Österreich ist Europameister bei Verkehrsunfällen
Platz 28 von 28. Schaut man sich innerhalb der Europäischen Union die Zahl der Verkehrsunfälle mit Verletzten an, dann ist Österreich auf dem ruhmlosen letzten Platz. So nachzulesen im jährlichen Report der Europäischen Kommission für das Jahr 2018. Österreich ist also Europameister bei den Verkehrsunfällen, Auszeichnung ist das jedenfalls keine.
"In diesen europäischen Ländern sollten Sie besser nicht auf die Straße gehen", schrieb deshalb vergangene Woche eine niederländische Zeitung. Genannt wird an erster Stelle Österreich, aber auch Deutschland oder Belgien sind dabei. Am besten (niedrigsten) liegen hingegen Dänemark, Zypern und Finnland. Dort ist die Unfallgefahr neunmal niedriger als in der Alpenrepublik.
Im Büro von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) zeigt man sich überrascht über die Zahlen: "Bei den tödlichen Verkehrsunfällen liegen wir eigentlich im Mittelfeld", wird betont. Mehr konnte oder wollte man vorerst nicht dazu sagen.
Mögliche Ursachen
Der bekannte Verkehrsexperte Gregor Bartl sieht vor allem die "nahezu lückenlose Erhebung von Unfällen mit Personenschaden" als Hauptursache. Bei einem internationalen Kongress etwa sagte vor einigen Jahren ein polnischer Behördenvertreter, dass das größte Verkehrssicherheitsproblem in Polen die Korruption sei. Also nimmt man es dort einfach mit dem Zählen der Unfälle nicht so genau?
Es ist zumindest auffallend, dass einige Länder bei der Statistik mit den Todesopfern, bei der weit weniger getrickst werden kann, ganz woanders liegen. So sind hier Rumänien und Bulgarien führend, Polen liegt hinter Kroatien auf dem vierten Platz. Die meisten Toten gibt es jedenfalls in Osteuropa, wo auf den Straßen mitunter noch das Recht des Stärkeren gilt.
Die wenigsten Toten pro Einwohner haben traditionell Großbritannien und die skandinavischen Länder – nicht weit dahinter liegt bereits Deutschland. Der Grund dafür liegt allerdings nicht in der Freigabe des Tempolimits, wie Freunde des Gaspedals gerne anmerken, sondern an einer tatsächlich niedrigeren Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Autobahnen als in Österreich und vor allem an einem strengen Punkteführerschein. Das österreichische Pendant (das von Hubert Gorbach eingeführte Vormerksystem) ist weniger effektiv und so kompliziert, dass selbst Experten nicht immer den Durchblick haben.
Die Zählweise der EU-Kommission beziehungsweise der einzelnen Länder kritisiert auch ÖAMTC-Fachmann David Nosé: "Deutschland zählt 300.000 Unfälle, Frankreich 55.000. Da kann irgendwas nicht ganz stimmen." Auch die jährlichen Schwankungen in den Niederlanden von 5000 bis 25.000 Unfällen sind nicht wirklich erklärbar.
Dazu kommt laut Bartl, dass Österreich ein Transitland ist, bei dem sehr viele Kreuzungspunkte von Ost nach West und Nord nach Süd vorhanden sind. Auch ist die Autodichte höher als etwa in Ost- und Südeuropa. Experte Bartl: "Zusammengefasst: Etwaige Hinweise darauf, dass der Österreicher schlechter Auto fährt, finde ich nicht."
1,35 Millionen Tote
Weltweit starben im Vorjahr jedenfalls 1,35 Millionen Menschen durch den Verkehr, sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Am gefährlichsten ist es demnach in Afrika (27 Tote pro 100.000 Einwohner), am sichersten in Europa (9 Tote). Österreich liegt da mit 5,2 sogar noch unter dem Schnitt, also weit besser als in der EU-Bilanz.
Die besten Werte erreichen hier die Schweiz (2,7), Norwegen (2,7), Schweden (2,8) und Großbritannien (3,1). Warum Österreich diese Werte nicht erreicht, liegt auf der Hand: Diese vier Länder haben alle gemeinsam, dass sie teils drakonische Strafen verhängen. In Großbritannien etwa werden Alkolenker nach Unfällen auch ohne Verletzte gleich festgenommen (und vor Gericht gestellt).
In Nordeuropa werden die Strafen teilweise nach dem Gehalt festgelegt, zuletzt musste eine schwedische Millionärstochter für 0,61 Promille 25.000 Euro zahlen. Dabei gewährte ihr das Gericht einen Rabatt, weil sie mit 22 Jahren noch bei den Eltern wohnte – sonst wären sogar 4,2 Millionen Euro fällig gewesen. In Österreich wäre so etwas undenkbar.
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