist vorgesehen, dass im Mietvertrag auf die - ohnehin gesetzlich verankerte - Kaufoption ausdrücklich hingewiesen werden muss. Der Spekulationsschutz werde dabei nachgeschärft - etwa durch eine Bindung des Mietzinses für 15 Jahre nach dem Wohnungskauf durch den Mieter. Die gemeinnützigen Bauvereinigungen müssen dem Mieter die Wohnung im Zeitraum von fünf bis 20 Jahren auch viermal zum Kauf anbieten. Die Verlängerung des Optionszeitraums auf zwanzig Jahre soll auch für laufende Mietverträge gelten. Von dem verpflichtenden Kaufangebot ausgenommen werden sollen Kleinwohnungen mit einer Fläche bis zu 40 Quadratmetern. Diese sollen auf dem Vermietungsmarkt bleiben und so etwa jungen Menschen, Lehrlingen und Studenten zur Verfügung stehen.

Wurm ist skeptisch: "Es ist der Wunsch der Politik, die Bildung von Eigentum zu erleichtern. Die Maßnahme bevorzugt aber eher reichere Menschen, die den Kauf finanzieren können. Außerdem gehen durch den Verkauf günstige Mietwohnungen verloren."

Bann für Airbnb

Die kurzfristige, gewerbliche bzw. gewerbsmäßige Vermietung zu touristischen Beherbergungszwecken - etwa über Onlineplattformen wie Airbnb - soll künftig nicht mehr erlaubt sein. Auch die Bezüge-Obergrenze für Manager der Gemeinnützigen sei „modernisiert“ worden, so das Wirtschaftsministerium. Hier kommt man einer Forderung des Rechnungshofs nach, der massiv überhöhte Gagen kritisiert hatte.

Gegen Spekulanten

Spekulative Immobilieninvestoren sollen keinen Zugriff mehr auf die günstigen gemeinnützigen Wohnungen haben, so ein weiteres Ziel der Novelle. Damit reagiert die Regierung auf die Fälle der Gesellschaften Gesfö, Riedenhof und Buntes Wohnen, die wie berichtet im Burgenland ihre Gemeinnützigkeit verloren haben. Eine Maßnahme, die Wurm angesichts dieser Vorfälle begrüßt.

Schnell erklärt: Über 20 Prozent der Österreicher wohnen in einer Sozialwohnung. Die Miete ist dort um etwa 20 Prozent günstiger als in Wohnungen von gewerblichen Vermietern auf dem privaten Markt. Österreichweit gibt es den Angaben zufolge rund 180 gemeinnützige Bauvereingiungen (GBV) - davon etwa 100 Genossenschaften und 80 Kapitalgesellschaften. Diese verwalten rund 653.000 eigene Mietwohnungen und circa 270.000 Eigentumswohnungen. Der Gesamtbestand umfasst also in etwa 932.000 Wohnungen. Das jährliche Bauvolumen beläuft sich auf rund 16.500 Sozialwohnungen.

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